Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Ideenprodu­zent

Fernsehpro­duzent Holm Dressler („Wetten, dass..?“) plaudert beim „Talk im Bock“aus dem Nähkästche­n

- Von Rolf Schneider

- „Ideen haben viele, aber den Mut, diese auch zu erzählen und zu verwirklic­hen, den haben nicht alle.“Holm Dressler hatte stets beides, weshalb er aufstieg vom lokalen Bandmusike­r der Pop-Metropolen Bielefeld und Hildesheim zu einem der erfolgreic­hsten Produzente­n der deutschen TV-Geschichte („Auf los geht’s los“, „Na sowas“, „Na siehste“, „Wetten, dass..?“). Dass er mit den Säulenheil­igen der deutschen TV-Unterhaltu­ng wie Blacky Fuchsberge­r, Frank Elstner, Günter Jauch und Thomas Gottschalk arbeiten durfte/konnte, unterstrei­cht die Bedeutung seiner Rolle.

„Das war ein riesengroß­er Spielplatz“, erinnert er sich am Montagaben­d im Bocksaal und reichert seinen nostalgisc­hen Rückblick mit überaus vielen, überaus reizvollen Anekdoten an sowie mit einem Schuss kritischer Analyse: „Die Leichtigke­it ist verloren gegangen. Unterhaltu­ng wird heute mit zusammenge­bissenen Zähnen produziert. Das große, gute Fernsehen versteckt sich hinter dem Trash (Abfall).“TVAufzeich­nungen aus der Bronzezeit des Fernsehens wie „Telespiele“mit einem nahezu halbwüchsi­gen Gottschalk (anno 1977) sowie eine Szene aus „Na sowas“mit einem Klaus Kinski zum niederknie­en untermauer­n Dresslers steile These und sind neben vielen Star-Stories das Gutsle, welches das überaus überschaub­are Publikum hörbar genießt.

Moderator Müller, prima präpariert, kriegt den bühnenerfa­hrenen, sichtlich gut aufgelegte­n Routinier („Ich hab‘ nie unter dem Hintergrun­d gelitten“) gut in den Griff, lässt ihm viel Zeit für viele gut abgehangen­e Geschichte­n und altbekannt­e Sprüche: „Thomas hat immer gesagt, ich bin der Kellner, Holm ist der Koch“. Dass Holm nicht mehr für „Wetten, dass..?“verantwort­lich war, als der Unfall Samuel Kochs (Querschnit­tlähmung) passierte und dennoch davon angerührt ist, ist ihm auch heute noch anzumerken. Es war ein stets unterhalts­amer Abend, manchmal mit einer Überdosis Gottschalk, dem der Gast nach kurzfristi­ger Entfremdun­g wieder überaus freundscha­ftlich verbunden ist. Moderator Müller spart dankenswer­terweise die lange Liste peinlicher Gottschalk-Pleiten (in der Nach-HolmZeit) nicht aus und gibt dem Produzente­n Gelegenhei­t, diese Flops in wohlwollen­de Worte-Watte zu packen: „Thomas hat nichts verlernt. Aber er ist eben auch verführbar für Formate, die er sonst nicht gemacht hätte.“

Comeback für „Wetten, dass..?“

Auch Berufsjuge­ndliche kommen eben in die Jahre und trotz vieler neuer Projektide­en lässt Produzent Dressler ahnen, dass eine glänzende Vergangenh­eit für ihn immer noch die beste Zukunft ist: „Ich glaube immer noch nicht an das Ende von ,Wetten, dass..?’. Einmal im Jahr auf Mallorca – das würde Thomas machen. Aber es geht nicht, weil das ZDF nicht mitmacht.“

Da schwingt eine gehörige Prise Wehmut mit und die Gewissheit, dass auch ein alter Fahrensman­n wie Dressler weiß, dass in Zeiten von Netflix, Amazonprim­e und Youtube die hohe Zeit des guten alten Fernsehens vorüber ist. Unterkrieg­en will sich der 68-Jährige, der im schönen Herrsching am noch schöneren Ammersee residiert, dennoch nicht lassen, weshalb er ein Talk-Show-Format mit Raphaela Ackermann („Talk im Schloss“) im Portefeuil­le hat. Ackermann ist Thomas Gottschalk­s kleine Schwester und der Ausstrahlu­ngstermin in einem Spartensen­der ist um Mitternach­t geplant. Die (niedrige) Quote scheint prognostiz­ierbar. So ändern sich die Zeiten. Und Dressler ist hörbar glücklich, dass er die richtig guten Zeiten noch mitgemacht, ja entscheide­nd geprägt hat. Ideen hat er immer noch, aber die guten Sendeplätz­e werden rar.

 ?? FOTO: LILLI SCHNEIDER ?? Spannende Geschichte­n spannend präsentier­t: Produzent Dressler (rechts) und Talkmaster Müller.
FOTO: LILLI SCHNEIDER Spannende Geschichte­n spannend präsentier­t: Produzent Dressler (rechts) und Talkmaster Müller.

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