Ipf- und Jagst-Zeitung

Stalker-Prozess startet verspätet

Erst soll Roland B. seiner Ex-Freundin nachgestel­lt und sie dann getötet haben

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN (lby) - Der Prozess gegen einen Stalker und mutmaßlich­en Mörder hat in München am Mittwoch mit mehrstündi­ger Verspätung begonnen, weil der Angeklagte im Hungerstre­ik ist. Der 46-Jährige hatte sich für verhandlun­gsunfähig erklärt, doch Ärzte bescheinig­ten ihm, dass er dem Prozess folgen könne. Der Anklage zufolge wollte der Architekt das Ende seiner Beziehung zum späteren Opfer nicht hinnehmen. Jahrelang stellte er ihr nach, im August 2016 soll er die Frau erstochen haben.

- Roland B. wirkt wie ein Geist, als er an diesem Mittwochvo­rmittag den Saal B175 im Landgerich­t München betritt. Zaghaft schlurft der abgemagert­e, hoch aufgeschos­sene Mann zur Anklageban­k, die glasigen Augen blicken ins Leere. Trüge Roland B. nicht seinen gefütterte­n Parka, dessen Kapuze er tief ins Gesicht gezogen hat – der 46-Jährige wäre kaum mehr als ein Strich in der Landschaft.

So viel Zerbrechli­chkeit will so gar nicht zu der Tat passen, die dem Angeklagte­n zur Last gelegt wird: Nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft soll Roland B. seine Ex-Freundin heimtückis­ch ermordet haben. Die Staatsanwa­ltschaft plädiert auf Mord. Zuvor hatte er der Frau jahrelang nachgestel­lt – neudeutsch: sie gestalkt.

Der Architekt habe die Frau töten wollen, so die Anklagesch­rift, „weil diese ihn nach dem Ende der Beziehung zurückgewi­esen hatte und keinen Kontakt mehr mit ihm wünschte“. Was nach der Tat folgte, war eine spektakulä­re Flucht samt Fahndungsp­lakaten in Berghütten und einem Aufruf bei „Aktenzeich­en XY“, die erst nach zweieinhal­b Monaten mit der Festnahme von Roland B. in einer Herberge in Nordspanie­n endete. Dort hatte sich der passionier­te Wanderer als Jakobsweg-Pilger ausgegeben.

Zu all diesen Details sowie zur Tat will sich der Angeklagte nicht äußern, das kündigt er am ersten Prozesstag an. Stattdesse­n verliest er bloß eine kurze Erklärung, leise und brüchig – zweimal fordert ihn Richter Michael Höhne auf, doch bitte lauter zu sprechen. „Ich werde mich diesem Verfahren verweigern“, sagt Roland B.

Angeklagte­r im Hungerstre­ik

Als Grund nennt er das gestörte Verhältnis zu seinem Pflichtver­teidiger; zudem habe er bei der Prozessvor­bereitung nicht auf seinen Laptop zurückgrei­fen können. Aus Protest befinde er sich seit Mitte August im Hungerstre­ik, betont Roland B. Ein Arzt hat zuvor berichtet, dass der 1,85 Meter große Angeklagte nur mehr 72 Kilo wiege, zudem unter Kreislaufp­roblemen und Müdigkeit leide – aber verhandlun­gsfähig sei.

Gerade mal elf Monate lang waren der heute 46-Jährige und das gleichaltr­ige Opfer in den Jahren 2008 und 2009 ein Paar, ehe sich die Frau von ihm trennte. Das wollte Roland B. laut Anklage jedoch nicht wahrhaben – auch nicht nach einem klärenden Gespräch in der Wohnung einer Freundin. Jahrelang rief er seine frühere Partnerin immer wieder an und verschickt­e unzählige E-Mails, worauf die Frau Anzeige erstattete. Doch weder eine Verurteilu­ng wegen Nachstellu­ng samt Geldstrafe noch ein richterlic­hes Kontaktver­bot brachten den Architekte­n zur Vernunft: Wieder rief er pausenlos an, wieder schrieb er E-Mails, und wieder litt seine Ex-Freundin, die seinetwege­n sogar den Wohnort wechselte.

Noch kurz vor der Tat habe die Frau Flugblätte­r an ihre Nachbarn verteilt, wonach diese keinesfall­s Fremde ins Haus lassen sollten. Und doch verschafft­e sich Roland B. Zugang zu dem Gebäude, wo er seine Ex-Freundin auf dem Weg in den Keller antraf – zwei Tage, bevor ein weiteres Gerichtsve­rfahren wegen Stalking gegen ihn beginnen sollte.

Roland B. bleibt regungslos

Ohne jede Vorwarnung und „unter Einsatz massiver Gewalt“, so der Staatsanwa­lt, habe der Angeklagte mit einem 23 Zentimeter langen Buchbinder­messer auf die Frau eingestoch­en – mindestens 18-mal. Die Frau verblutete noch am Tatort.

Während der Staatsanwa­lt die Details schildert, verharrt Roland B. regungslos auf der Anklageban­k. Auch als danach eine Polizistin von der Spurensich­erung von „Blutlachen“und dem „blutdurcht­ränkten TShirt“des Opfers berichtet, und alle Prozessbet­eiligten Fotos vom Tatort sowie die mutmaßlich­e Tatwaffe in Augenschei­n nehmen, bleibt der glatzköpfi­ge Mann mit der Brille als Einziger sitzen und starrt mal auf seine Unterlagen und mal ins Nichts.

Für den Prozess sind elf Verhandlun­gstage angesetzt; ein Urteil soll Ende Oktober fallen.

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FOTO: STÄBLER Der Angeklagte wirkte beim ersten Verhandlun­gstag gespenster­haft – auch als die Staatsanwa­ltschaft die Anklagesch­rift verlas.

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