Zu viel gewollt
Ein Dickicht von Vorschriften und Auflagen sorgt dafür, dass Bauen in Deutschland vergleichsweise teuer ist
- Günstig bauen in Deutschland, geht das noch? „Nein“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der oberste Repräsentant des Interessenverbands der deutschen Wohnungswirtschaft liefert den Beweis gleich nach: Seit dem Jahr 2000 sind die Bauwerkskosten hierzulande um knapp die Hälfte gestiegen. Der entsprechende Index für Wohngebäude, der die Entwicklung von Kosten im Neubau aufzeigt und dabei auch die Änderungen von Produktivität und Gewinnmargen der Bauwirtschaft berücksichtigt, lag Ende 2016 um 49 Prozent über dem Stand von Anfang 2000. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind in diesen 16 Jahren um lediglich 25 Prozent gestiegen. „In dieser Preisspirale werden immer mehr Bürger abgehängt, denn die Einkommensentwicklung hält mit den Baukosten nicht Schritt. Die Schere geht immer weiter auseinander“, so Gedaschko.
Ein Grund dafür ist eine typisch deutsche Eigenart: Der Wunsch, alles Mögliche zu regulieren und gesetzlich zu regeln. Vor allem auf dem Bau. Für die meisten Normen und Gesetze gibt es zwar einen gut gemeinten Ursprung. Gesundheitsschutz, Sicherheitsaspekte, Energieeffizienz und Ressourcenschonung – alles Ansprüche, die im Rahmen gesellschaftlicher Debatten entwickelt worden sind. Doch hat der Gesetzgeber, haben Kommunen, Länder und der Bund dabei Maß und Mitte verloren. Seit 1990 hat sich die Zahl der Normen und Bauvorschriften von 5000 auf 20 000 vervierfacht. Jüngstes Beispiel: Die Energieeinsparverordnung, mit deren jüngster Novelle der energetische Standard für Neubauten noch einmal verschärft wurde. Allein dieser Schritt, so Gedaschko, habe die Baukosten um sieben Prozent verteuert. Höhere Grunderwerbssteuern, höhere kommunale Grundstückspreise und höhere Baunebenkosten kommen hinzu – die Liste ließe sich deutlich verlängern.
Einer Analyse des GdW zufolge sind die Entwicklung der Baupreise und Nebenkosten zwar nach wie vor die größten Kostentreiber für den Wohnungsbau. Schärfere Vorgaben von Bund, Ländern und Kommunen rangieren abernu run wesentlich dahinter. Dabei wollte die Bundesregierung mit dem 2014 ins Leben gerufenen Bündnis für bezahlbares Wohnen„ preistreibende und überdimensionierte Standards und Kosten überprüfen “. Eigens dafür wurde eine Bau kostensenkungs kommission eingerichtet. Doch bei dem Versuch, überflüssige Vorschriften zu streichen, um die Baukosten zu reduzieren, sei man keinen Schritt vorangekommen, kritisiert der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten.
Es geht auch anders
Dass das funktionieren kann zeigt ein Blick in die Nachbarschaft. Auch der Wohnungsbau in den Niederlanden schien in einer Lawine von Vorschriften, Regeln und Gesetzen zu ersticken. Doch rechtzeitig vor dem Kollaps wurde mit dem Umgebungsgesetz die Genehmigungspolitik für Bauprojekte radikal entschlackt. Mit der Verabschiedung 2015 existiert künftig nur noch ein Umgebungsplan mit wenigen Festlegungen statt wie bisher mehrere Bebauungspläne. Bauherren müssen sich künftig nur noch an eine einzige Einrichtung wenden – und das auch nicht mehr persönlich, sondern digital. Wenn das Gesetz und die digitale Infrastruktur bis 2020 vollständig eingeführt sind, sollen Genehmigungsverfahren nur noch zwischen 24 Stunden und höchstens acht Wochen dauern.
Mit der Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modeling, kurz: BIM) versucht man zwar auch hierzulande, die Vorzüge der Digitalisierung auf die Baustelle zu bringen. „Doch die Praxis sieht nach wie vor so aus, dass die digital erfassten Bauwerksdaten ausgedruckt und in vierfacher Ausfertigung zur Bauverwaltung gebracht werden“, sagt Gedaschko.
Was ist zu tun? Der GdW-Präsident fordert einen ganzen Strauß an Maßnahmen von der Politik, um die Baukosten zu senken. Die Grunderwerbsteuer nicht weiter erhöhen, die Auflagenflut stoppen und Normen überprüfen, eine verbindliche Musterbauordnung einführen, höhere Abschreibungen ermöglichen und die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen sind einige davon. „Darüber hinaus brauchen wir eine Neuausrichtung der Energieeinsparverordnung“, sagt Gedaschko, bei der auch die lokale Energieerzeugung in einem Quartier etwa durch PV-Anlagen berücksichtigt wird. Auch die staatliche Förderung im Wohnungsbau sei ausbaufähig. Viele andere Länder seien Deutschland in diesem Punkt weit voraus.