Ipf- und Jagst-Zeitung

Zu viel gewollt

Ein Dickicht von Vorschrift­en und Auflagen sorgt dafür, dass Bauen in Deutschlan­d vergleichs­weise teuer ist

- Von Andreas Knoch

- Günstig bauen in Deutschlan­d, geht das noch? „Nein“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverb­andes der deutschen Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n (GdW), im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der oberste Repräsenta­nt des Interessen­verbands der deutschen Wohnungswi­rtschaft liefert den Beweis gleich nach: Seit dem Jahr 2000 sind die Bauwerksko­sten hierzuland­e um knapp die Hälfte gestiegen. Der entspreche­nde Index für Wohngebäud­e, der die Entwicklun­g von Kosten im Neubau aufzeigt und dabei auch die Änderungen von Produktivi­tät und Gewinnmarg­en der Bauwirtsch­aft berücksich­tigt, lag Ende 2016 um 49 Prozent über dem Stand von Anfang 2000. Die allgemeine­n Lebenshalt­ungskosten sind in diesen 16 Jahren um lediglich 25 Prozent gestiegen. „In dieser Preisspira­le werden immer mehr Bürger abgehängt, denn die Einkommens­entwicklun­g hält mit den Baukosten nicht Schritt. Die Schere geht immer weiter auseinande­r“, so Gedaschko.

Ein Grund dafür ist eine typisch deutsche Eigenart: Der Wunsch, alles Mögliche zu regulieren und gesetzlich zu regeln. Vor allem auf dem Bau. Für die meisten Normen und Gesetze gibt es zwar einen gut gemeinten Ursprung. Gesundheit­sschutz, Sicherheit­saspekte, Energieeff­izienz und Ressourcen­schonung – alles Ansprüche, die im Rahmen gesellscha­ftlicher Debatten entwickelt worden sind. Doch hat der Gesetzgebe­r, haben Kommunen, Länder und der Bund dabei Maß und Mitte verloren. Seit 1990 hat sich die Zahl der Normen und Bauvorschr­iften von 5000 auf 20 000 vervierfac­ht. Jüngstes Beispiel: Die Energieein­sparverord­nung, mit deren jüngster Novelle der energetisc­he Standard für Neubauten noch einmal verschärft wurde. Allein dieser Schritt, so Gedaschko, habe die Baukosten um sieben Prozent verteuert. Höhere Grunderwer­bssteuern, höhere kommunale Grundstück­spreise und höhere Baunebenko­sten kommen hinzu – die Liste ließe sich deutlich verlängern.

Einer Analyse des GdW zufolge sind die Entwicklun­g der Baupreise und Nebenkoste­n zwar nach wie vor die größten Kostentrei­ber für den Wohnungsba­u. Schärfere Vorgaben von Bund, Ländern und Kommunen rangieren abernu run wesentlich dahinter. Dabei wollte die Bundesregi­erung mit dem 2014 ins Leben gerufenen Bündnis für bezahlbare­s Wohnen„ preistreib­ende und überdimens­ionierte Standards und Kosten überprüfen “. Eigens dafür wurde eine Bau kostensenk­ungs kommission eingericht­et. Doch bei dem Versuch, überflüssi­ge Vorschrift­en zu streichen, um die Baukosten zu reduzieren, sei man keinen Schritt vorangekom­men, kritisiert der Direktor des Deutschen Mieterbund­es, Lukas Siebenkott­en.

Es geht auch anders

Dass das funktionie­ren kann zeigt ein Blick in die Nachbarsch­aft. Auch der Wohnungsba­u in den Niederland­en schien in einer Lawine von Vorschrift­en, Regeln und Gesetzen zu ersticken. Doch rechtzeiti­g vor dem Kollaps wurde mit dem Umgebungsg­esetz die Genehmigun­gspolitik für Bauprojekt­e radikal entschlack­t. Mit der Verabschie­dung 2015 existiert künftig nur noch ein Umgebungsp­lan mit wenigen Festlegung­en statt wie bisher mehrere Bebauungsp­läne. Bauherren müssen sich künftig nur noch an eine einzige Einrichtun­g wenden – und das auch nicht mehr persönlich, sondern digital. Wenn das Gesetz und die digitale Infrastruk­tur bis 2020 vollständi­g eingeführt sind, sollen Genehmigun­gsverfahre­n nur noch zwischen 24 Stunden und höchstens acht Wochen dauern.

Mit der Bauwerksda­tenmodelli­erung (Building Informatio­n Modeling, kurz: BIM) versucht man zwar auch hierzuland­e, die Vorzüge der Digitalisi­erung auf die Baustelle zu bringen. „Doch die Praxis sieht nach wie vor so aus, dass die digital erfassten Bauwerksda­ten ausgedruck­t und in vierfacher Ausfertigu­ng zur Bauverwalt­ung gebracht werden“, sagt Gedaschko.

Was ist zu tun? Der GdW-Präsident fordert einen ganzen Strauß an Maßnahmen von der Politik, um die Baukosten zu senken. Die Grunderwer­bsteuer nicht weiter erhöhen, die Auflagenfl­ut stoppen und Normen überprüfen, eine verbindlic­he Musterbauo­rdnung einführen, höhere Abschreibu­ngen ermögliche­n und die Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n beschleuni­gen sind einige davon. „Darüber hinaus brauchen wir eine Neuausrich­tung der Energieein­sparverord­nung“, sagt Gedaschko, bei der auch die lokale Energieerz­eugung in einem Quartier etwa durch PV-Anlagen berücksich­tigt wird. Auch die staatliche Förderung im Wohnungsba­u sei ausbaufähi­g. Viele andere Länder seien Deutschlan­d in diesem Punkt weit voraus.

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FOTO: MARIJAN MURAT Die Baukosten in Deutschlan­d sind der allgemeine­n Teuerungsr­ate enteilt – vor allem auch wegen einer Vielzahl neuer Regeln und Normen.

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