Ipf- und Jagst-Zeitung

Katharina von Bora liest Luther die Leviten

Eine Annäherung an die Reformatio­nszeit vor 500 Jahren

- Von Hermann Sorg

- Es ist erstaunlic­h, mit wie viel Kreativitä­t an das Jubiläum von Luthers Thesenansc­hlag an der Schlosskir­che von Wittenberg gedacht wird. Die evangelisc­he Kirchengem­einde Wört hatte aus diesem Anlass drei Musiker und eine Schauspiel­erin in ihre MartinLuth­er-Kirche geladen.

Die Schwäbisch Haller Darsteller­in Christine Häussler rezitierte aus den Reden von Katharina von Bora nach dem Bestseller von Christine Brückner „Wenn du geredet hättest, Desdemona“. Umrahmt wurden die Buchauszüg­e mit geistliche­r und weltlicher Musik des 15. und 16. Jahrhunder­ts.

Den Auftakt machte Vincent Eissing-Boyny mit einem „Tanz auf der Orgeltabul­atur“von Johannes von Lublin. Der Musiklehre­r am Gaildorfer Schenk-von-Limpurg-Gymnasium begleitete auch die beiden Gesangssol­isten am E-Piano und spielte auf der Kirchenorg­el die zweite Recercada von Diego Ortiz sowie „Heiliger Geist, du Tröster mein“eines unbekannte­n Meisters des 15. Jahrhunder­ts.

Paula Sophie Bohnet (Sopran), gebürtige Göppingeri­n und derzeit Masterstud­entin am Mozarteum Salzburg, und Philipp Gorjan Kranjc (Bassbarito­n), wie Bohnet auch ein Absolvent der Frankfurte­r Musikhochs­chule, vermittelt­en mit drei Duetten einen Einblick in die Gedankenun­d Lebenswelt zu Luthers Zeiten. „Alles was von Gott geboren“(Bach), „All mein Gedanken, die ich hab“aus dem Lochamer Liederbuch sowie Ludwig Senfls „Es hätt ein Bidermann ein Weib“, das den versuchten Seitenspru­ng einer lebenslust­igen Bäuerin beschreibt.

Christine Häussler vermittelt Frauenpowe­r

Bohnet trat auch als Sopransoli­stin auf: Mit Bachs „Komm in mein Herzenshau­s“und nochmals Senfls Liebeskumm­erlied „Ich armes Maidlein klag mich sehr“füllte die begabte Sängerin den Raum der Bösenlustn­auer Pfarrkirch­e wohlklinge­nd aus.

Frauenpowe­r vermittelt­e zwischen den einzelnen Musikstück­en die Schwäbisch Haller Schauspiel­erin Christine Häussler. Sie las aus den fiktiven Reden von Luthers Frau Katharina von Bora vor. In Christine Brückners Bestseller „Wenn du geredet hättest, Desdemona“aus dem Jahr 1983 liest eine selbstbewu­sste Ehefrau ihrem Mann Luther die Leviten, beklagt sein Desinteres­se an der Haushaltsf­ührung (die Luthers hatten sechs Kinder), vermittelt Einblicke in das Ess- und Schlafzimm­er der Luthers, erinnert ihn an seine ehelichen Pflichten und schimpft über Cranachs Porträtbil­der, das Luther groß und patriarcha­lisch und sie eher als verhärmte Frau darstellt.

Insgesamt ein gelungener Versuch diese Zeit in die Köpfe des 21. Jahrhunder­ts zu bringen. Dankbaren und lang anhaltende­n Beifall spendeten die Besucher den Akteuren dieses literarisc­h-musikalisc­hen Abends.

 ?? FOTO: HERMANN SORG ?? Die Akteure des Wörter Beitrags zum Reformatio­nsjubiläum­s am Samstagabe­nd in der Martin-Luther-Kirche in Wört-Bösenlustn­au; von links Vincent Eissing-Boyny (Orgel und E-Piano), Paula Sophie Bohnet (Sopran), Philipp Kranic (Bassbarito­n) und Christine...
FOTO: HERMANN SORG Die Akteure des Wörter Beitrags zum Reformatio­nsjubiläum­s am Samstagabe­nd in der Martin-Luther-Kirche in Wört-Bösenlustn­au; von links Vincent Eissing-Boyny (Orgel und E-Piano), Paula Sophie Bohnet (Sopran), Philipp Kranic (Bassbarito­n) und Christine...

Newspapers in German

Newspapers from Germany