Der Biber ist auf dem Vormarsch
Seit einem Vierteljahr gräbt der Nager auf dem Grundstück von Helmut Sienz
– An einem Fischweiher in der Nähe von Stocken ist ein Biber heimisch geworden. Für den Besitzer des Grundstücks ist das kein Grund zur Freude.
Vor etwa einem Vierteljahr bemerkte Helmut Sienz, dass etwas nicht stimmte. Einer der Bäume am Rand des Fischteichs, der zu Sienz’ Refugium in der Nähe von Stocken gehört, war umgeknickt. Der 77-jährige Pensionär und Imker hatte spielende Jungs im Verdacht. Doch mit der Zeit fielen immer mehr Bäume. „Das können keine spielenden Jungs mehr sein“, dachte sich Sienz. Er wandte sich an das Landratsamt und einen Förster. Beide bestätigten ihm, dass ein Biber wohl der Urheber der Schäden sein müsse.
Zuerst hatte sich der Nager an kleineren Bäumen vergangen. Doch bei seinem letzten Opfer, einer jungen Eiche, hat der Biber ganze Arbeit geleistet. Immerhin betrug der Durchmesser des Stammes gute zwanzig Zentimeter. Sienz blickt resigniert auf den gefallenen Baum, dessen Krone im Wasser des Fischteichs liegt: „Ich hatte mich an den Bäumen gefreut und daran, dass die Leute, die hier vorbeikommen, die Natur genießen können.“
Simone Foltyn, Sachbearbeiterin für den Bereich Naturschutz beim Landratsamt Ostalbkreis, bestätigt: „Der Biber ist auf dem Vormarsch.“ 2003 habe es die ersten Sichtungen im Kreis gegeben, inzwischen schätzt sie die Zahl der Biberfamilien im Kreis auf 100 bis 120. Im Dreieck Ellwangen-Wört-Bopfingen ist er häufiger anzutreffen; allein im Ellwanger Umland hätten sich mittlerweile etwa 90 Biberfamilien angesiedelt.
Mittlerweile folgen die Tiere auch den Flussläufen von Kocher und Lein. Auch in Täferrot sei inzwischen ein einzelnes Tier gesichtet worden. Obwohl Biber die Nähe zum Wasser brauchen, um ihre Dämme zu bauen, können sie große Strecken über Land zurücklegen, wenn sie sich ein neues Revier suchen müssen. Sobald im Frühjahr ein neuer Wurf auf die Welt kommt, müssen die älteren Geschwister den Bau ihrer Familie verlassen und ein neues Revier finden.
Teichbesitzer sind nicht begeistert
Auch wenn sich Naturschützer darüber freuen, dass der Biber wiederkommt, sind Grund- und Teichbesitzer oft weniger begeistert. Helmut Sienz kann kaum etwas gegen seinen ungebetenen Gast tun, denn die Tiere sind geschützt. „Der Biber hat die Hoheit in Baden-Württemberg“, sagt er resigniert. In Bayern sieht die Situation anders aus. Dort, so hat sich Sienz erkundigt, gebe es Zuschüsse vom Land für Biberschäden, zudem existiere dort eine Abschussquote für die Nager.
Simone Foltyn vom Landratsamt sieht keinen Grund dafür, etwas an dem Schutz der Biber zu ändern. Als der Biber faktisch ausgerottet war, so Foltyn, seien auch andere Pflanzen und Tiere verschwunden, die nun langsam zurückkehrten. Als Beispiel nennt die Biologin den Kiebitz, der auf Feuchtflächen angewiesen sei. Auch für Amphibien sei es gut, wenn durch den Biber nun mehr Gewässer entstehen. Konflikten zwischen Mensch und Tier könne vorgebeugt werden, wenn entlang von Gewässern ein etwa 20 Meter breiter Randstreifen vorgehalten würde.
Nager graben sich unter Gittern und Zäunen durch
Dass dies bei privaten Fischteichen und ähnlichen Gewässern nicht immer möglich ist, weiß auch Foltyn. Deswegen biete das Landratsamt Beratungstermine vor Ort an, bei denen die Besitzer ihr Vorgehen mit der Behörde abstimmen können. Zum Baumschutz gebe es Drahtgittermatten, die um den Wurzelbereich der Bäume gelegt werden. Allerdings ist der 77-jährige Pensionär von dieser Lösung nicht überzeugt. Auch der Fischweiher von Helmut Sienz ist umzäunt, und an mehreren Stellen sind die Tunnel zu sehen, mit denen die Tiere den Zaun unterquert haben.
Auch ein Teil der Wiese, die an den Fischteich von Sienz angrenzt, ist bereits unterhöhlt. Das lässt sich deutlich an der gelb verfärbten Grasnarbe erkennen. Das Gras stirbt dort ab. Und hier wird das Wirken des Bibers auch für Menschen gefährlich: „Sollte der Bauer kommen, der hier aberntet, dann kann es sein, dass er mit seinen schweren Maschinen in ein Loch fällt. Die Auswirkungen mag man sich gar nicht ausmalen.“
Helmut Sienz ist vor ein paar Wochen beim Rasenmähen in so ein Loch gefallen und trug eine Knieverletzung davon. Darüber hinaus befürchtet er, dass die unterirdischen Biberbauten den Hang ins Rutschen bringen könnten. Der Pensionär könnte sich vorstellen, dass die Nager überwacht werden, um ihre Vermehrung einzudämmen.
Sienz denkt darüber nach, den Fischteich im Spätherbst abzulassen: „Vielleicht haut der Biber dann ab.“Dann aber bleibe von dem Fischteich nur eine Mulde mit Schlick und Schilf zurück. Kein schöner Anblick für Spaziergänger.
Simone Foltyn bestätigt, dass der Biber sein Revier verlässt, wenn ein Teich trockengelegt wird. Aber: „Wenn das Wasser wieder eingefüllt wird, kann es sein, dass er zurückkommt.“In jedem Fall empfiehlt sie, den Schritt mit dem Landratsamt abzustimmen. Und: „Den Teich ablassen, nur um den Biber loszuwerden – das geht nicht.“
Sienz zuckt mit den Achseln: „Auf jeden Fall ist jetzt der Biber in Stocken.“