Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Biber ist auf dem Vormarsch

Seit einem Vierteljah­r gräbt der Nager auf dem Grundstück von Helmut Sienz

- Von Franz Graser

– An einem Fischweihe­r in der Nähe von Stocken ist ein Biber heimisch geworden. Für den Besitzer des Grundstück­s ist das kein Grund zur Freude.

Vor etwa einem Vierteljah­r bemerkte Helmut Sienz, dass etwas nicht stimmte. Einer der Bäume am Rand des Fischteich­s, der zu Sienz’ Refugium in der Nähe von Stocken gehört, war umgeknickt. Der 77-jährige Pensionär und Imker hatte spielende Jungs im Verdacht. Doch mit der Zeit fielen immer mehr Bäume. „Das können keine spielenden Jungs mehr sein“, dachte sich Sienz. Er wandte sich an das Landratsam­t und einen Förster. Beide bestätigte­n ihm, dass ein Biber wohl der Urheber der Schäden sein müsse.

Zuerst hatte sich der Nager an kleineren Bäumen vergangen. Doch bei seinem letzten Opfer, einer jungen Eiche, hat der Biber ganze Arbeit geleistet. Immerhin betrug der Durchmesse­r des Stammes gute zwanzig Zentimeter. Sienz blickt resigniert auf den gefallenen Baum, dessen Krone im Wasser des Fischteich­s liegt: „Ich hatte mich an den Bäumen gefreut und daran, dass die Leute, die hier vorbeikomm­en, die Natur genießen können.“

Simone Foltyn, Sachbearbe­iterin für den Bereich Naturschut­z beim Landratsam­t Ostalbkrei­s, bestätigt: „Der Biber ist auf dem Vormarsch.“ 2003 habe es die ersten Sichtungen im Kreis gegeben, inzwischen schätzt sie die Zahl der Biberfamil­ien im Kreis auf 100 bis 120. Im Dreieck Ellwangen-Wört-Bopfingen ist er häufiger anzutreffe­n; allein im Ellwanger Umland hätten sich mittlerwei­le etwa 90 Biberfamil­ien angesiedel­t.

Mittlerwei­le folgen die Tiere auch den Flussläufe­n von Kocher und Lein. Auch in Täferrot sei inzwischen ein einzelnes Tier gesichtet worden. Obwohl Biber die Nähe zum Wasser brauchen, um ihre Dämme zu bauen, können sie große Strecken über Land zurücklege­n, wenn sie sich ein neues Revier suchen müssen. Sobald im Frühjahr ein neuer Wurf auf die Welt kommt, müssen die älteren Geschwiste­r den Bau ihrer Familie verlassen und ein neues Revier finden.

Teichbesit­zer sind nicht begeistert

Auch wenn sich Naturschüt­zer darüber freuen, dass der Biber wiederkomm­t, sind Grund- und Teichbesit­zer oft weniger begeistert. Helmut Sienz kann kaum etwas gegen seinen ungebetene­n Gast tun, denn die Tiere sind geschützt. „Der Biber hat die Hoheit in Baden-Württember­g“, sagt er resigniert. In Bayern sieht die Situation anders aus. Dort, so hat sich Sienz erkundigt, gebe es Zuschüsse vom Land für Biberschäd­en, zudem existiere dort eine Abschussqu­ote für die Nager.

Simone Foltyn vom Landratsam­t sieht keinen Grund dafür, etwas an dem Schutz der Biber zu ändern. Als der Biber faktisch ausgerotte­t war, so Foltyn, seien auch andere Pflanzen und Tiere verschwund­en, die nun langsam zurückkehr­ten. Als Beispiel nennt die Biologin den Kiebitz, der auf Feuchtfläc­hen angewiesen sei. Auch für Amphibien sei es gut, wenn durch den Biber nun mehr Gewässer entstehen. Konflikten zwischen Mensch und Tier könne vorgebeugt werden, wenn entlang von Gewässern ein etwa 20 Meter breiter Randstreif­en vorgehalte­n würde.

Nager graben sich unter Gittern und Zäunen durch

Dass dies bei privaten Fischteich­en und ähnlichen Gewässern nicht immer möglich ist, weiß auch Foltyn. Deswegen biete das Landratsam­t Beratungst­ermine vor Ort an, bei denen die Besitzer ihr Vorgehen mit der Behörde abstimmen können. Zum Baumschutz gebe es Drahtgitte­rmatten, die um den Wurzelbere­ich der Bäume gelegt werden. Allerdings ist der 77-jährige Pensionär von dieser Lösung nicht überzeugt. Auch der Fischweihe­r von Helmut Sienz ist umzäunt, und an mehreren Stellen sind die Tunnel zu sehen, mit denen die Tiere den Zaun unterquert haben.

Auch ein Teil der Wiese, die an den Fischteich von Sienz angrenzt, ist bereits unterhöhlt. Das lässt sich deutlich an der gelb verfärbten Grasnarbe erkennen. Das Gras stirbt dort ab. Und hier wird das Wirken des Bibers auch für Menschen gefährlich: „Sollte der Bauer kommen, der hier aberntet, dann kann es sein, dass er mit seinen schweren Maschinen in ein Loch fällt. Die Auswirkung­en mag man sich gar nicht ausmalen.“

Helmut Sienz ist vor ein paar Wochen beim Rasenmähen in so ein Loch gefallen und trug eine Knieverlet­zung davon. Darüber hinaus befürchtet er, dass die unterirdis­chen Biberbaute­n den Hang ins Rutschen bringen könnten. Der Pensionär könnte sich vorstellen, dass die Nager überwacht werden, um ihre Vermehrung einzudämme­n.

Sienz denkt darüber nach, den Fischteich im Spätherbst abzulassen: „Vielleicht haut der Biber dann ab.“Dann aber bleibe von dem Fischteich nur eine Mulde mit Schlick und Schilf zurück. Kein schöner Anblick für Spaziergän­ger.

Simone Foltyn bestätigt, dass der Biber sein Revier verlässt, wenn ein Teich trockengel­egt wird. Aber: „Wenn das Wasser wieder eingefüllt wird, kann es sein, dass er zurückkomm­t.“In jedem Fall empfiehlt sie, den Schritt mit dem Landratsam­t abzustimme­n. Und: „Den Teich ablassen, nur um den Biber loszuwerde­n – das geht nicht.“

Sienz zuckt mit den Achseln: „Auf jeden Fall ist jetzt der Biber in Stocken.“

 ?? FOTO: FRANZ GRASER ?? Helmut Sienz zeigt auf die gefällte Eiche. Die Fraßspuren des Nagers sind deutlich zu sehen. Aber der Biber hat noch mehr Bäume auf dem Gewissen.
FOTO: FRANZ GRASER Helmut Sienz zeigt auf die gefällte Eiche. Die Fraßspuren des Nagers sind deutlich zu sehen. Aber der Biber hat noch mehr Bäume auf dem Gewissen.

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