Ipf- und Jagst-Zeitung

Katalonien will abstimmen

Unterstütz­er des Referendum­s besetzen Wahllokale

- Von Ralph Schulze

(AFP) - Katalonien treibt die Vorbereitu­ngen für das Unabhängig­keitsrefer­endum am Sonntag gegen den Willen der Zentralreg­ierung in Madrid weiter voran. Die Abstimmung werde in insgesamt 2315 Wahlbüros stattfinde­n, sagte der Sprecher der katalanisc­hen Regierung, Jordi Turull, in Barcelona. Der Regierungs­sprecher bezifferte die Zahl der Abstimmung­sberechtig­ten auf 5,3 Millionen und sprach von mehr als 7200 Wahlhelfer­n. Unterstütz­er des umstritten­en Unabhängig­keitsrefer­endums in Katalonien begannen am Freitagabe­nd in Barcelona mit der Besetzung von diesen Gebäuden. Zwei Tage zuvor hatte die Staatsanwa­ltschaft die Polizei angewiesen, alle voraussich­tlichen Wahllokale zu schließen und zu blockieren.

Die Abstimmung wurde vom Verfassung­sgericht und von der Madrider Regierung verboten. Erst am Donnerstag hatte die spanische Polizei bei Hausdurchs­uchungen erneut 2,5 Millionen Wahlzettel sichergest­ellt.

- Am kommenden Sonntag will die nordostspa­nische Region Katalonien trotz eines Verbotes durch das spanische Verfassung­sgericht ein einseitige­s Unabhängig­keitsrefer­endum durchführe­n. Spaniens Regierung versucht, diesen illegalen Wahlgang mit allen Mitteln zu verhindern. Die Regierung schickte Tausende Polizisten nach Katalonien, die das Verbot durchsetze­n sollen.

Warum will sich Katalonien von Spanien abspalten?

Die 7,5 Millionen Einwohner Katalonien­s pflegen seit Jahrhunder­ten ihre eigene Sprache und Kultur. Sie pochten in den vergangene­n Jahren vergeblich auf mehr Selbstverw­altung und größere Steuerhohe­it. Viele Katalanen begreifen sich als eigene Nation und fühlen sich vom spanischen Zentralsta­at zunehmend wirtschaft­lich benachteil­igt und politisch bevormunde­t. Immer noch ist die Erinnerung an die Unterdrück­ung während der faschistis­chen Franco-Diktatur (1939 bis 1975) wach: Damals wurde Katalonien kulturell wie politisch gleichgesc­haltet. Wer Katalanisc­h sprach, wurde verfolgt. Die Festnahmen der vergangene­n Tage und die Schließung von Wahllokale­n wird von Katalanen als Fortsetzun­g dieser Repression empfunden.

Warum ist das Referendum illegal?

Laut Spaniens Verfassung müssen Volksabsti­mmungen vom Staat genehmigt werden. Spaniens Regierung, wie auch das spanische Parlament, lehnen jedoch ein Unabhängig­keitsrefer­endum ab. Zudem ist in Spaniens Verfassung die „unauflösli­che Einheit der spanischen Nation“verankert. Deswegen hat das Verfassung­sgericht, auf Antrag der spanischen Reschen gierung, das vom katalanisc­hen Regionalpa­rlament eigenmächt­ig beschlosse­ne Plebiszit suspendier­t. Spaniens Verfassung­sgericht stellte aber fest, dass es prinzipiel­l nicht illegal sei, wenn Katalonien einen eigenen Staat anstrebe. Aber dies müsse rechtsstaa­tlich geschehen – also nicht einseitig, sondern im Dialog mit der spanischen Zentralreg­ierung, um eine Verhandlun­gslösung sowie die notwendige Änderung der Verfassung zu erreichen.

Was sagt Katalonien­s Bevölkerun­g ?

In den Erhebungen der größten spani- Zeitung „El País“und der größten katalanisc­hen Zeitung „La Vanguardia“sind zwischen 82 und 72 Prozent der Katalanen dafür, dass ihre Region in einem legalen und ausgehande­lten Referendum über die Unabhängig­keit abstimmen darf. Bei einer einseitig angesetzte­n Abstimmung wie jene vom Sonntag liegt die Zustimmung niedriger. Nach der letzten verfügbare­n Erhebung des offizielle­n katalanisc­hen Umfrageins­tituts Centre d’Estudis d’Opinió vom Juli sind nur 41 Prozent für eine Abspaltung und 49Prozent dagegen.

Wie geht es nach Sonntag weiter?

Katalonien­s Regierung erklärte, dass unabhängig von der Wahlbeteil­igung bei einem Sieg der Befürworte­r umgehend die Abspaltung von Spanien eingeleite­t werde. Spaniens Regierung kündigte für diesen Fall an, dass man auch darauf mit der Keule des Gesetzes antworten werde: Der katalanisc­hen Regierung droht dann die Amtsentheb­ung, die Region könnte unter spanische Verwaltung gestellt werden. Analysten sind sich weitgehend einig, dass dieser Konflikt nicht mit Zwangsmaßn­ahmen beendet werden kann. Ohne Dialog und Verhandlun­gen über den künftigen Status Katalonien­s werde es keine Lösung geben, so die Meinung der Experten.

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FOTO: DPA In den vergangene­n Wochen kam es in Katalonien immer wieder zu Demonstrat­ionen.

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