Justizstandort Ellwangen sucht gute Nachwuchskräfte
Ohne Justizfachangestellte würde die Rechtsprechung nicht funktionieren – Schulungsort Ellwangen ist vorerst gesichert
(fg) - Ab 2018 können am Ellwanger Amtsgericht zwölf statt acht junge Menschen pro Jahrgang zu Justizfachangestellten ausgebildet werden. Damit ist die Zukunft des Ausbildungsganges in der Stadt vorerst sicher.
Justizfachangestellte ist „kein normaler Bürojob“, und das gefällt Helena Schmid gut. Die junge Frau durchläuft die Ausbildung zur Justizfachangestellten und befindet sich zurzeit im zweiten Lehrjahr. Sie findet es interessant, dass das Berufsfeld mit dem Recht zu tun hat. Helena Schmid hatte sich zwar auch für andere Berufe interessiert, zum Beispiel für Tätigkeiten im Groß- und Außenhandel. Dort stehe jeden Tag mehr oder weniger das Gleiche auf dem Programm. Als Justizfachangestellte bekäme sie dagegen „mit jeder Akte etwas Anderes“auf den Schreibtisch.
Die Fachangestellten arbeiten in den Geschäftsstellen von Gerichten und Staatsanwaltschaften, bekommen Einblick in Straf- und Zivilprozesse, laden zu Verhandlungsterminen, führen Protokolle, legen Akten an und bearbeiten gerichtliche Verfügungen und Weisungen. Ohne sie könnten juristische Verfahren gar nicht stattfinden.
Grundsäulen, die Richter und Staatsanwälte unterstützen
Die Justizangestellten „sind die Grundsäulen, die die Richter und Staatsanwälte perfekt unterstützen“, sagt Elisabeth Hägele, die zuständige Fachbetreuerin am Ellwanger Kreisberufsschulzentrum. „Ein Richter verlässt sich im Idealfall ganz auf seine Geschäftsstelle“, bestätigt Kathrin Plänker, Richterin am Ellwanger Amtsgericht.
Wer die Ausbildung erfolgreich absolviert, kann damit rechnen, in den Dienst übernommen zu werden, sagt Ausbildungsleiter Josef Müller. Anna Lena Bast, Auszubildende im dritten Lehrjahr, sagt: „Die Einstellungschancen sind sehr gut, wenn man bereit ist, auch etwas weiter wegzufahren.“Es kann also vorkommen, dass Absolventen aus Ellwangen an einem Gericht im Großraum Stuttgart arbeiten.
Die guten Jobchancen erklären sich dadurch, dass die Mitarbeiter aus den geburtenstarken Jahrgängen zunehmend ins Pensionsalter kommen und die frei werdenden Stellen neu besetzt werden. Darüber hinaus entstehen zusätzliche Stellen an den Verwaltungsgerichten. Wegen der Zunahme der Asylverfahren wurden etwa am Stuttgarter Verwaltungsgericht neue Richterstellen geschaffen, denen wiederum zusätzliche Fachangestellte zugeordnet werden.
Dazu kommt: In Bayern können sich Interessenten nur für die mittlere Beamtenlaufbahn bewerben. Natürlich arbeiten auch an den bayerischen Gerichten Justizfachangestellte, diese werden jedoch über das Arbeitsamt gesucht. Deshalb kommt es gelegentlich vor, dass sich auch Leute aus dem Freistaat zur Berufsausbildung in Ellwangen entschließen. Ausbildungsleiter Müller erinnert sich an Fälle, in denen Ellwanger Absolventinnen beim Landgericht in Ansbach oder gar vom Nürnberger Oberlandesgericht eingestellt wurden. „So hilft Baden-Württemberg den Bayern“, scherzt Müller.
Vorbildliche Kooperation von Justiz und Ausbildung
Als Vorteil für das Ellwanger Modell stellen die Verantwortlichen die Nähe und die Zusammenarbeit zwischen dem Ausbildungszentrum am Amtsgericht und dem Kreisberufsschulzentrum heraus. „Die enge Kooperation zwischen Schule und Justiz ist einmalig“, betont Fachbetreuerin Hägele. Mit Dozenten wie der Richterin Kathrin Plänker, Staatsanwälten und Rechtspflegern gebe es hochqualifizierte Lehrkräfte, die dem Personal an der Berufsschule stets mit Rat und Tat zur Verfügung stünden. Nicht zuletzt, so Hägele, finden in Ellwangen auch Fortbildungen für die Lehrkräfte der anderen acht Ausbildungszentren in Baden-Württemberg statt. „Dass sich Gericht und Staatsanwaltschaft die Zeit nehmen, so etwas zu unterstützen, ist einmalig“, freut sich die Fachbetreuerin.
Die Ausbildung dauert zweieinhalb Jahre; wer möchte, kann noch eine Fortbildung zum Justizfachwirt draufsatteln. Damit steht der Weg zur mittleren Beamtenlaufbahn offen. Das Berufsbild der Angestellten und der mittleren Beamten im Justizwesen unterscheide sich jedoch kaum mehr, erläutert Josef Müller. Früher erledigten die Fachangestellten in erster Linie Schreibarbeiten, während die Beamten die Urkunden ausfertigten. Diese strenge Aufgabenteilung spiele jedoch heute keine Rolle mehr. Ein weiterführendes Studium kann dann den Weg zum Rechtspfleger oder Gerichtsvollzieher bahnen.
Interessierte Bewerberinnen und Bewerber sollten über die Mittlere Reife oder einen vergleichbaren Schulabschluss verfügen. Außerdem sollten sie eine gute Auffassungsgabe, Grundkenntnisse im Zehn-Finger-System, Computerkenntnisse und ein gutes Sprachverständnis haben. Das kommt dann zum Tragen, wenn die Angestellten eine Gerichtsverhandlung protokollieren. Computerkenntnisse werden laut Ausbildungsleiter Josef Müller immer wichtiger, weil der elektronischen Akte die Zukunft gehöre.
Mit der Aufstockung von acht auf zwölf Auszubildende ab dem kommenden Jahr hat Ellwangen als JustizSchulstandort fürs Erste Bestandsschutz. Interessenten aus der Region müssen somit nicht nach Stuttgart pendeln, um in einer Berufsschule am Blockunterricht teilzunehmen. Dies hätte den ländlichen Raum erheblich benachteiligt. Wichtigste Aufgabe für die Verantwortlichen ist es nun, für die zwölf Ausbildungsstellen pro Jahrgang gute Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Nähere Informationen zum Ausbildungsgang gibt es am Amtsgericht Ellwangen bei Sabine Gaier und Josef Müller unter der Telefonnummer 07961 / 81706 beziehungsweise 81705.