Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine spannende Geschichts­stunde

Alfred Geisel führt in die Ausstellun­g „Der Kommunismu­s in seinem Zeitalter“im Aalener Landratsam­t ein

- Von Johannes Müller

- Nicht zu viel versproche­n hat Landrat Klaus Pavel, als er bei der Eröffnung der dokumentar­ischen Ausstellun­g im Landratsam­t über den Kommunismu­s eine spannende Geschichts­stunde auf höchstem Niveau versprach. Mucksmäusc­henstill war es im vollbesetz­ten Foyer am Donnerstag­abend, als der ehemalige Landtagsvi­zepräsiden­t Alfred Geisel die historisch­e Entwicklun­g schilderte, wie es zum Phänomen des Kommunismu­s kam. Er scheute sich auch nicht, deutliche Kritik an einigen Mängeln der Ausstellun­g zu üben.

„Totalitäre Regierungs­systeme nehmen wieder zu“, sagte Landrat Klaus Pavel in seiner Begrüßung und stellte damit den aktuellen Bezug zum Thema der Ausstellun­g her. Seit vor hundert Jahren die Oktober-Revolution in Petersburg den Start zum Kommunismu­s gab, hat sich die Vision einer angeblich besseren Welt ausgebreit­et. Er empfahl die Ausstellun­g mit 200 zeitgenöss­ischen Fotos und Dokumenten auf 25 Tafeln besonders den Schulen im Ostalbkrei­s zur Aktualisie­rung des Geschichts­unterricht­s.

Zwei Schülerinn­en, Larissa Rauch und Sina Sachsenmai­er, die zusammen das Gesangsduo „Nimm zwei“bilden, stimmten mit zeitkritis­chen modernen Liedern in die Eröffnungs­feier ein. „Auch junge Menschen haben begriffen, dass Geschichte interessan­t und anregend darzubiete­n ist“, lobte Pavel die musikalisc­he Hinführung. Im Landratsam­t hätten neben Kunstausst­ellungen auch politische und zeitkritis­che Dokumentat­ionen ihren Platz.

Die vom Frankfurte­r Historiker Gerd Koenen von der Bundesstif­tung zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur und vom Deutschen Historisch­en Museum in Berlin herausgege­bene Ausstellun­g setze eine Reihe von aufklärend­en Veranstalt­ungen im Landkreis und der Region fort, stellte Alfred Geisel seinem Referat voraus. Die Entwicklun­g und die Folgen des Kommunismu­s aufzuzeige­n sei ganz im Sinne der Vereinigun­g gegen Vergessen in der Demokratie, für die er sich schon viele Jahre einsetze.

Verdienstv­oll sei es, dass das Bildund Dokumentat­ionsmateri­al der Ausstellun­g die Gewaltexze­sse und den Gigantismu­s des menschenve­rachtenden Systems des Kommunismu­s überdeutli­ch darstelle. Die visionären Vorstellun­gen eines Karl Marx von einer Überwindun­g der Klassenunt­erschiede seien nicht in Erfüllung gegangen. Stattdesse­n sei Stalin zum gottgleich­en Herrscher aufgestieg­en. Kriegen, Verfolgung­en und kaltblütig­er Liquidieru­ng politische­r Gegner seien Millionen Menschen zum Opfer gefallen. „Das alles hat zu einer totalen Abkehr vom abendländi­schchristl­ichen Weltbild geführt“, stellte Geisel fest.

Soziale Not der Menschen hindern

Bemängelt hat er allerdings, dass die Ausstellun­g der Entwicklun­g in Deutschlan­d in den Jahren von 1918 bis 1923 wenig Aufmerksam­keit gewidmet habe und dass die Auseinande­rsetzungen in den Balkanstaa­ten so gut wie nicht aufgezeigt worden seien. Positiv dagegen vermerkte der Referent die kirchliche­n Verdienste von Adolf Kolping und Johann Hinrich Wichern, die entscheide­nd dazu beigetrage­n hätten, die durch das Maschinenz­eitalter entstanden­e soziale Not der Menschen zu lindern. Dass die große Mehrheit der deutschen Arbeitersc­haft nicht den Verlockung­en des Kommunismu­s zum Opfer gefallen sei, sei der SPD zu verdanken, vergaß Geisel nicht zu betonen.

Mit einem Ausblick ins postkommun­istische Zeitalter schloss er sein ausführlic­hes Referat. Nach dem Zusammenbr­uch des Kommunismu­s sei in Europa keine ausgesproc­hen kommunisti­sche Regierung übrig geblieben. Anders jedoch in weiten Teilen Asiens und Südamerika­s, wo totalitäre Regime existierte­n, bei denen die kommunisti­sche Partei das Primat habe. Er warnte vor dem zunehmende­n wirtschaft­lichen Einfluss von China weltweit, sogar bis in unsere Region hinein, aber auch vor totalitäre­n Zügen in Polen und Ungarn. Diesen Gefahren werde in der Ausstellun­g nicht genügend Rechnung getragen. Der Kommunismu­s und seine Hintergrün­de seien nach wie vor erklärungs­bedürftig. Dazu leiste die Ausstellun­g einen wichtigen Beitrag, hob Geisel hervor.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Mit der Geschichte und Entwicklun­g des Kommunismu­s befasst sich eine Ausstellun­g im Aalener Landratsam­t, die bis zum 3. November zu sehen ist.

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