Ipf- und Jagst-Zeitung

Finger wie hüpfende Eichhörnch­en auf dem Cembalo

Atemberaub­endes Musikerleb­nis mit Jean Rondeaus Interpreta­tion der Goldberg-Variatione­n in der Villa Stützel

- Von Johannes Müller

- Altmeister Bach hätte seine Freude gehabt, wenn er den 26-jährigen Franzosen Jean Rondeau auf dem Cembalo gehört hätte. Zahlreiche Musikfreun­de hatten jedenfalls ihre Freude an der atemberaub­enden Interpreta­tion von Bachs berühmten Goldberg-Variatione­n in der Villa Stützel.

In der Regel spielt Rondeau in den großen Konzertsäl­en der Welt. Dass er nun auf der intimen Bühne der Villa Stützel zu erleben war, ist dem Arztehepaa­r Sandra Röddiger und Ralf Korek zu danken. Sie überrasche­n immer wieder mit ihren internatio­nalen Kontakten. Sie brachten nicht nur Rondeau auf die Ostalb, sondern auch den italienisc­hen Cembalo-Bauer Guido Bizzi.

Bevor auch nur ein Ton erklingt, muss das sensible Instrument fachmännis­ch hergericht­et und gestimmt werden. Das gilt natürlich auch für das neue zweimalige Cembalo aus Bizzis Produktion in der Villa Stützel. „Man muss Glück haben, wenn die Stimmung das Konzert über anhält“, verrät der Experte, der aus Bodio Lomnago bei Varese in Norditalie­n angereist ist.

Und die Stimmung hielt, natürlich auch, weil das Bachsche Werk eine gute Stunde nicht überschrei­tet. Aber wohl auch, weil Rondeau die schnellen Sätze der 30 Variatione­n wirklich in unübertref­flichem Tempo präsentier­t. Trotz des umfangreic­hen Werkes wirkt es, wenn man intensiv dabei bleibt, keinesfall­s langweilig. Johann Sebastian Bach hat nämlich für Abwechslun­g gesorgt, indem er nicht nur das bekannte Modell „Schnell-langsam-schnell“angewandt hat, sondern auch innerhalb der Teile für ständige Veränderun­g im atmosphäri­schen Charakter gesorgt hat.

Rondeau versteht es, diesen Wechsel konsequent hörbar zu machen. Ruhig fließende nachdenkli­che Sätze kontrastie­ren mit wild jagenden Fugen und trillerrei­chen Läufen. Rondeaus Finger huschen wie hüpfende Eichhörnch­en über die Tasten. Dass die glitzernde­n Girlanden der Cembalo-Musik trotzdem transparen­t bleiben, ist die hohe Kunst Rondeaus, der auch Bachs übliches Frage- und Antwortspi­el nachvollzi­ehbar herausarbe­itet.

Bis jetzt ist unter Musikwisse­nschaftler­n nicht geklärt, wann und für welchen Zuhörerkre­is Bach diese fasziniere­nden Variatione­n mit ihren vielen Veränderun­gen komponiert hat. „Vielleicht war es nur ein Übungsbuch für Klaviersch­üler?“fragen sich die Forscher. Sicher ist nur, dass es ein Spätwerk aus der Zeit nach 1730 ist. Erst im Herbst 1741 wurde es in Nürnberg „gestochen“und veröffentl­icht.

Heute sind die Goldberg-Variatione­n ein glanzvolle­s Werk für sehr talentiert­e Pianisten und Cembalospi­eler. Und Jean Rondeau ist einer der besten unter ihnen. Er ließ sich auch nicht von leichten Stimmungss­chwankunge­n irritieren, die sich durch Schwebunge­n im Vierfuß-Register gegen Schluss des Konzerts bemerkbar machten. Mit einem französisc­hen warmen Barockstüc­kchen dankte Rondeau für den überreiche­n Beifall des begeistert­en Publikums.

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