Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Chor übt sich im Sprechgesa­ng

Aalener Stadttheat­er arbeitet mit einem Bürgerchor an einer neuen Theaterfor­m – Interessen­ten willkommen

- Von Ansgar König

- Regieanwei­sung: Forte. Text: „Wir lieben unsere Stadt.“Und der Chor folgt dem, was Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller vorgegeben hat: Dieselbe Aussprache, dieselbe Sprachmelo­die, derselbe Rhythmus. Im zweiten Stock des Wi.Z arbeiten gut 20 Laien und drei Profis an einem für Aalen wohl einzigarti­gen Theaterpro­jekt. Am 4. Mai 2018 wird im Rahmen des Aalener Theaterrin­gs Dagrun Hintzes Stück „Wir sind die nebelfreie Stadt“uraufgefüh­rt, eine Produktion des Theaters der Stadt Aalen unter der Leitung von Tina Brüggemann.

Ein Text von, mit und für Menschen von hier

Die neue Theaterfor­m ist ein, salopp gesagt, „Überbleibs­el“aus dem sozio-kulturelle­n Projekt zur Jubiläumss­pielzeit, dem „Boulevard Ulmer Straße“, das beim Theater unter der Projektlei­tung von Daniela Mühlbäck das 25-jährige Jubiläum des Aalener Stadttheat­ers begleitete. Auszüge aus dem Bürgerchor waren schon im Stück „Samstags in Europa – Gefährlich­e Begegnunge­n“zu bewundern, wenn auch nur als VideoEinsp­ieler.

Jetzt steht das Bürgerchor­projekt, „ein Text von, mit und für Menschen von hier“, im Mittelpunk­t einer Produktion. Dabei scheint der Begriff Chor etwas irreführen­d, denn gesungen wird nicht. Der Chor versteht sich im Stück eher als Chor im Sinne der griechisch­en Tragödie – als Kommentato­r des Stücks. Aber auch das will geübt werden. Schon im September fand ein erster Schnuppert­ag statt. Am 28. Oktober von 10 bis 13 Uhr (nicht wie im Heft zur Spielzeit ausgegeben von 14 bis 18 Uhr) folgt der nächste, bevor es Mitte Januar an die eigentlich­en Proben geht. Thomas Haller nimmt Interessen­ten – Zielgruppe sind alle zwischen neun und 99 Jahren – etwas die Angst: „Wer beim Bürgerchor mitmachen will, muss nicht vorsingen.“Die Anforderun­gen an einen Sprechchor unterschei­den sich trotzdem nicht groß von denen an einen Gesangscho­r. Thomas Haller: „Das ganze Stück ist nahe am Rap.“

Tina Brüggemann, Leiterin der Dramaturgi­e am Aalener Theater, fasst’s kurz und knapp zusammen: „Der Bürgerchor, wie wir ihn uns vorstellen, das sind ganz viele Menschen aus Aalen, die Lust haben, gemeinsam einen Text über ihre Stadt zu sprechen.“Der Arbeitsauf­wand für die Teilnehmer sei übersichtl­ich: zwölf Probenaben­de von Januar bis Mai, ein Wochenende im Februar, Endproben und Aufführung am 4. Mai.

Es sei im übrigen auch ein Text von Menschen aus Aalen, fügt sie an. Autorin Dagrun Hintze aus Hamburg kam im vergangene­n Jahr für zwei Wochen nach Aalen und interviewt­e gut 20 Aalener. „Die hatten wir ausgewählt, viele verschiede­ne Menschen, Alt-Aalener, Zugezogene, Junge und Alte. Sie sollten sagen, was sie an Aalen wichtig finden, was sie interessie­rt, was man unternehme­n kann.“

Spannend für die Macher war, was Hintze, Co-Autorin beim Stück „Samstag in Europa“, daraus gemacht hat. „Sie hat Passagen ausgewählt und sie mit anderen Texten collagiert. Zum Beispiel mit dem Regelwerk der in Aalen so wichtigen Ringer. Das macht den Text lebendig.“ So soll tatsächlic­h ein lebendiges Bild von Aalen entstehen. Der genaue Ablauf der Aufführung ist gerade im Entstehen. Mit dabei sind auf jeden Fall die Musikschul­e, eine eigens für den Abend gegründete Band, aber auch Video-Projektion­en. „Wir sind noch mitten im Prozess“, sagt Brüggemann, „wir haben aber viele, auch ganz konkrete Ideen.“

Das Aalener Stadttheat­er will mit diesem Bürgerchor­projekt eine ganz grundlegen­de Frage klären: die Frage nach der Identität. „Wer ist Aalen? Wie sehen wir uns? Wie werden wir von anderen gesehen?“, sagt Dramaturgi­n Tina Brüggemann. „Normalerwe­ise betrachten Künstler ein Thema von außen, nun sitzt der Künstler mittendrin und hört zu. So entsteht eine neue, hörbare Theaterfor­m.“

„Wer beim Bürgerchor mitmachen will, muss nicht vorsingen“, verspricht Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller. „Normalerwe­ise betrachten Künstler ein Thema von außen, nun sitzt der Künstler mittendrin, hört zu“,

Aalen ist Teil eines großen Ganzen

sagt Tina Brüggemann.

Denn, und das legt nicht nur das Stück „Samstag in Europa“, sondern auch der Text von Dagrun Hintze nahe: Aalen ist Teil eines großen Ganzen. Nicht ohne Hintergeda­nken startet der Chor mit der Aufzählung der Aalener Teilorte und beendet den ersten Teil mit dem Satz: „Wenn es uns hier nicht gelingt, solidarisc­h zu sein (Crescendo), WIE FUNKTIONIE­RT DAS DANN MIT EUROPA?“

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FOTO: DANIELA MÜHLBÄCK Am Samstag, 28. Oktober, von 10 bis 13 Uhr (nicht wie im Heft zur Spielzeit ausgegeben von 14 bis 18 Uhr) folgt der nächste Schnuppert­ag im Wi.Z.
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FOTOS: DANIELA MÜHLBÄCK Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller, Michael „Flex“Flechsler von den Stumpfes und Dramaturgi­n Tina Brüggemann (von links) leiten den Bürgerchor.
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