Auf einen „Depressivi“
Kabarettist Martin Zingsheim erhält für „Kopfkino“viel Applaus in der Schloss-Scheune
- Er outet sich als radikaler Anhänger des „Konstruktivismus“, trinkt schon mal einen „Depressivi“am Wochenende und erzählt in atemberaubendem Tempo von Gott und der Welt, ein Geistesblitz folgt dem nächsten. Und er wirkt mit seiner Sprachkunst einzigartig komisch. Kabarettist Martin Zingsheim hat mit seinem Programm „ Kopfkino“das Publikum in der voll besetzten Essinger SchlossScheune begeistert.
Gehirnjogging und Assoziations-Hopping
Gehirnjogging und AssoziationsHopping sind die Markenzeichen des 31-jährigen Kölners, der seit 2011 mit Soloprogrammen unterwegs ist. Im Sturm hat er die Kleinkunstszene erobert und so manchen Preis ergattert. Er hält nicht viel von weltverbesserndem „Kaberettismus“, sondern setzt ganz auf seine Schlagfertigkeit und auf das Spiel mit der Sprache. Eigentlich hätte Zingsheim in jungen Jahren Schauspieler werden wollen, doch Pickel im Gesicht haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, oder hätte der Film „Akne X“heißen sollen, kokettiert er. Zum Glück ist Zingsheim beim Kabarett gelandet.
Virtuos in der Sprache hüpft er von einem Thema zum anderen, dabei zieht er das Publikum mit den Widersprüchen des Banalen immer wieder in seinen Bann. So hat Zingsheim in der „Süddeutschen“gelesen, dass sich in Deutschland immer mehr Männer in feminine Frauengesichter verlieben, Weihnachten auf einer Bergbauernhütte geht auch nicht ohne Internet und Selfies und bei einem gewöhnlichen Wohnwagen denkt der eine an Urlaub in Holland und der andere an Prostitution.
Gehörig auf die Schippe nimmt Zingsheim den deutschen Pauschalurlauber, der mit „Could you please ruck a Stückle“sich am Strand als Schwabe outet. Auch die Kirchen bekommen ihr Fett weg, denn sie bezeichnen ihre Anhänger als Laien, genauso wie die Grünen, die die Welt mit „leichter Sprache“zu erklären versuchen. Auf diese „literarische Narkotika“könne man verzichten, findet der Kabarettist. Er freut sich auf Jamaika, wenn Seehofer in der veganen Kantine isst und Lindner, Kubicki und Söder mit Claudia Roth einer Meinung sein müssen.
Doch rasend schnell geht es weg von der Politik zu einem anderem komplexen Thema: dem Essen. So versuche er sich schon drei Jahre lang als Veganer und sei dabei „tierisch vegan drauf “, erklärt Zingsheim. Es folgt ein ellenlanger Satz mit lauter tierischen Vergleichen, das Publikum scheitert beim Versuch, diesen einen Satz nachzusprechen kläglich. Erziehung ist ein weiteres wichtiges Thema. Die Eltern nehmen immer mehr die Sprache der Kinder an, erkennt er messerscharf und zitiert dann Weisheiten aus seinem Buch mit dem Titel „Eltern haften an ihren Kindern“.
Ein bisschen Werbung in eigener Sache muss dann aber doch sein, so empfiehlt er neben dem Buch auch noch seine CD. So mancher von den Zuhörern in Essingen greift da entschlossen zu, die anderen sind vom „Kopfkino“noch so hingerissen, dass sie schlicht vergessen Buch oder CD mitzunehmen.