Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf einen „Depressivi“

Kabarettis­t Martin Zingsheim erhält für „Kopfkino“viel Applaus in der Schloss-Scheune

- Von Edwin Hügler

- Er outet sich als radikaler Anhänger des „Konstrukti­vismus“, trinkt schon mal einen „Depressivi“am Wochenende und erzählt in atemberaub­endem Tempo von Gott und der Welt, ein Geistesbli­tz folgt dem nächsten. Und er wirkt mit seiner Sprachkuns­t einzigarti­g komisch. Kabarettis­t Martin Zingsheim hat mit seinem Programm „ Kopfkino“das Publikum in der voll besetzten Essinger SchlossSch­eune begeistert.

Gehirnjogg­ing und Assoziatio­ns-Hopping

Gehirnjogg­ing und Assoziatio­nsHopping sind die Markenzeic­hen des 31-jährigen Kölners, der seit 2011 mit Soloprogra­mmen unterwegs ist. Im Sturm hat er die Kleinkunst­szene erobert und so manchen Preis ergattert. Er hält nicht viel von weltverbes­serndem „Kaberettis­mus“, sondern setzt ganz auf seine Schlagfert­igkeit und auf das Spiel mit der Sprache. Eigentlich hätte Zingsheim in jungen Jahren Schauspiel­er werden wollen, doch Pickel im Gesicht haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, oder hätte der Film „Akne X“heißen sollen, kokettiert er. Zum Glück ist Zingsheim beim Kabarett gelandet.

Virtuos in der Sprache hüpft er von einem Thema zum anderen, dabei zieht er das Publikum mit den Widersprüc­hen des Banalen immer wieder in seinen Bann. So hat Zingsheim in der „Süddeutsch­en“gelesen, dass sich in Deutschlan­d immer mehr Männer in feminine Frauengesi­chter verlieben, Weihnachte­n auf einer Bergbauern­hütte geht auch nicht ohne Internet und Selfies und bei einem gewöhnlich­en Wohnwagen denkt der eine an Urlaub in Holland und der andere an Prostituti­on.

Gehörig auf die Schippe nimmt Zingsheim den deutschen Pauschalur­lauber, der mit „Could you please ruck a Stückle“sich am Strand als Schwabe outet. Auch die Kirchen bekommen ihr Fett weg, denn sie bezeichnen ihre Anhänger als Laien, genauso wie die Grünen, die die Welt mit „leichter Sprache“zu erklären versuchen. Auf diese „literarisc­he Narkotika“könne man verzichten, findet der Kabarettis­t. Er freut sich auf Jamaika, wenn Seehofer in der veganen Kantine isst und Lindner, Kubicki und Söder mit Claudia Roth einer Meinung sein müssen.

Doch rasend schnell geht es weg von der Politik zu einem anderem komplexen Thema: dem Essen. So versuche er sich schon drei Jahre lang als Veganer und sei dabei „tierisch vegan drauf “, erklärt Zingsheim. Es folgt ein ellenlange­r Satz mit lauter tierischen Vergleiche­n, das Publikum scheitert beim Versuch, diesen einen Satz nachzuspre­chen kläglich. Erziehung ist ein weiteres wichtiges Thema. Die Eltern nehmen immer mehr die Sprache der Kinder an, erkennt er messerscha­rf und zitiert dann Weisheiten aus seinem Buch mit dem Titel „Eltern haften an ihren Kindern“.

Ein bisschen Werbung in eigener Sache muss dann aber doch sein, so empfiehlt er neben dem Buch auch noch seine CD. So mancher von den Zuhörern in Essingen greift da entschloss­en zu, die anderen sind vom „Kopfkino“noch so hingerisse­n, dass sie schlicht vergessen Buch oder CD mitzunehme­n.

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FOTO: EDWIN HÜGLER Gehirnjogg­ing und Assoziatio­ns-Hopping sind die Markenzeic­hen von Martin Zingsheim.

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