Seit 28 Jahren abstinent
Monika Gleim leitet die Selbsthilfegruppe Strohhalm in Aalen
- Wo vorher alles trüb war, nimmt man das Leben nach dem Alkohol wieder bewusst wahr, erzählt Monika Gleim über den Weg aus der Trinksucht. „Man erlebt alles bewusster und sieht wieder Sachen, die man vorher gar nicht gesehen hat.“Sie weiß, wovon sie redet: Seit fast 27 Jahren ist Monika Gleim Mitglied und Leiterin bei den Freundeskreisen, den Selbsthilfegruppen für Suchtkranke. Dafür bekommt sie am Donnerstag eine Ehrennadel und eine Urkunde überreicht.
In den vergangenen drei Jahrzehnten ist in Gleims Leben viel geschehen, vor allem wurde sie selbst von der Alkoholikerin zur Selbsthilfe-Gruppenleiterin. Damals, als sie von Flasche zu Flasche lebte, war Gleim Krankenschwester in Stuttgart und hatte eine siebenjährige Tochter. Eine Flasche Schnaps am Tag war keine Seltenheit, allerdings sei die Menge nicht ausschlaggebend, sagt Gleim heute. Sie definiert Alkoholiker nicht an Quantität des konsumierten Alkohols, sondern an den Beweggründen.
Entscheidung fiel für den Mann und gegen den Alkohol
„Gefährlich wird es, wenn man den Alkohol einsetzt, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.“Irgendwann sei sie so weit gewesen, da habe sie den Alkohol gebraucht, um nach der Arbeit zu entspannen, den Haushalt zu schaffen – und habe sich dabei immer mehr isoliert. Bis zu dem Tag an dem ihr Mann ihr das Ultimatum stellte: Entweder der Alkohol oder er. Gleim entschied sich für ihren Mann – gegen den Alkohol.
Sie begann eine ambulante Therapie und besuchte den Freundeskreis in Stuttgart. Nach einem Jahr hatte sie es geschafft – und hat seither keinen Tropfen mehr angerührt. „Wenn du einmal suchtkrank warst, kannst du nichts mehr trinken, ohne einen Rückfall zu bekommen“, sagt sie. „Das Suchtgedächtnis ist immer da – ein Leben lang.“Wer einmal abhängig war, sei nie auf der sicheren Seite – das wusste sie und hat sich nach dem Umzug nach Heidenheim wieder eine Selbsthilfegruppe gesucht. Gelandet ist sie beim Freundeskreis in Aalen, bei dem sie 2001 den Posten als Leiterin der Gruppentreffen übernahm. Jeden Donnerstag kommt die Runde zusammen, „Strohhalm“nennt sich die Gruppe. „Wir haben einen Namen gesucht, als eine Frau erzählt hat, dass sie wegen der Alkoholsucht zur Akupunktur geht. Ein Mann sagte zu ihr, dass sie auch nach jedem Strohhalm greife – da war der Name gefunden“, erzählt Gleim.
Als Leiterin organisiert sie die Treffen und teilt sich die Moderation mit anderen Teilnehmern: „Das Wichtigste ist, dass man jeden zu Wort kommen lässt.“Ratschläge gibt es eigentlich keine bei den Gruppentreffen. „Es gibt keine Allheilmittel.“Die Teilnehmer sollen selbst den für sie richtigen Weg finden. Was ihr geholfen habe, sei die Probleme auszusprechen, sagt Gleim. „Ich kann manchmal Probleme nicht richtig benennen. Wenn ich versuche, die in der Gruppe auszusprechen, wird vieles klarer und dadurch leichter.“
Neben der Alkoholsucht, die bei der Gruppe am häufigsten vertreten ist, kommen die Menschen auch wegen Abhängigkeit von Medikamenten, Drogen oder wegen Essstörungen oder Spielsucht. „Der Suchtverlauf ist fast bei allen gleich“, erklärt Gleim. Es gehe immer mehr abwärts, die Betroffenen vernachlässigen sich immer mehr. Diese gemeinsame Grundlage verbinde die Menschen, sagt Gleim. „Es entstehen Freundschaften, wenn jemand mal nicht kommt, fragen die anderen, wo er denn bleibt.“Taucht der Betroffene dann lange Zeit nicht mehr auf, sei das oft ein Indiz auf einen Rückfall, erzählt Gleim. „Das ist für viele in der Gruppe sehr aufwühlend, wenn jemand mit Rückfall kommt.“Gerade nach Weihnachten oder Silvester sei das manchmal der Fall, es könne an den Feierlichkeiten liegen und an der dunklen Jahreszeit, mutmaßt Gleim.
Sich trocken legen kann nur der Betroffene selbst
Um tatsächlich einer Sucht den Rücken zu kehren, muss der Wille da sein, sagt Gleim. Das habe sie aus eigener Erfahrung gelernt. Manchmal werden Menschen von Partnern oder Eltern geschickt, erzählt sie. „Die werden oft bald wieder rückfällig.“Wenn es nicht den „berühmten Schnackler“gebe, dass man den Entzug für sich selber mache, habe der wenig Sinn. Schafft es tatsächlich jemand, dieser Abwärtsspirale zu entkommen, sieht Gleim das nicht als ihren Verdienst, auch nicht den der Gruppe. „Wir sind unterstützend dabei, aber wir legen niemanden trocken.“Das schaffe nur der Betroffene selbst.