Interview zum runden Geburtstag
Ellwangens Stadtoberhaupt Karl Hilsenbek feiert heute seinen 60. Geburtstag.
- Seit 14 Jahren ist Karl Hilsenbek Stadtoberhaupt von Ellwangen. Ob er in zwei Jahren noch einmal für eine weitere Amtszeit antritt, lässt er im Gespräch mit Ulrich Geßler offen. Hilsenbek betont indes, dass es für ihn nichts Schöneres gebe, als Oberbürgermeister in seiner Heimatstadt sein zu dürfen. In dem Interview zu seinem 60. Geburtstag am 19. Oktober spricht der Oberbürgermeister über Erfolge und Misserfolge in der Kommunalpolitik. Besonders der Abzug der Soldaten, und dass weder Bund noch Land der Stadt bis heute als Ausgleich keine adäquate Einrichtung angeboten haben, bewegen das Stadtoberhaupt.
Herr Oberbürgermeister Hilsenbek, Sie machen seit Jahrzehnten Kommunalpolitik, Sie waren Bürgermeister in Böbingen, sind seit 14 Jahren Oberbürgermeister in Ellwangen und Sie gehören dem Kreistag an. Was reizt Sie an der Kommunalpolitik?
Es sind bei mir jetzt tatsächlich insgesamt 31 Bürgermeisterjahre. Das Schöne an der Kommunalpolitik ist, dass man Ergebnisse sieht. Da sind manchmal auch weniger gute Ergebnisse dabei. Daraus lernt man. Dagegen sind gute Ergebnisse eine Bestätigung und Motivation. Für mich ist Kommunalpolitik schon immer spannend gewesen.
Liegt das an der großen Nähe zu den Bürgern?
Genau. Kommunalpolitik ist für mich auch deshalb spannend, weil es diese große Nähe zu den Gremien und zur Arbeit mit den Gremien gibt. Vor allem ist man aber als Kommunalpolitiker direkt am Bürger dran.
Sie sind nun seit 14 Jahren als OB ganz nah an den Ellwangern dran. Was schätzen Sie an dieser Stadt?
Ellwangen ist meine Geburtsstadt und meine Heimatstadt. Hier bin ich aufgewachsen. Ich habe meine Ausbildung hier im Rathaus gemacht. Und ich empfinde es als etwas Besonderes, dass ich dort, wo ich Auszubildender war, heute auf dem OB-Sessel sitzen darf. Es ist darüber hinaus etwas Besonderes, dass ich meine Jugendzeit hier verbracht habe und mich noch gut daran erinnere, wie Ellwangen früher war und nun erleben darf, wie sich diese Stadt unter meinen Vorgängern, aber auch während meiner Amtszeit entwickelt hat.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Stadt?
Es gibt einen Veränderungsprozess. Früher, als ich Kind und Jugendlicher war, floss der gesamte Verkehr durch die Stadt. Ellwangen ist fast jeden Tag im Radio gekommen, weil die Bahnschranken geschlossen waren und sich ein Rückstau ohne Ende gebildet hat. Jetzt kommen wir im Radio, wenn es auf der A 7 Verkehrsprobleme gibt. Das zeigt doch an diesem einen Beispiel, wie sich die Stadt über die Jahrzehnte hinweg verändert hat. Damals gab es keine A7 und keine Umgehung der B290 in Ellwangen. Damals wie heute haben wir ein Verkehrsproblem. Aller- dings heute in einer ganz anderen Dimension. Was wäre, wenn wir die Autobahn nicht bekommen hätten?
Ellwangen hat sich also in mehrerlei Hinsicht verändert: optisch, strukturell und gesellschaftlich?
Absolut. Optisch ist das etwa daran zu erkennen, wie sich die Stadt entwickelt hat, nachdem der Verkehr draußen war. Ein weiterer Schritt war die Gemeindereform. Ortschaften haben sich mit der Kernstadt verbunden. Daraus ergaben sich für die Gesamtstadt große Entwicklungsmöglichkeiten. Ein ganz wichtiges Beispiel dafür ist das Gewerbe- und Industriegebiet an der Autobahn.
Und wie geht die Entwicklung weiter?
Klar ist, dass eine Stadt nie fertig ist. Es kommen immer neue Aufgaben hinzu. So wie aktuell die Breitbandversorgung.
Wo liegen die großen Herausforderungen?
Wir haben viele Aufgaben vor uns. Die größte Aufgabe ist die Konversion, also die Entwicklung des Kasernengeländes. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass für mich die Entscheidung der damaligen Bundesregierung, dass die Soldaten abgezogen werden, mit das Negativste in meiner bisherigen Amtszeit war. Die Aufgaben, die sich für uns jetzt aus der Konversion ergeben, werden nicht in wenigen Jahren zu erledigen sein. Das ist ein langer Prozess. Es geht darum, eine sinnvolle, tragfähige und zukunftsfähige Lösung für die Wiederver wendung der Garnison zu finden. Wir befinden uns hier auf einem guten Weg.
Wie ist der Stand?
Das Kasernenareal umfasst 42 Hektar und liegt direkt bei der Stadt. Dieses Gelände einer sinnvollen Wiederverwendung zuzuführen, ist eine riesige Aufgabe. Ich sehe darin aber auch eine Chance. Umgesetzt wird zum Beispiel bereits die Europäische Ausbildungs- und Transferakademie (EATA). Darüber freue ich mich, weil das Thema, junge Europäer und auch Flüchtlinge für den Ausbildungsmarkt zu qualifizieren, drängt. Das ist übrigens kein reines Ellwanger Thema, sondern wegen des Fachkräftemangels eines für ganz Süddeutschland.
Es gab den Wunsch nach einem Bildungscampus.
Es wäre natürlich wunderbar, wenn wir den Bildungscampus bekommen würden.
Gelungen ist das noch nicht.
Hier möchte ich noch einmal ganz offen sagen: Die Entscheidung des damaligen Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière war für mich wie ein Stich ins Herz der Stadt Ellwangen. Der Bund hat sich bis heute nicht angestrengt, uns einen Ausgleich zukommen zu lassen in Form einer Einrichtung. Das bemängele ich besonders. Vom Land haben wir wohl Zuschüsse bekommen, etwa für die EATA. Eine vom Land betriebene Einrichtung wurde uns jedoch auch nicht zugesagt. Ich sehe aber Bund und Land in der Pflicht. Schließlich haben nicht wir die Entscheidung getroffen, dass die Soldaten abgezogen werden.
Wäre der Zuschlag für eine Landesgartenschau eine kleine Wiedergutmachung?
Ich meine, dass sich Bund und Land selbst in der Kaserne engagieren. Ein Beispiel: In Feuchtwangen wurde die Kaserne ebenfalls aufgegeben. Dort wurde vom Freistaat Bayern eine Bauakademie eingerichtet. Da hat das Land direkt geholfen. Genauso stelle ich mir das auch für uns vor. Dass nämlich der Bund eine hochwertige Bildungseinrichtung oder das Land Baden-Württemberg Studienplätze in der Kaserne einrichtet und betreibt.
Wenn von der Kaserne die Rede ist, dann im Moment auch von der Landeserstaufnahmeeinrichtung. Wie ist hier der aktuelle Stand? Wird es die LEA über den zunächst geplanten Zeitraum hinaus in Ellwangen geben?
Das Thema ist kürzlich wieder aufgekocht und die Stadt wurde aufgefordert, sich zu artikulieren, ob wir einer Vertragsverlängerung zustimmen. Ich bin der Meinung, dass für uns im Moment – im Jahr 2017 – kein Handlungsdruck besteht. Klar ist, der Vertrag gilt bis 2020. Und klar ist auch, dass sich vor 2020 der Gemeinderat positionieren muss. Ich sehe auch deshalb derzeit keine Notwendigkeit für eine Entscheidung, weil CDU und CSU bei ihren Gesprächen im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen die Einrichtung sogenannter Aufnahmezentren favorisiert haben. Wo Asylbewerber unterkommen, bis ihr Verfahren entschieden ist, wird wohl neu diskutiert werden. Sollte es Aufnahmezentren geben, stellt sich die Frage, welche Rolle die LEA in Ellwangen spielt. Vieles wird von der Zahl der Flüchtlinge abhängen, die ins Land kommen. Deshalb glaube ich, dass es ausreicht, wenn der Gemeinderat 2018 oder 2019 eine endgültige Entscheidung zur LEA trifft.
Hat die LEA Ellwangen verändert?
Sie hat Ellwangen verändert. Allein das ehrenamtliche Engagement war enorm. Als es plötzlich galt, 4500 Flüchtlinge zu betreuen, da haben die Menschen mitgemacht. Hunderte Ehrenamtliche haben wir damals in kürzester Zeit gewonnen. Das war für mich beeindruckend. Viele Menschen haben da zusammengearbeitet. Das kann für die Zukunft ein Netz sein.
Sie sind stolz auf Ihre Ellwanger?
Ja!
Ein anderes Thema, das die Kommunalpolitik gerade beherrscht, ist die Bewerbung für eine Landesgartenschau.
Eine Landesgartenschau wäre nicht nur ein Highlight für die Stadt im Jahr 2026. Sie böte vor allem die Chance Stadtentwicklung im Zeitraffer vorzunehmen. Ellwangen könnte sich bis zum Jahr 2026 so gut entwickeln und dann präsentieren, wie es wahrscheinlich ohne Landesgartenschau nicht möglich wäre. Bekanntlich ist das unsere dritte Bewerbung für eine Landesgartenschau. Jedes Mal stand die Erlebbarkeit der Jagst als Thema im Mittelpunkt der Bewerbung. Etwas was uns bisher ohne Landesgartenschau nicht gelungen ist. Vielleicht braucht man da auch den Druck einer solchen Veranstaltung, damit solch große Umgestaltungen angegangen werden. Im Moment wird ein ganzheitliches Konzept erarbeitet. Für die nachhaltige Entwicklung der Stadt wäre dann diese Landesgartenschau ein Quantensprung.
Sie haben zu Beginn unseres Gesprächs davon gesprochen, dass in der Kommunalpolitik nicht alles gut gelingt. Was hätte in Ihren Augen anders laufen müssen?
Die Entscheidung zum Bundeswehrstandort. Dass die, wie bereits erwähnt, ohne Wenn und Aber so getroffen wurde, war für mich brutal. Die Folgen sind einfach unglaublich.
Was ist gut gelungen?
Für mich war das bisher Schönste und Beste, dass wir die Zusammenarbeit im Gemeinderat verbessert haben. Ich glaube, für die Stadt kann man sich keine bessere Zusammenarbeit vorstellen. Wir streiten uns wohl in der Sache, aber wir kommen über die Fraktionsgrenzen hinweg immer zu einem umsetzbaren Ergebnis. Dazu kommt, dass wir innerhalb der Stadtverwaltung eine tolle Truppe sind.
Sie sprechen vom Gemeinderat. Gilt dieses gute Miteinander auch in Bezug auf die Ortschaften?
Ja. Das gilt für alle städtischen Gremien.
Nun hat die Kernstadt ihre Wünsche, die Ortschaften ebenfalls. Können die gut bedient werden?
Wir – und damit meine ich das gesamte Team – haben in den Ortschaften sehr viel erreicht. In die Infrastruktur wurde in allen Ortschaften in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Wir haben uns um Gemeindehallen, Schulen, Sportund Freizeiteinrichtungen gekümmert und vor allem haben wir geschaut, dass überall Bauland ausgewiesen wurde. Ich glaube, dass die Ortschaften deshalb gut bedient wurden.
Die Windräder, die auch um Ellwangen herum aus dem Boden wachsen, sind zum Teil sehr umstritten.
Ich glaube, dass es bei der Windenergie einen Stimmungswandel gegeben hat. Den Grund sehe ich in der Höhe der Anlagen. Als wir vor etlichen Jahren im Regionalplan und im Flächennutzungsplan die Flächen für Windräder definiert haben, da war die Einstellung: Windenergie, wo immer es geht. Orientiert hat man sich bei diesen Planungen an der zu jener Zeit gängigen Höhe der Anlagen. Wenn man allerdings damals gewusst hätte, dass die Windräder heute viel höher gebaut werden, hätte man beim Gesetzgeber ein Veto eingelegt. Und man hätte darauf hingewiesen, dass die Abstandsregelung in Baden-Württemberg verbesserungswürdig ist. In Bayern ist zum Beispiel der vorgeschriebene Abstand zur Wohnbebauung abhängig von der Höhe der Anlagen. Bei uns ist das nicht der Fall.
Wie wichtig ist für Ellwangen das Gewerbegebiet an der Autobahn?
Wir haben dort 150 Hektar Gewerbeund Industriegebiet ausgewiesen. Das ist das größte zusammenhängende Gewerbe-Industriegebiet in der Region. Das Gebiet erweitern wir jetzt um zweimal 25 Hektar auf dann zusammen 200 Hektar. Im Moment sind hier 200 Betriebe mit rund 4000 Arbeitsplätzen ansässig. Ungebrochen ist die Nachfrage nach Gewerbeflächen, sodass wir davon ausgehen können, dass die gute Entwicklung weitergeht. Für die Stadt ganz wichtig sind die Arbeitsplätze und weniger die Gewerbesteuereinnahmen. Angeboten werden hier Arbeitsplätze für den gesamten Raum und sogar darüber hinaus, womit wir unserer Aufgabe als Mittelzentrum gerecht werden. Mitarbeiter kommen bis aus dem Raum Ansbach, aus der Ulmer Gegend und sogar aus der Würzburger Ecke. Da hilft die Autobahn.
Siedeln sich in dem Gebiet neue Betriebe an oder sind das Ellwanger Unternehmen?
Beides. Also die Betriebe, die bei uns sind, sollen sich entwickeln können. Das hat Priorität. Aber es gibt auch Neuansiedlungen. Die kommen überwiegend aus der Raumschaft. Oftmals sind das Betriebe, die an ihrem bisherigen Standort keine Erweiterungsmöglichkeiten haben. Gut ist, dass in dem Gewerbegebiet viele Mittelständler aus den verschiedensten Branchen ansässig sind.
Als Oberbürgermeister müssen Sie auch ran, wenn andere ihre Freizeit genießen. Bleibt noch Raum für Familie, für private Aktivitäten?
Der bleibt. Sonst könnte man eine solche Aufgabe über so viele Jahre hinweg gar nicht leisten. Man braucht einen Ausgleich. Ich hole mir den in der Familie und durchs Laufen. Zum Laufen gehe ich schon morgens raus. Da stehe ich einfach eine Stunde früher auf und bin um dreiviertel sechs in den Turnschuhen. Ich brauch’ das. Denn dann bin ich in der Arbeit hellwach.
Ihre aktuelle Amtszeit geht noch zwei Jahre. Haben Sie sich schon Gedanken über eine mögliche dritte Amtszeit gemacht?
Es gibt nichts Schöneres als in seiner Heimatstadt Oberbürgermeister sein zu dürfen. Mit 50 macht man sich über die Gesundheit noch keine große Gedanken, mit 60 hat man, auch wenn die Medizin heute weiter ist, den Zenit überschritten. Und jetzt ist die Frage, ob es auf einem schönen Höhenweg weitergeht und kein gesundheitlicher Absturz kommt.
Das heißt, Sie geben sich für eine Entscheidung, die maßgeblich von Ihrer Gesundheit abhängt, noch etwas Zeit.
Ja.
Zum Geburtstag darf man sich etwas wünschen. Was ist denn Ihr kommunalpolitischer Wunsch zu Ihrem Sechzigsten?
Dass die Arbeit in und mit den Gremien weiter so gut läuft und die Mannschaft der Stadtverwaltung weiterhin hinter mir steht. Zu seinem 60. Geburtstag lädt OB Karl Hilsenbek die Ellwanger Bürgerschaft am heutigen Donnerstag, 19. Oktober, ab 11 Uhr in den großen Sitzungssaal des Rathauses. Für Karl Hilsenbek gibt es nichts Schöneres als Oberbürgermeister in seiner Heimatstadt sein zu düfen. Heute feiert Hilsenbek seinen 60. Geburtstag.