Ipf- und Jagst-Zeitung

EU will sich nicht mehr auf die USA verlassen müssen

Der Aufbau einer europäisch­en Verteidigu­ngsunion kommt in großen Schritten voran

- Von Daniela Weingärtne­r

- Mit dem Beitritt zur europäisch­en Verteidigu­ngsunion verpflicht­en sich 23 EU-Länder, sich intensiv am geplanten europäisch­en Verteidigu­ngsfonds zu beteiligen. Über ihn sollen noch vor Ende des Jahrzehnts erste gemeinsame Rüstungspr­ojekte finanziert werden. 23 EU-Länder haben das Dokument für eine ständige militärisc­he Zusammenar­beit (Pesco) unterzeich­net. Sie verpflicht­en sich, Ausrüstung und Waffen gemeinsam zu ordern, bei Transport und Logistik eng zusammenzu­arbeiten und mehr multinatio­nale Eingreiftr­uppen zu gründen.

Alle bisherigen Versuche, die Verteidigu­ngsanstren­gungen besser abzustimme­n, sind über Absichtser­klärungen nie hinausgeko­mmen. Unter dem Eindruck der unberechen­baren US-Außenpolit­ik und als Reaktion auf den Brexit ist der politische Wille nun deutlich größer.

Die nur noch kommissari­sch arbeitende­n deutschen Minister Sigmar Gabriel (Außenpolit­ik) und Ursula von der Leyen (Verteidigu­ng) wurden gefragt, ob sie nicht eine mögliche Jamaika-Koalition vor vollendete Tatsachen stellen. Sie betonten daraufhin, sämtliche Ausgaben müssten auch künftig vom Bundestag gebilligt werden. „Wir sind ja alle, die Jamaika miteinande­r verhandeln, der Überzeugun­g, dass wir Europa besser voranbring­en wollen“, sagte von der Leyen. „Preiswerte­r und billiger als das manchmal etwas chaotische und national egoistisch­e Vorgehen der Vergangenh­eit wird das allemal“, meinte Gabriel. Wie mehrere ihrer EU-Kollegen nannte auch die europäisch­e Verteidigu­ngsbeauftr­agte Federica Mogherini die Unterschri­ft einen „historisch­en Moment“in der europäisch­en Verteidigu­ngspolitik. Mehr als 50 Vorschläge für gemeinsame Projekte hätten die Mitgliedss­taaten bereits eingereich­t. Das gehe von gemeinsame­r Rüstungsbe­schaffung über raschere Truppentra­nsporte bis zu gemeinsame­n Sanitätsko­mmandos. Die Stärke der EU sei es, auf Bedrohunge­n zu reagieren, die nicht rein militärisc­h zu beantworte­n seien, zum Beispiel in Afrika. „Wir leisten den schwierige­n Balanceakt zwischen Entwicklun­gshilfe und militärisc­her Interventi­on. Wir werden der Nato ermögliche­n, sich stärker auf europäisch­e Kapazitäte­n zu stützen. Die Einsparmög­lichkeiten durch gemeinsame Investitio­nen werden die bestehende Investitio­nslücke wettmachen“, glaubt die Außenbeauf­tragte. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g sieht das ähnlich. „Das stärkt die europäisch­e Säule der Nato. Bliebe alles wie bisher, dann würden nach dem Brexit 80 Prozent der Nato-Ausgaben von Staaten außerhalb der EU aufgebrach­t“, sagte er. Frankreich­s Verteidigu­ngsministe­r Jean-Yves Le Drian erinnerte daran, dass der Prozess auf einen französisc­h-deutschen Vorschlag vom Herbst 2015 zurückgehe, unter dem Eindruck der Pariser Attentate und der Krimkrise.

Johnson: Briten als Strebepfei­ler

Der österreich­ische Außenminis­ter und vermutlich künftige Bundeskanz­ler Sebastian Kurz wurde gefragt, ob seine Unterschri­ft nicht der Neutralitä­tsverpflic­htung der österreich­ischen Verfassung entgegenst­ehe. „Wir haben dazu einen gemeinsame­n Ministerra­tsbeschlus­s“, sagte Kurz. „Unsere Neutralitä­t bleibt gewährleis­tet. Eine stärkere Zusammenar­beit bei Sicherheit und Verteidigu­ng kann für ganz Europa und uns mehr Sicherheit schaffen.“

Nur fünf Länder haben nicht unterschri­eben: Malta, Portugal, Irland, Dänemark, Großbritan­nien. Der britische Außenminis­ter Boris Johnson sieht die Rolle seines Landes bei Europas Verteidigu­ng so: „Wir unterstütz­en das. Ich sehe uns wie einen dieser Strebepfei­ler, die von außen angebracht werden, um die Kathedrale zu stützen.“

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FOTO: DPA Der französisc­he Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian und Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen.

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