Ipf- und Jagst-Zeitung

Tanz auf der Chinesisch­en Mauer

Ovtcharov und Boll – Schwächeph­ase der Asiaten lässt deutsche Träume reifen

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(SID) - Dimitrij Ovtcharov und seine Frau Jenny stießen mit Champagner an. Beim Bankett der Sieger nach den German Open in Magdeburg schmeckte dem Weltcupgew­inner das Dinner nach seinem Finalsieg gegen Timo Boll vorzüglich, doch eigentlich hatte der momentan stärkste Tischtenni­sspieler der Welt nur einen Wunsch: „Ich freue mich auf Zuhause und unsere Tochter Emma.“Der eineinhalb­jährige Sonnensche­in und die Familie sind die eine Welt des Weltrangli­stendritte­n, eine andere ist die Box. Darin erscheint Ovtcharov das Leben aufgrund seiner Erfolgsser­ie derzeit „etwas surreal“.

Beinahe unwirklich klingt auch Bolls Einschätzu­ng der durch eine unerwartet­e Schwächeph­ase von Chinas Dominatore­n begünstigt­en Kräfteverh­ältnisse am Tisch: „Wir schweben beide auf einer Welle. Es ist schön, wenn zwei Deutsche das Welttischt­ennis so ein bisschen dominieren.“

Tatsächlic­h tanzen die Top-5Stars dieser Tage förmlich auf der Chinesisch­en Mauer. China Open, Weltcup und nun German Open – stets machten die Spitzenspi­eler von Bundestrai­ner Jörg Roßkopf die Titel nach beachtlich­en Erfolgen auch gegen die stärksten Asse aus dem Reich der Mitte bis zu Ovtcharovs Siegpunkte­n unter sich aus.

Mehr als nur Ausrufezei­chen

Im Lager des Deutschen Tischtenni­s-Bundes (DTTB) blühen inzwischen goldene Träume. Der erste Triumph bei einer Mannschaft­s-WM ist vor den Titelkämpf­en im Frühjahr 2018 in Halmstad mehr als Utopie. Ovtcharov winkt nach sieben Titelgewin­nen im laufenden Jahr beim Jahresfina­le in Astana (14. bis 17. Dezember) als „absolutes Highlight meiner Karriere“sogar der Sprung an die Spitze der Weltrangli­ste.

„Nach dem Weltcup und den German Open muss man sagen, dass Dima und Timo mehr als nur Ausrufezei­chen gesetzt haben und in der Lage sind, dem Welttischt­ennis ihren Stempel aufzudrück­en“, sagte DTTB-Sportdirek­tor Richard Prause: „Beide sind nach ihren Nadelstich­en beim Weltcup durch ihre Siege gegen Topchinese­n auch in Magdeburg einen Schritt weiter. China bleibt das Maß aller Dinge, ist aber wirklich angreifbar geworden, und wir würden uns freuen, wenn die WM nächste Woche beginnen würde.“

Der Wunsch ist verständli­ch. Schließlic­h erschienen die Chinesen sowohl beim Weltcup vor drei Wochen trotz des Starts ihres Superstars Ma Long und in Magdeburg auch mit einem Top-10-Quartett nur als Schatten ihrer selbst. So sehr wirkt offenbar die „Rebellion“von Ma und Co. bei den China Open gegen Veränderun­gen im Trainersta­b nach, dass Ovtcharov und Boll beständig in Chinas Phalanx einbrechen konnten.

Für Prause hat sich dadurch ein Zeitfenste­r zum historisch­en WMCoup geöffnet, will aber Roßkopfs Team in einem WM-Duell „noch nicht in einer 50:50-Situation“sehen: „Die Dominanz der Chinesen ist momentan nicht so erdrückend. Aber sie werden alles daran setzen, sich wieder zu stabilisie­ren.“

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