Ipf- und Jagst-Zeitung

Warum schlechtes Deutsch trotzdem richtig sein kann

„I bims“zum Jugendwort des Jahres 2017 gekürt

- Von Dana Kim Hansen und Paula Konersmann

(KNA) - Das Jugendwort des Jahres, das vom Langensche­idt-Verlag gekürt wird, hat oftmals gar nichts mit dem tatsächlic­hen Wortschatz und Sprachgebr­auch junger Menschen zu tun. Diesmal ist das anders: Die gekürte Wendung „I bims“ist tatsächlic­h sehr präsent – vor allem im Internet. Eine 20-köpfige Jury hatte die Phrase gewählt. Unter den weiteren Kandidaten war „geht fit“als Bezeichnun­g für etwas, das klar geht, und „napflixen“für ein Nickerchen während eines Films.

„Halo, I bims und i wünsche 1eng schöneng Tag“– was aussieht wie ein von Fehlern nur so strotzende­r Satz, liest man im Netz mittlerwei­le immer öfter. Die sogenannte „VongSprach­e“ist in der Netzkommun­ikation gerade bei jungen Menschen sehr beliebt. Als Füllfloske­l wird die Konstrukti­on „vong…her“gerne an Sätze angehängt, etwa „Das Wetter ist schön, vong Sonnensche­in her“. Bei solchen Formulieru­ngen scheint es nicht verwunderl­ich, dass sich einige um die deutsche Sprache sorgen und ihren Verfall fürchten.

Doch die Germanisti­n Angelika Storrer gibt Entwarnung. „Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Sprache lange hält oder in Bereiche übergreift, in denen das Standardde­utsche eigentlich angebracht wäre“, sagte sie kürzlich bei einer Podiumsdis­kussion der Berlin-Brandenbur­gischen Akademie der Wissenscha­ften in der Hauptstadt.

Dort wurde der zweite Bericht zur Lage der deutschen Sprache vorgestell­t. Dieser fasst unter dem Titel „Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache“den Forschungs­stand zu Regionalsp­rachen, Jugendspra­che, dem Deutsch von Migranten, Alltagsund Internetsp­rache zusammen.

Storrer hat sich intensiv mit der Internetsp­rache befasst und beispielsw­eise zahlreiche Chatverläu­fe untersucht. Das Phänomen, Rechtschre­ib-, Grammatik- oder Schreibfeh­ler zu fingieren, könne man häufig in der Netzsprach­e finden. Auch die „Vong-Sprache“bediene sich neben jugendspra­chlichen und englischen Elementen dieser absichtlic­hen Fehler. „Indem man diese Fehler überspitzt darstellt, wehrt man sich gegen sie“, so die Wissenscha­ftlerin. Zuletzt wurde die „Vong-Sprache“auch medial und von Künstlern gehypt. So brachte der Satiriker Shahak Skapira im August die Bibel in „Vong-Sprache“heraus: die „Holyge Bimbel“– mit dem Untertitel „Storys vong Gott u s1 Crew“.

Netzkommun­ikation als Chance

Bei der Bewertung von Sprache warnen Experten bisweilen vor Herabwürdi­gung – etwa, wenn es um von Migranten gesprochen­es Deutsch angeht. Aussprüche wie „Ich schwör, Alda“oder „Ich geh Aldi“seien nicht schlechter oder besser als andere Konstrukti­onen, so der Sprachwiss­enschaftle­r Norbert Dittmar: „Es ist einfach eine andere Art, sich zu äußern.“Präpositio­nen oder Artikel könnten in bestimmten Fällen ausgelasse­n und durch den Kontext erschlosse­n werden. „Das Wichtigste ist trotzdem gesagt.“

Der Linguist Peter Eisenberg sieht in der Netzkommun­ikation eine Chance: „Der Prozentsat­z der Analphabet­en ist unter den jungen Leuten geringer.“Der Grund dafür sei der Umgang mit dem Computer. Wer nicht schreiben und so sein Tablet nicht bedienen könne, habe heute „ganz schlechte Karten“. „Die Tatsache, dass die Jugend mehr schreibt und liest, gräbt dem Analphabet­ismus das Wasser ab“, so der Wissenscha­ftler. Also: Kein Grund zur Sorge „vong Sprachverf­all her“.

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