Ipf- und Jagst-Zeitung

Mozarts ergreifend­e Musik beendet eine Ära

Willibald Bezler verabschie­det sich nach 51 Jahren vom Oratorienc­hor

- Von Petra Rapp-Neumann

– Mit dem Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart hat Willibald Bezler nach 51 Jahren als Leiter und Dirigent des Ellwanger Oratorienc­hors Abschied genommen.

Ob ihn nicht doch leise Wehmut überkam, als er vom Publikum in der ausverkauf­ten Stadtkirch­e mit stehenden Ovationen minutenlan­g gefeiert wurde, als „sein“Chor sich vor ihm verneigte zum Dank für ein halbes Jahrhunder­t fruchtbare­n gemeinsame­n Weges? Auch bei seinem letzten Dirigat verschmolz er den Chor, das Ensemble Musica viva Stuttgart und die vier Solisten zu einer beglückend­en Einheit und setzte Maßstäbe im kühnen Dialog von Mozarts Totenmesse mit Musik des 20. und 21. Jahrhunder­ts.

Kontrast zwischen Mozart und zeitgenöss­ischer Musik

Nichts klagt so sehnsuchts­voll und wehmütig wie ein einsames Cello. Mozarts ergreifend­er Musik stellte Willibald Bezler mit der Paraphrase zu Gustav Mahlers „Es sungen drei Engel ein‘ süßen Gesang“eine eigene Kompositio­n voran, konzentrie­rt wiedergege­ben von Stefan Kraut am Violoncell­o. Dem Kyrie des Chors folgte Younghi Pagh-Paans mystischpo­etisches „Ma-Um“, lautmaleri­sch gesungen von Altistin Meike Boltersdor­f. Die koreanisch­e Komponisti­n vertonte Verse von Angelus Silesius und dem chinesisch­en Dichter Chung-Chui. Wunderbar interpreti­erte der Chor das machtvolle „Dies irae“, Tag des Zornes, und verschmolz mit dem großartige­n Bass Teru Yoshihara zu „Tuba mirum“, der Posaune des Jüngsten Gerichts.

Dass er sein Werk nicht würde beenden können, spürte Mozart wohl. Nach den ersten Takten des Lacrymosa, „Tränenreic­h ist dieser Tag“, im Dezember 1791 nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand. Es sind dramatisch­e Klänge der Verzweiflu­ng. Ein wenig Hoffnung verheißt das Recordare, „Gedenke, Jesus, in Milde.“

Unentrinnb­ar hoffnungsl­os aber ruft das Agnus Dei nach ewiger Ruhe. Wie das Offertoriu­m sowie das Sanctus und Benedictus stammt es nicht von Mozart, sondern wurde von Franz Xaver Süßmayr vollendet. Dem Benedictus voran ging Willibald Bezlers „Zebaoth“nach der Ballade von Else Lasker-Schüler, beklemmend und großartig interpreti­ert von Sopranisti­n Nicola Hallstein. Am Schlagzeug begleitete kongenial Joseph Ott.

Mozarts berührende Musik bewegt sich nicht jubelnd in himmlische­n Sphären, sondern kreist höchst irdisch um den nahenden Tod. In diesen Kontext fügte sich Klaus Hubers apokalypti­sche Vision „Traumgesic­ht“ein, inspiriert vom Weltunterg­angsgemäld­e Albrecht Dürers von 1525 und Texten der Johannes-Offenbarun­g. Eindringli­ch trug Tenor Hitoshi Tamada die Verse vor.

Die Motette „Ave verum corpus“komponiert­e Mozart während der Arbeit an seinem Requiem und seiner letzten Oper, der Zauberflöt­e. Mit dem Gebet aus dem 13. Jahrhunder­t grüßen die Gläubigen den Erlöser. Damit endete nicht nur ein glanzvolle­s Konzert, sondern eine Ära. Mit Dankbarkei­t blickt nicht nur Willibald Bezler auf 51 Jahre zurück. Auch das Publikum und die Stadt Ellwangen tun es.

 ?? FOTO: PETER SCHLIPF ?? Zum Abschied Mozarts Requiem: Der Ellwanger Oratorienc­hor und das Stuttgarte­r Ensemble „Musica vica“verschmolz­en bei Willibald Bezlers letztem Konzert als Dirigent des Chores zu einem unvergessl­ichen Klangerleb­nis.
FOTO: PETER SCHLIPF Zum Abschied Mozarts Requiem: Der Ellwanger Oratorienc­hor und das Stuttgarte­r Ensemble „Musica vica“verschmolz­en bei Willibald Bezlers letztem Konzert als Dirigent des Chores zu einem unvergessl­ichen Klangerleb­nis.

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