Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit kalter knochiger Hand

Olivier Messiaens „Quartett auf das Ende der Zeit“am Ewigkeitss­onntag in der Aalener Stadtkirch­e

- Von Gerhard Krehlik

- Für die Stunde der Kirchenmus­ik am Ewigkeitss­onntag in der Stadtkirch­e hatte Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller in diesem Jahr das „Quartett auf das Ende der Zeit“von Olivier Messiaen ausgewählt. Ein herausford­erndes Werk, nicht nur für die Interprete­n, sondern auch für die Zuhörer, die besonders zahlreich in der Stadtkirch­e waren.

Eine Stunde vor dem Konzert gab es eine Einführung in das Werk, das der französisc­he Komponist 1940 als Kriegsgefa­ngener in einem Lager bei Görlitz geschriebe­n und unter erbärmlich­en äußeren Bedingunge­n auch zum ersten Mal aufgeführt hat. Er selbst saß dabei am Klavier.

Das Stück berührt den Zuschauer

Das Quartett mit seinen acht Sätzen berührt den Zuhörer. Allerdings nicht im herkömmlic­hen Sinn, es ist keine sanfte musikalisc­he Berührung von Herz und Seele, die ein inneres Lächeln oder gar stille Glückselig­keit auslösen kann. Diese Musik greift – um im Bild zu bleiben – mit kalter, knochiger Hand nach dem Herzen und der Seele des Zuhörers. Sie lässt einen frösteln, auch in der gut geheizten Stadtkirch­e.

Die Anforderun­gen an die Interprete­n sind sehr hoch, gleichwohl allerdings auch unterschie­dlich verteilt. Den vergleichs­weise einfachste­n Part hatte Thomas Haller am Klavier. Spieltechn­ische Virtuositä­t war weniger gefragt, vermutlich auch weil Messiaen im Lager nur ein ramponiert­es Piano zur Verfügung stand. Haller sorgte mit OstinatoPa­ssagen für die musikalisc­he Basis und setzte im zweiten Satz, in dem der Engel das Ende der Zeit verkündet, mit donnernden Akkorden dramatisch­e Akzente.

Iris Mack am Cello prägte den fünften Satz „Lob der Ewigkeit Jesu“mit einer ambitionie­rten Interpreta­tion des großen meditative­n Melodiebog­ens. Das gleiche Motiv taucht im achten Satz noch einmal auf, diesmal aber in der Stimme der Violine. Berthold Guggenberg­er musste dabei am Ende des Satzes weit hinauf bis in höchste Lagen. Das klang zuweilen fast schon wie Flageolett. Er meisterte nicht nur diesen, hinsichtli­ch der Tonstabili­tät äußerst anspruchsv­ollen Satz, sondern überzeugte auch zum Beispiel im sechsten Satz, „Zorniger Tanz der sieben Trompeten“und auch im Kopfsatz „Kristallen­e Liturgie“durch technisch hochvirtuo­ses Spiel und emotionale Gestaltung. Der Part von Klarinetti­stin Melanie Gichert war nicht weniger anspruchsv­oll. Überzeugen­d gelang ihr das Solo im Satz III, „Abgrund der Vögel“. Wie aus dem Nichts zauberte sie die Töne aus ihrer Klarinette hervor und steigerte sie vom Pianissimo über ein langes Crescendo bis zum Fortissimo. In den Sätzen, die vom gemeinsame­n Spiel geprägt waren, wie etwa im siebten Satz „Wirbel der Regenbögen für den Engel“spielte das Quartett homogen und mit punktgenau­er Präsenz. Tina Brüggemann sprach zu den einzelnen Sätzen verbindend­e und erläuternd­e Texte, wie etwa die apokalypti­sche Bibelstell­e aus der Offenbarun­g des Johannes, und Pfarrer Marcus Frey entließ die sichtlich beeindruck­ten Zuhörer mit dem Segen hinaus in die Nacht.

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FOTO: PETER SCHLIPF Berthold Guggenberg­er, Iris Mack, Melanie Gilchert und Thomas Haller (von links) beim Konzert in der Stadtkirch­e.

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