Was für andere ein Hobby ist
Grünen-Landtagsabgeordneter Martin Grath besucht Bäckerei Angstenberger
- Sie habe Angst, sagt die 25-jährige Tanja Angstenberger. Sie steht mit ihrer Mutter Irmgard Angstenberger, dem Grünen-Landtagsabgeordneten Martin Grath und dem Landrat Klaus Pavel vor der Ausgabe der Bäckerei in Wasseralfingen im Gespräch. „Ich habe Angst davor, wie es um das Handwerk in zehn Jahren bestellt ist und vor dem Fachkräftemangel.“Die junge Bäckermeisterin will in etwa sechs Jahren die Bäckerei ihrer Eltern übernehmen.
Er verstehe diese Sorgen, sagt der Landrat. Für den Haushalt 2018 sei ein Etat für eine Kampagne eingeplant. „Wir wollen rüber bringen, dass es nicht sinnvoll ist, wenn mehr als 50 Prozent der Schulabgänger studieren.“Es gebe Fachkräfte, die besser verdienen als Akademiker. Bei den Leuten sei immer noch nicht angekommen, dass sie nach einer Ausbildung zum Bäcker auch einen Realschulabschluss bekommen. „Danach steht doch immer noch alles offen“, sagt Tanja Angstenberger.
Das Problem sei eben auch, dass man die Ausgebildeten verliere, sagt Grath, der von Beruf ebenfalls Bäckermeister ist. „Wo arbeiten die meisten ausgebildeten Bäcker?“, fragt er. Es sei verrückt, aber die seien alle bei Daimler Benz zu finden. Er selbst habe eine Zeit lang unter anderem auf den Malediven gearbeitet und wisse daher, dass deutsche Bäcker im Ausland „mit Handkuss“genommen werden.
Bürokratie ist manchmal nicht einhaltbar
Ein weiteres Problem der Branche sei der Spagat zwischen einem großen Angebot bis abends und dem Überschuss, der weggeworfen wird. Etwa ein Drittel der Erzeugnisse in großen Bäckereien werden weggeworfen, sagt Grath. Die Lebensmittelverschwendung, ebenso wie der damit einhergehende CO2-Ausstoß sei riesig. Das Problem kennen Angstenbergers: „Bei uns landet aber nichts wirklich in der Tonne“, sagt Tanja Angstenberger. Brot werde beispielsweise zu Knödelmehl verarbeitet und abends freuten sich oft die Mitarbeiter über Süßes, das übrig blieb. Ein Teil gehe auch an die Bauern in der Umgebung und werde so wieder dem Kreislauf zugeführt.
Die Konkurrenz der Bäckereifabriken sei spürbar. „Die Supermärkte bauen immer weiter aus“; sagt Irmgard Angstenberger. Aber der Qualitätsunterschied sei auch enorm. Wenn man ein Discounter-Toastbrot kaufe, halte das angebrochen oft mehrere Wochen. Eines aus der Bäckerei schimmle nach drei bis fünf Tagen. „Das muss so sein.“Denn Zusatzstoffe machten das Brot immer ungesünder.
Die Bürokratie sei manchmal uneinhaltbar. „Ich muss Dokumentationen führen ohne Punkt und Komma“, sagt die 53-Jährige. „Wenn ich einer Mitarbeiterin sage, dass sie nicht sauber gewischt hat, müsste ich das als Unterweisung dokumentieren.“Es gebe eben leider immer wieder schwarze Schafe, die die Arbeit des Wirtschaftskontrolldienstes notwendig machen, berichtet Pavel.
Frühes Aufstehen besser als Schichtarbeit
Ebenso die neuen Kassen, die für das Landratsamt transparenter sind: Es habe Gastronomen gegeben, die ganze Menüs wieder aus der Kasse storniert haben, um Steuern zu sparen, berichtet Grath. Und das seien keine schwarzen Schafe gewesen, sondern eine ganze Schafherde. Dadurch werde natürlich auch der Wettbewerb verzerrt: „Wer keine Steuern zahlt, kann seine Ware zu niedrigeren Preisen verkaufen.“
Über das Image des Berufes lasse sich nur sagen, dass das frühe Aufstehen Ansichtssache ist. Tanja Angstenberger macht es nichts aus. „Das ist viel besser als Schichten.“Ab drei Uhr frühmorgens steht sie in der Backstube, um 11.30 Uhr hat sie Feierabend. Mittags schlafe sie dann drei Stunden und stehe dann wieder auf, wenn alle andere Feierabend haben. Abends gehe sie dann wieder um 22 Uhr ins Bett. „Ich mache meinen Beruf mit Leidenschaft und Freude, für andere ist Backen ein Hobby, bei mir ist es der Job.“Und sie bekomme immer eine tolle Bestätigung: „Wenn du zum Beispiel einem Kind eine Torte gebacken hast, bläst es die Kerzen aus und freut sich.“So eine Reaktion bekomme man im Büro sicher selten, wenn man eine Berechnung gemacht habe. „Es macht mich glücklich zu sehen, wie sich die Leute über unsere Kuchen freuen.“
Im Juli hatte die 25-Jährige den Innovationspreis verliehen bekommen, nachdem sie Europameisterin geworden war. Jetzt bereite sie sich auf die Weltmeisterschaft 2020 in Frankreich vor. Allerdings bleibe dafür nach einer Sechstagewoche von Montag bis Samstag wenig Zeit und Energie. Es sei aber wichtig, Ziele zu haben.