Ein Elektrotechniker auf Weltreise
Martin Leonhardt reist mit seinem Motorrad dreieinhalb Jahre durch Lateinamerika
- Als Martin Leonhardt 2003 in Aalen Elektrotechnik studierte, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er fast 15 Jahre später als 38-Jähriger in die Stadt zurückkehren würde, um Plakate aufzuhängen für einen Vortrag, den er selbst halten würde. Einen Vortrag über seine begonnene Weltreise.
2013 hat er die Reißlinie gezogen: Privat und beruflich hatte es sich so ergeben. „Der Zeitpunkt war einfach da.“Vorher hatte er als Ingenieur in der Polarforschung gearbeitet, es hatte Kooperationen mit der Hochschule Aalen gegeben, irgendwann gab es aber keine Perspektive mehr für ihn. Rund 40 000 Euro hatte er zusammengespart, als er seinen Besitz verkauft hatte. „Fast alles, außer meinen vier Gitarren.“Eine Wohnung gab es nicht zu kündigen – die hatte er während seiner Polarforschung nicht gebraucht.
Er kaufte sich ein Motorrad, das ihn dreieinhalb Jahre auf seiner Reise begleiten sollte. Ein Auto wäre zu teuer gewesen, das Bike war günstiger zu verschiffen. „Man ist nicht so isoliert, nichts trennt einen von der Natur, außer die Kleidung und der Helm.“Vor seiner Reise durch Amerika setzte er sich ein Ziel: Nach Alaska wollte Leonhardt fahren. Allerdings kam er an den US-Bundesstaat nicht annähernd heran. „Ich hab in Lateinamerika viel länger gebraucht, als gedacht.“
Jeden Tag drei Stunden Portugiesisch gebüffelt
Allein Brasilien habe mehrere Monate in Anspruch genommen. Dort nahm er sich Zeit und brachte sich mit einem Online-Kurs Portugiesisch bei – für ihn war ausschlaggebend: „Mir hat einfach der Kontakt gefehlt.“Umso tiefer er in das Land gefahren sei, umso weniger habe er sich verständigen können. Also habe er jeden Tag drei Stunden gebüffelt, sich zu den Männern in die Runde gestellt – bis er die Gespräche irgendwann verstanden habe.
Wenige Wochen nach seinem Besuch wird ein Quartier zerstört
Der Kontakt zu den Menschen und ihre Lebensweise zu sehen, das war Leonhardt auf seiner Reise besonders wichtig. Er habe mit Millionären am Tisch gesessen – durch sein Motorrad, das dort ein Vielfaches an Wert habe, sei er da rein geraten. Aber er habe auch zwei beeindruckende Wochen in einer brasilianischen Favela, einem Armenviertel, verbracht, wo er die Fischer begleitete und bei einer Familie lebte. „Das war prägend für mich. Zu sehen, dass die Menschen mit so wenig leben und so glücklich sind“, erzählt Leonhardt und schaut auf ein Foto mit lachenden Kindern. Wenige Wochen, nachdem er das Armenviertel verlassen hatte, sei es zerstört worden, sagt er und legt das Bild zurück zu den anderen.
„Ich habe ungefähr 5000 Bilder und könnte ohne Probleme pro Bild zehn Minuten erzählen.“Er spricht von hundert Prozent Leben, maximaler Freiheit. „Wenn man hier jemand bittet, sich hinzusetzen und zwanzig besondere Momente aus dem vergangenen Jahr aufzuschreiben, bekommen das viele gar nicht hin.“Natürlich sei er auf seinen Reisen auch nicht nur glücklich gewesen – „es gibt Höhen und Tiefen“– aber es sei doch auch schön zu merken, dass das Herz funktioniert.
„Diese Amplituden waren auf der Reise sicher extremer als daheim“, sagt der 38-Jährige. Fast sinnbildlich wirkt das Foto, auf dem er vor einem aktiven Vulkan sitzt, das wenige Tage vor seiner Heimreise entstanden ist. Wie er auf den Berg gekommen sei? „Manchmal muss man auch Regeln brechen“, ist seine Antwort. Seit April ist er zurück in seiner Heimat in Dinkelsbühl. „Mir fehlt die Lebensfreude auf den Straßen. In Lateinamerika kann es sein, dass plötzlich jemand vor dem Bäcker los tanzt.“Jetzt versucht Leonhardt Geld zu verdienen, um seine Reise fortsetzen zu können. Gut 10 000 Euro will er bis Februar sparen. Dann will er wieder nach Mexiko, wo sein Motorrad auf ihn wartet und weiter fahren. Vielleicht ja bis Alaska. Einen Vortrag über seine Reise wird Martin Leonhardt am Sonntag, 10. Dezember, ab 17 Uhr in der Aalener Stadthalle halten. Der Eintritt kostet 12 Euro.