Land plant ab 2018 Wände gegen Gaffer
Verkehrsministerium will Autobahnmeistereien 2018 entsprechend ausstatten
RAVENSBURG (jfa) - Baden-Württemberg plant, ab 2018 auf einigen Autobahnen nach Unfällen Schutzwände gegen Gaffer einzusetzen. Wie eine Sprecherin des Verkehrsministeriums der „Schwäbischen Zeitung“sagte, nehme man in Kürze die erforderlichen Abstimmungen mit den Einsatzkräften vor und plane dann eine öffentliche Ausschreibung. Eine favorisierte Variante habe man nicht. Noch im August hatte das Innenministerium Sichtschutzzäunen eine Absage erteilt.
- Baden-Württemberg setzt ab dem kommenden Jahr auf einigen Autobahnen Schutzwände gegen gaffende Autofahrer ein. „Wir nehmen die erforderlichen Abstimmungen mit der Polizei und Feuerwehr vor und bereiten danach die Ausschreibung der Sichtschutzwände für Baden-Württemberg vor“, teilte eine Sprecherin des Stuttgarter Verkehrsministeriums auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit.
Dies solle im ersten Quartal 2018 über die Bühne gehen. Es werde keine Testphase geben, man statte im Anschluss an die Beschaffung die Autobahnmeistereien in den Großräumen Mannheim, Karlsruhe und Stuttgart mit Sichtschutzwänden aus.
Noch im August hatte das Innenministerium in Stuttgart Sichtschutzwänden im Südwesten eine Absage erteilt und dies mit einer zu langen Aufbaudauer begründet.
In Bayern laufen Tests bereits
Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung könnte nun auch eine unter anderem in Tettnang (Bodenseekreis) produzierte Variante zum Zug kommen – eine aufblasbare Gafferschutzwand. „Eine Präferenz für ein bestimmtes Produkt haben wir aber nicht“, betonte die Ministeriumssprecherin. Die Sichtschutzwand müsse nur den erforderlichen Kriterien genügen.
Einen Schritt weiter ist das bayerische Innenministerium: Dort testet man seit einigen Wochen spezielle Sichtschutzwände an Autobahnabschnitten der A 6 und A 9. Zuvor waren bereits in Nordrhein-Westfalen vergleichbare Tests gestartet. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte den Modellversuch persönlich in Augenschein genommen und in diesem Zusammenhang die fehlende Einsicht der Autofahrer bemängelt. Die Sensationsgier schalte offenbar den Verstand aus, „an die Würde der Unfallopfer scheinen die fotografierenden und filmenden Schaulustigen überhaupt nicht zu denken“.
Allerdings, so ein Sprecher des Innenministeriums in München, wolle man mit diesen Tests erst einmal Erfahrungen sammeln, wann, wo und wie die Wände sinnvoll eingesetzt werden können. Beispielsweise würden sie bei kleineren Unfällen keinen Sinn ergeben, wenn die Unfallstelle nach kurzer Zeit wieder geräumt sei. Alleine der Aufbau des bayerischen Modells dauert bis zu 90 Minuten.
Das geht mit dem Modell aus Tettnang deutlich schneller. Mit Hilfe eines Stromanschlusses oder eines Aggregats ist die aufblasbare Wand innerhalb von zwei Minuten einsatzbereit. Drei Gafferwände seien in Deutschland bereits im Einsatz, eine weitere in den USA. Und die Nachfrage sei weiterhin enorm, so Angelina Reutter, deren Firma als Vertriebspartner für die Gafferwand derzeit alle Hände voll zu tun hat. Die beiden Hauptkomponenten werden bei der Textiltechnik-Firma „seam tec“in Tettnang produziert, fertiggestellt wird das Produkt in Mecklenburg-Vorpommern.
Feuerwehrleute geteilter Meinung
Manche Feuerwehren möchten angesichts der Probleme mit Gaffern nicht mehr länger warten und haben die Anschaffung selbst in die Hand genommen. Die Freiwillige Feuerwehr im bayerischen Kelheim hat sich gleich zwei der aufblasbaren Wände gesichert. Im Test der Feuerwehrmänner zeigte sich die Wand laut Angaben der Wehr stabil, auch bei starken Böen richte sich die mit Sandsäcken gesicherte Wand selbstständig wieder auf.
Konrad Wolf, Kommandant der Tettnanger Feuerwehr, sieht das Produkt dagegen eher skeptisch. Er hat sie getestet – und für unpraktisch befunden. „Von anderen Wehren habe ich nichts anderes erfahren“, so Wolf. Bei einem Brandeinsatz mit vielen Schaulustigen hätte die Wand, oder auch eine andere Möglichkeit, Gaffer abzuhalten, ihn und seine Kameraden eher behindert. „Da setzen wir dann das altbewährte Flatterband ein und natürlich die Polizei, wenn es nicht klappen sollte.“
Höhere Strafen
Im Mai dieses Jahres wurden die Strafen für das Gaffen erhöht, seitdem gilt es als Straftat, bei Unfällen vorsätzlich Einsatzkräfte zu behindern, die Hilfe leisten oder leisten wollen. Zwar führt das baden-württembergische Verkehrsministerium keine Statistik über die Zahl an Vorfällen mit Gaffern. Je nach Einsatzart und -umfang können Sichtschutzwände jedoch dazu beitragen, dass es weniger Gaffer und so auch weniger Behinderungen gibt. Kuriose Aktionen wie die eines Feuerwehrmannes, der vor wenigen Wochen nach einem tödlichen Unfall auf der A 3 im Spessart extrem langsam an der Unfallstelle vorbeifahrende Auto- und Lkw-Fahrer mit einem Schlauch abspritzte, wären dann nicht mehr nötig.