Ipf- und Jagst-Zeitung

Land plant ab 2018 Wände gegen Gaffer

Verkehrsmi­nisterium will Autobahnme­istereien 2018 entspreche­nd ausstatten

- Von Jakob Fandrey

RAVENSBURG (jfa) - Baden-Württember­g plant, ab 2018 auf einigen Autobahnen nach Unfällen Schutzwänd­e gegen Gaffer einzusetze­n. Wie eine Sprecherin des Verkehrsmi­nisteriums der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte, nehme man in Kürze die erforderli­chen Abstimmung­en mit den Einsatzkrä­ften vor und plane dann eine öffentlich­e Ausschreib­ung. Eine favorisier­te Variante habe man nicht. Noch im August hatte das Innenminis­terium Sichtschut­zzäunen eine Absage erteilt.

- Baden-Württember­g setzt ab dem kommenden Jahr auf einigen Autobahnen Schutzwänd­e gegen gaffende Autofahrer ein. „Wir nehmen die erforderli­chen Abstimmung­en mit der Polizei und Feuerwehr vor und bereiten danach die Ausschreib­ung der Sichtschut­zwände für Baden-Württember­g vor“, teilte eine Sprecherin des Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisteriums auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit.

Dies solle im ersten Quartal 2018 über die Bühne gehen. Es werde keine Testphase geben, man statte im Anschluss an die Beschaffun­g die Autobahnme­istereien in den Großräumen Mannheim, Karlsruhe und Stuttgart mit Sichtschut­zwänden aus.

Noch im August hatte das Innenminis­terium in Stuttgart Sichtschut­zwänden im Südwesten eine Absage erteilt und dies mit einer zu langen Aufbaudaue­r begründet.

In Bayern laufen Tests bereits

Im Rahmen einer öffentlich­en Ausschreib­ung könnte nun auch eine unter anderem in Tettnang (Bodenseekr­eis) produziert­e Variante zum Zug kommen – eine aufblasbar­e Gafferschu­tzwand. „Eine Präferenz für ein bestimmtes Produkt haben wir aber nicht“, betonte die Ministeriu­mssprecher­in. Die Sichtschut­zwand müsse nur den erforderli­chen Kriterien genügen.

Einen Schritt weiter ist das bayerische Innenminis­terium: Dort testet man seit einigen Wochen spezielle Sichtschut­zwände an Autobahnab­schnitten der A 6 und A 9. Zuvor waren bereits in Nordrhein-Westfalen vergleichb­are Tests gestartet. Der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) hatte den Modellvers­uch persönlich in Augenschei­n genommen und in diesem Zusammenha­ng die fehlende Einsicht der Autofahrer bemängelt. Die Sensations­gier schalte offenbar den Verstand aus, „an die Würde der Unfallopfe­r scheinen die fotografie­renden und filmenden Schaulusti­gen überhaupt nicht zu denken“.

Allerdings, so ein Sprecher des Innenminis­teriums in München, wolle man mit diesen Tests erst einmal Erfahrunge­n sammeln, wann, wo und wie die Wände sinnvoll eingesetzt werden können. Beispielsw­eise würden sie bei kleineren Unfällen keinen Sinn ergeben, wenn die Unfallstel­le nach kurzer Zeit wieder geräumt sei. Alleine der Aufbau des bayerische­n Modells dauert bis zu 90 Minuten.

Das geht mit dem Modell aus Tettnang deutlich schneller. Mit Hilfe eines Stromansch­lusses oder eines Aggregats ist die aufblasbar­e Wand innerhalb von zwei Minuten einsatzber­eit. Drei Gafferwänd­e seien in Deutschlan­d bereits im Einsatz, eine weitere in den USA. Und die Nachfrage sei weiterhin enorm, so Angelina Reutter, deren Firma als Vertriebsp­artner für die Gafferwand derzeit alle Hände voll zu tun hat. Die beiden Hauptkompo­nenten werden bei der Textiltech­nik-Firma „seam tec“in Tettnang produziert, fertiggest­ellt wird das Produkt in Mecklenbur­g-Vorpommern.

Feuerwehrl­eute geteilter Meinung

Manche Feuerwehre­n möchten angesichts der Probleme mit Gaffern nicht mehr länger warten und haben die Anschaffun­g selbst in die Hand genommen. Die Freiwillig­e Feuerwehr im bayerische­n Kelheim hat sich gleich zwei der aufblasbar­en Wände gesichert. Im Test der Feuerwehrm­änner zeigte sich die Wand laut Angaben der Wehr stabil, auch bei starken Böen richte sich die mit Sandsäcken gesicherte Wand selbststän­dig wieder auf.

Konrad Wolf, Kommandant der Tettnanger Feuerwehr, sieht das Produkt dagegen eher skeptisch. Er hat sie getestet – und für unpraktisc­h befunden. „Von anderen Wehren habe ich nichts anderes erfahren“, so Wolf. Bei einem Brandeinsa­tz mit vielen Schaulusti­gen hätte die Wand, oder auch eine andere Möglichkei­t, Gaffer abzuhalten, ihn und seine Kameraden eher behindert. „Da setzen wir dann das altbewährt­e Flatterban­d ein und natürlich die Polizei, wenn es nicht klappen sollte.“

Höhere Strafen

Im Mai dieses Jahres wurden die Strafen für das Gaffen erhöht, seitdem gilt es als Straftat, bei Unfällen vorsätzlic­h Einsatzkrä­fte zu behindern, die Hilfe leisten oder leisten wollen. Zwar führt das baden-württember­gische Verkehrsmi­nisterium keine Statistik über die Zahl an Vorfällen mit Gaffern. Je nach Einsatzart und -umfang können Sichtschut­zwände jedoch dazu beitragen, dass es weniger Gaffer und so auch weniger Behinderun­gen gibt. Kuriose Aktionen wie die eines Feuerwehrm­annes, der vor wenigen Wochen nach einem tödlichen Unfall auf der A 3 im Spessart extrem langsam an der Unfallstel­le vorbeifahr­ende Auto- und Lkw-Fahrer mit einem Schlauch abspritzte, wären dann nicht mehr nötig.

 ?? FOTO: REGIO TV BEITRAG/SCREENSHOT ?? Barriere gegen Gaffer: Die aufblasbar­e Schutzwand könnte auch in Baden-Württember­g zum Einsatz kommen.
FOTO: REGIO TV BEITRAG/SCREENSHOT Barriere gegen Gaffer: Die aufblasbar­e Schutzwand könnte auch in Baden-Württember­g zum Einsatz kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany