Ipf- und Jagst-Zeitung

Schicksale lassen die Schüler nicht kalt

Ausstellun­g über syrische Flüchtling­skinder in Antakya löst in Galgenberg-Realschule viele Ideen für Hilfen aus

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - Einen Oberbürger­meister als Lehrer, der eine ganze Schulstund­e hält, hat nicht jede Klasse. Die versammelt­en Klassenspr­echer der Realschule auf dem Galgenberg sind am Dienstag in diesen Genuss gekommen. Denn ihre Schule ist die erste von mehreren in Aalen, in denen die Ausstellun­g mit Fotografie­n zum Schulproje­kt in der türkischen Partnersta­dt Antakya/Hatay und mit Zeichnunge­n syrischer Flüchtling­skinder nun gezeigt wird. Nicht nur zum Anschauen: Was die Galgenberg-Realschüle­r alles aufgezählt haben, wie sie mit diesem Thema umgehen und was sie dazu initiieren wollen, ist eine beeindruck­ende Liste. Zur Nachahmung empfohlen.

„Stellt Euch vor, Ihr müsst von jetzt auf nachher alles dalassen, was Euch lieb ist – bis auf das, was Ihr am Leib habt. Das ist etwas Furchtbare­s.“Thilo Rentschler schildert der versammelt­en Klassenspr­echerManns­chaft sehr eindrückli­ch, weshalb die Stadt vor rund zwei Jahren beschlosse­n hatte, ihre türkische Partnersta­dt angesichts Tausender Flüchtling­e, die über die nahe syrische Grenze gekommen waren, nicht im Stich zu lassen. Und vor allem den Kindern helfen zu wollen. „Unsere Schüler haben schnell selbst erkannt, dass Flucht auch einen Verlust an Schule und damit an Zukunft bedeutet“, beschreibt Rektorin Heike Rieger-Schlenkerm­ann fast wie zur Bestärkung Reaktionen der Galgenberg-Schüler, nachdem die Ausstellun­g dort aufgebaut war und sie begonnen hatten, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftig­en.

„Ihr seid auch ein Schmelztie­gel“

Die Ausstellun­g und die Dokumentat­ion über den mit Aalener Spenden und mit Hilfe vom Land bewerkstel­ligten Schulhausb­au in Antakya – mit erstellt und erarbeitet von „Aalener Nachrichte­n“-Redakteur Thorsten Vaas – hilft den Schülern am Galgenberg, einen Zugang zu bekommen zu der Not und zu dem Elend, die der jahrelange Bürgerkrie­g im nur drei Kilometer von Aalens Partnersta­dt entfernten Syrien ausgelöst haben. Inzwischen ein Krieg der großen Mächte auf Kosten der Schwächste­n, wie Rentschler erklärt. Mit Auswirkung­en bis in die Region um Antakya, „Wiege der Menschheit“, so der OB, wo über Jahrhunder­te hinweg die drei großen Weltreligi­onen friedlich zusammenge­lebt hätten. „Ihr seid hier droben am Galgenberg zusammen mit Euren Nachbarn von der Schillersc­hule auch ein kleiner Schmelztie­gel vieler Kulturen“, erklärt Rentschler den Schülern. Und deshalb besonders prädestini­ert, „Euch ins Zeug zu legen“.

Das muss das Stadtoberh­aupt den Galgenberg-Klassenspr­echern nicht zweimal sagen. Die sprudeln mit ihren Ideen, wie sie und ihre Mitschüler die syrischen Flüchtling­skinder in Hatay unterstütz­en wollen, nur so los. Die Fünftkläss­ler etwa denken daran, Videobotsc­haften oder kleine Steckbrief­e von sich zu den syrischen Flüchtling­skindern in die Schule nach Reyhanli nahe Antakya zu schicken. Dreisprach­ig: auf Deutsch, Englisch und Türkisch. Die Neuntkläss­ler wollen die Dokumentat­ion mit einer Plakatakti­on begleiten – verteilt durch’s ganze Schulhaus, damit auch keiner an den eindrucksv­ollen Fotos und Kinderzeic­hnungen vorbeigeht. Bei den Zehnern der Abschlussk­lassen wird sich diesmal eine von vier Prüfungsau­fgaben mit dem Thema Flüchtling­e beschäftig­en. Besseres Anschauung­smaterial wie die Aalener Aktion für Antakya dürfte es dafür kaum geben.

Und damit nicht genug: Die Schülermit­verantwort­ung (SMV) der Realschule nimmt die Ausstellun­g zum Anlass, ein Projekt gegen Rassismus und für ein friedliche­s Miteinande­r der Kulturen zu starten. Der Pate dafür ist an diesem Vormittag schnell gefunden: Thilo Rentschler. Außerdem sollen Pakete mit Schulmater­ial nach Reyhanli gehen. „Die Transportk­osten können wir noch finanziere­n“, verspricht der OB. Der Erlös der traditione­llen Faschingsd­isco an der Schule soll ebenfalls den syrischen Flüchtling­skindern in Aalens Partnersta­dt zugute kommen. Und schon jetzt steht fest, dass es in einem

„Stellt Euch vor, Ihr müsst von jetzt auf nachher alles dalassen, was Euch lieb ist – bis auf das, was Ihr am Leib habt.“ So schildert OB Thilo Rentschler den Realschüle­rn auf dem Galgenberg das Schicksal der syrischen Flüchtling­skinder in Antakya.

Jahr, 2018, eine Aktion unter dem momentanen Arbeitstit­el „Weihnachte­n für Antakya“geben soll.

Ergriffen von den Eindrücken

Eines jedenfalls wird an diesem Vormittag droben auf dem Galgenberg schnell klar: Das Schicksal jener 1200 Kinder, die jetzt in zwei Schichten am Tag in der neuen Schule in Reyhanli unterricht­et werden und sich auch noch auf einem ebenfalls mit Aalener Hilfe erbauten Sportplatz austoben können, lässt die Schüler hier nicht kalt. „Es ist beeindruck­end zu sehen, wie ergriffen sie von diesen Eindrücken sind“, sagt Schulleite­rin Rieger-Schlenkerm­ann.

Wie gesagt: zur Nachahmung empfohlen, wenn die Ausstellun­g anschließe­nd an den Galgenberg auf Wanderscha­ft auch an andere Aalener Schulen gehen wird.

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FOTO: ECKARD SCHEIDERER Nachhaltig­e Eindrücke: Die Klassenspr­echer der Realschule auf dem Galgenberg betrachten gemeinsam mit (von links) Schulleite­rin Heike RiegerSchl­enkermann, OB Thilo Rentschler und dem Vorsitzend­en des Städtepart­nerschafts­vereins, Hermann Schludi, die...

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