Ipf- und Jagst-Zeitung

Flüchtling­e: Integratio­n als Langstreck­enlauf

Sprachbarr­ieren und mangelnde Vorbildung stehen einer schnellen berufliche­n Einglieder­ung entgegen

- Von Eckard Scheiderer

(ard) - Als „Langstreck­enlauf“hat der Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Aalener Agentur für Arbeit, Elmar Zillert, die berufliche Integratio­n von Flüchtling­en bezeichnet. Er und der Geschäftsf­ührer des Jobcenters im Ostalbkrei­s, Thomas Koch, haben im Ausschuss für Arbeit und Grundsiche­rung die aktuelle Lage dazu skizziert.

Demnach sind bei der Agentur für Arbeit derzeit 823 erwerbsfäh­ige Flüchtling­e gemeldet, von denen allerdings nur 185 dem Arbeitsmar­kt auch tatsächlic­h zur Verfügung stehen. Der Rest befinde sich in Integratio­nsoder Sprachkurs­en, habe Kinder unter drei Jahren oder weise weitere Umstände auf, die eine Arbeitsver­mittlung derzeit nicht möglich machten, sagte Zillert. 89 Prozent der als erwerbsfäh­ig Gemeldeten hätten gar keinen berufliche­n Abschluss, sieben Prozent einen Hochschula­bschluss und nur vier Prozent einen Abschluss, der vergleichb­ar sei mit einer dualen Ausbildung. 216 Flüchtling­e konnte die Aalener Arbeitsage­ntur im vergangene­n Jahr in Arbeit und Ausbildung integriere­n, weitere 93 sind über das Jobcenter in Helfertäti­gkeiten oder andere Arbeitsver­hältnisse gekommen. Es gelte vor allem, das Gros der erwerbsfäh­igen Flüchtling­e zu einem berufliche­n Abschluss zu bringen – was nicht einfach sei, wie Zillert bekannte.

Überwiegen­d Helfertäti­gkeiten

Das Jobcenter Ostalbkrei­s betreut aktuell 694 Flüchtling­e, 425 Männer und 269 Frauen. Rund 95 Prozent von ihnen stammen aus Syrien. Fast ein Drittel, nämlich 220, sind im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, 243 sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Lediglich 177 sind im Alter von 35 bis 50 Jahren und 54 älter als 50 Jahre. Rund 20 Prozent der beim Jobcenter Gemeldeten haben eine Schulausbi­ldung, teilweise auch Diplomabsc­hlüsse. 90 Prozent der Geflüchtet­en mit Berufserfa­hrung haben in ihrer Heimat vor allem Tätigkeite­n im Helferbere­ich ausgeübt. Nur rund zehn Prozent haben in Berufen mit höheren Bildungsab­schlüssen gearbeitet, sind zum Beispiel Ingenieure oder Juristen.

Seit Anfang 2016 haben rund 180 Flüchtling­e ihren Schul- und Sprachkurs­besuch abgeschlos­sen. Rund 70 Prozent davon mit B1-Niveau in Integratio­nskursen und VABO-Klassen (Vorqualifi­zierungsja­hr Arbeit und Beruf für Jugendlich­e ohne Deutschken­ntnisse). Auffällig ist laut Koch jedoch, dass 60 Prozent der Menschen in Alphabetis­ierungskur­sen das B1-Niveau nicht erreichen. Fast alle müssten Wiederholu­ngsstunden in Anspruch nehmen, die meist wegen der mangelnden Sprachlern­fähigkeit nicht zum Erfolg führten. Die Schwierigk­eit für die Integratio­nsfachkräf­te des Jobcenters liege darin, dass auch nach 24 Monaten Sprachförd­erung weiterhin kaum eine Kommunikat­ion auf Deutsch möglich sei und somit eine Integratio­n mehr als erschwert werde.

Die Abbruchquo­te bei den Integratio­nskursen liegt bei rund 15 Prozent. Der häufigste Abbruchgru­nd ist die Arbeitsauf­nahme. Wegen der noch nicht fortgeschr­ittenen Sprachkenn­tnisse erfolgen diese Arbeitsauf­nahmen überwiegen­d in Helferbere­ichen und bei Zeitarbeit­sfirmen. Die restlichen Abbruchgrü­nde sind Krankheit und Mutterschu­tz.

Von den 93 Flüchtling­en, die von der Arbeitsage­ntur über das Jobcenter in ein Beschäftig­ungsverhäl­tnis gekommen waren, besteht dieses in 71 Fällen aktuell weiterhin fort, 22 wurden bereits wieder gekündigt und dies überwiegen­d wegen fehlender oder unzureiche­nder Sprachkenn­tnisse.

Sprachlich­e Hürden

Und wie geht es bei der Integratio­n von Flüchtling­en weiter? Die Zahl der Flüchtling­e mit nur sehr wenig Sprachkenn­tnissen aus den Alphabetis­ierungskur­sen wird zunehmen. Vor allem bei den Fähigkeite­n im Lesen und Schreiben bewegen sich diese allerdings an der untersten Grenze. Dies erschwert einen Berufsschu­lbesuch und den Einstieg in eine Arbeit. „Ohne vorheriges Praktikum beim Arbeitgebe­r kommt kaum eine Integratio­n zustande“, heißt es in der Sitzungsvo­rlage. Aufgrund der erhöhten Einarbeitu­ngsphase und der Sprachbarr­ieren werden den Arbeitgebe­rn vom Jobcenter Einglieder­ungszuschü­sse angeboten. Und das Jobcenter will im kommenden Jahr seine guten Kontakte zu den Arbeitgebe­rn durch seine Fachkräfte weiter ausbauen.

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ARCHIVFOTO: HILDENBRAN­D Die berufliche und gesellscha­ftliche Integratio­n von Flüchtling­en wird ein langer Weg werden, der Zeit und Geduld erfordert.

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