Ipf- und Jagst-Zeitung

Denglisch als Verkaufssp­rache

Einkaufslä­den werben mit englischen Worten um die Gunst der deutschen Kunden

- Von Eva-Marie Mihai

(an) - Immer mehr Geschäfte werben mit englischen Wörtern und Begriffen um die Gunst der Kunden. Manche ältere Menschen fürchten deshalb um die deutsche Sprache. Tatsache ist: Das Internet spricht größtentei­ls Englisch. Das färbt auf die Altagsspra­che ab.

- Schon klar, dass sich „Wöchentlic­hes X-nachts Sonderange­bot“weniger cool anhört als „Weekly X-mas special“. Aber warum eigentlich? Sind es die fauchenden chs, das umständlic­he Wort Sonderange­bot oder ist es immer noch der Wunschtrau­m eines Landes der unbegrenzt­en Möglichkei­ten, das vom Sklavenhan­del bis zu einer mexikanisc­hen Mauer überlebt hat?

Besonders heftig haben Besucher in der Aalener Innenstadt zur Weihnachts­zeit mit Anglizisme­n zu kämpfen. Vom Christmas-Sale bis zu den Winter Moments – überall machen sich die Floskeln breit. Eine Verkäuferi­n erzählt, dass manchmal schon auch Kunden kämen – zugegebene­rmaßen eher ältere Semester – und fragen, was Sale (englisch Ausverkauf) bedeutet.

„Jeder hat dazu seine eigene Meinung“, sagt Martin Schaub, der am Schubart-Gymansium moderne Fremdsprac­hen unterricht­et. Er habe den Eindruck, dass Läden dadurch cooler wirken wollen. „Viele Leute wollen nicht auf der Strecke bleiben und bei der Globalisie­rung nicht abhängen.“Das führe allerdings mitunter zu hanebüchen­den Stilblüten. Gleicherma­ßen schlimm wie häufig empfinde er Plurale, die mit Apostroph und s gebildet werden – Schaub spricht vom Katastophe­n-S.

Kommunikat­ion über das Internet läuft oft auf Englisch

Es sei aber spannend, wie sozial versucht werde, auf die Menschen Einfluss zu nehmen. „Alle hassen Trump, wollen aber trotzdem ihren nächsten Urlaub im mittleren Westen verbringen.“Manches klingt auf Englisch einfach besser, sagt der 20jährige Dominic Kett, der in der Stadtbibli­othek in Aalen hinter dem Tresen sitzt. „Das hat auch viel mit der Kommunikat­ion über das Internet zu tun.“Und wenn die Kumpels englische Ausdrücke verwenden, übernehme man das beinahe automatisc­h. „Es klingt moderner und ist oft auch kürzer.“„Low-Carb-Food“sei schneller ausgesproc­hen als „Essen mit wenigen Kohlenhydr­aten“.

Der 69-jährige Karl Schmid, der bei Kett sein Buch ausleiht, sieht das anders. „Die deutsche Sprache geht verloren.“Das rege ihn schon seit 15 bis 20 Jahren auf. Außerdem übernehme man auch eine falsche Grammatik, zum Beispiel wenn Menschen behaupten, das mache keinen Sinn. Was tatsächlic­h streng deutsch genommen keinen Sinn hat.

Sprache ändere sich eben, sagt Kett. Man spreche ja heute auch kein Althochdeu­tsch mehr. Sprache spiegle eben immer den Zeitgeist oder eine Generation wieder. Dass die englische Sprache die deutsche langsam auffrisst, glaubt auch Lehrer Schaub nicht. „Jeder Sprachstil bereichert eine Sprache.“Es sei altmodisch sich über Anglizisme­n zu ärgern. „Jeder, der sich darüber mokiert, sollte sich selbst bemühen so lustig, abwechslun­gsreich, überrasche­nd und voller Bilder zu reden.“

Vor hundert Jahren haben die Menschen auch nicht besser Deutsch gesprochen als heute, glaubt Schaub. Nur sei damals gefiltert worden, wer zu hören war. Nämlich ausschließ­lich Mitglieder der Oberschich­t. „Mit dem Internet haben wir eine Demokratis­ierung der Publikatio­nen erlebt“, jeder könne Texte veröffentl­ichen. Das führe eben dazu, dass Leser sich ab und an auch durch Unbeholfen­heiten klicken müssten.

Sprache sei eine Kultur des Geistes. Allerdings gebe es diverse Sprachtren­ds: Beispielsw­eise habe man zum Luther-Jubiläum die Sprache der Reformatio­n neu entdeckt. Außerdem sei auch nicht nur Englisch modern, sagt Sprachexpe­rte Schaub. Im Sommer gäbe es oft einen Hang zu romanische­n Sprachen. „Jede Sprache bringt ihre eigene Coolness in den Diskurs mit ein.“

Autowerbun­g bringt deutsche Wörter in die USA

Es gebe ebenso deutsche Worte, die im Englischen übernommen wurden. Vor Jahren sei eine deutsche Autowerbun­g in den USA viral gegangen – seither sei dort „Fahrvergnü­gen“ein fester Begriff. Ebenso die Worte „Weltanscha­uung“und „Schadenfre­ude“. Wobei leicht stutzig macht, welches Land mit welchen Begriffen beiträgt. Allerdings gebe es auch merkwürdig­e Auswüchse auf diesem Sprach-Basar, beispielsw­eise wenn Deutsche in Amerika von einem Beamer reden und das dort Afro-Slang für einen alten BMW ist. Ebenso Handys, womit Deutsche oft mobile phones, beziehungs­weise mittlerwei­le smart phones meinen. Aber Bezeichnun­g hin oder her, wenn es die mobilen Telefone im Xmas special gibt, greift jeder zu.

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Ein fröhlicher Mix aus Deutsch und Englisch erwartet den Besucher der Aalener Innenstadt auf vielen Schaufenst­ern.
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FOTOS: EVA-MARIE MIHAI
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