Hohe Auflagen machen das Bauen teuer
Wärmedämmverordnung macht aus einem kleinen Projekt schnell ein großes.
- Altbauten zu sanieren, ist ökologisch und nachhaltig. Es spart Material und gute Bausubstanz wird erhalten. Allerdings gibt es einen gewaltigen Haken. Wird bei einem Umbau in ein altes Gebäude eingegriffen, gelten ab sofort alle Regeln bei Brandschutz und anderen Verordnungen, die seit dem Bau dazukamen. Und dann wird’s teuer. Was auch die Stadt Ellwangen zu spüren bekommt.
Ein Beispiel sind die Schulsanierungen. Wie die Kastellschule in Pfahlheim. Da war das Dach undicht. Jetzt wird die Schule generalsaniert. Denn durch den Eingriff in das Gebäude gelten die neuen Brandschutzvorschriften. Da genügt das alte, offene Treppenhaus nicht mehr. Ein zweiter Rettungsweg wird auch gefordert. „Früher hat es gereicht, dass die Feuerwehr eine Leiter anlegen konnte“, sagt Bürgermeister Volker Grab. Heute ist das zu wenig.
Fluchtwege sind auch so ein Thema. Das sind klassischerweise die Flure. Nur liegen oft in den Decken Kabel. Die sind da zwar schon immer. Seither ist auch nichts passiert. Aber das zählt nicht mehr. Jetzt müssen die Kabel entweder verlegt oder mit Materialien abgeschottet werden, die einem Brand eine bestimmte Zeit lang stand halten. Hohe Anforderungen gelten auch für Fenster und Türen. Für Jochen Widdermann vom Stadtbauamt hat das teils groteske Folgen. Denn die Brandschutztüren sind so schwer, dass Grundschüler sie gar nicht aufbekommen.
Trinkwasser und Wärmedämmung
Nicht nur die Brandschutzauflagen treiben die Kosten nach oben. Wenn – wie im Hariolf-Gymnasium – die Fachräume saniert werden sollen, wird auch das eine oder andere Waschbecken abmontiert. Solche toten Leitungen sind aber nach der Trinkwasserverordnung eine mögliche Gefahrenquelle für Legionellen, sagt Widdermann. Also muss dieser Teil der Wasserleitung still gelegt werden. Das heißt, irgendwo wird eine Wand aufgestemmt, um an die Stelle zu kommen, wo die Leitung von der Hauptleitung abzweigt. Auch die Wärmedämmverordnung macht das Umbauen nicht billiger.
Was die ganzen Auflagen die Stadt kosten, lässt sich nicht wirklich berechnen, sagt Widdermann. Meist sind die Eingriffe wegen der neuen Verordnungen so hoch, dass man dann gleich eine Generalsanierung machen kann. Das nächste spannende Projekt in dieser Richtung dürfte die Sanierung der rund 200 Jahre alten Musikschule werden.
Manchmal geht’s auch wie in Schrezheim. Dort wird der neue Bewegungsraum nicht an den Kindergarten angebaut, sondern separat erstellt. So wird nicht in den Altbau eingegriffen.
Bürgermeister Volker Grab ärgert sich, dass beim Brandschutz nichts zu teuer ist, die Toiletten aber ruhig noch aus der Bauzeit sein dürfen. Rettungswegebeschilderung, Sicherheitsbeleuchtung, Brandmeldeanlage, das alles kostet Geld. Ganz dramatisch ist es, wenn der Alarm noch bei der Feuerwehr aufgeschaltet ist, dann folgen hohe Wartungskosten. Fehlalarme belasten die Feuerwehrleute und die Stadtkasse.
Sprinkleranlagen, Rauchgasklappen, Feuerwehrübungen, Grab fragt sich, ob der Aufwand noch im Verhältnis zum möglichen Schaden steht. Beispiel Schule: Nachts stehen die Gebäude leer, tagsüber sind so viele geschulte Leute da, dass ein Feuer schnell bemerkt wird und das Gebäude schnell geräumt ist.
Die Stadt Ellwangen ist nicht die einzige, die an der Sinnhaftigkeit der hohen Auflagen zweifelt. Ein Gemeinderat von Bitburg hat seinen Zorn in eine Petition gefasst, die der dortige Gemeinderat auch verabschiedet hat. Für Jürgen Weiler gehen die Brandschutzbestimmungen völlig an den tatsächlichen Gefährdungspotenzialen vorbei. In den vergangenen 50 Jahren sei es zu keinem Brand in öffentlichen Gebäuden im Kreis Bitburg-Prüm gekommen. Trotzdem muss auch hier hochgerüstet werden. Er fordert, dass alle Brandschutzbestimmungen noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden.
Die Gefahr, in Deutschland durch Rauch und Feuer zu sterben, sei im Vergleich zu anderen Risiken äußerst gering, schreibt die „Frankfurter Allgemeine“. 343 Menschen seien seit 2015 bei Bränden zu Tode gekommen. Die Zahl stagniere seit einigen Jahren, ebenso wie die Zahl der Brände. Im Straßenverkehr gebe es zehnmal so viele Todesopfer. An den steigenden Auflagen ändert das nichts: Laut „Frankfurter Allgemeine“sind allein die Ausgaben für Brandmeldeanlagen in den vergangenen Jahren auf mehr als eine Milliarde Euro gestiegen.
Die Spirale nach oben dreht sich seit dem Flughafenbrand in Düsseldorf 1996. Damals kamen 17 Menschen ums Leben. Ein Ende ist nicht absehbar, fürchtet Widdermann. Inzwischen sind die Verordnungen so kompliziert, dass die Stadt externe Brandschutzgutachter einsetzt. Irgendwann, fürchtet Widdermann, könne man sich das nicht mehr leisten. Dann sei das Stadtbauamt nur noch mit sicherheitsrelevanten Dingen beschäftigt. Volker Grab hofft auf die Politik. „Als einzelner kann man nichts machen, da muss etwas auf gesetzlicher Ebene passieren.“