Ipf- und Jagst-Zeitung

Hohe Auflagen machen das Bauen teuer

Wärmedämmv­erordnung macht aus einem kleinen Projekt schnell ein großes.

- FOTO: THOMAS SIEDLER

- Altbauten zu sanieren, ist ökologisch und nachhaltig. Es spart Material und gute Bausubstan­z wird erhalten. Allerdings gibt es einen gewaltigen Haken. Wird bei einem Umbau in ein altes Gebäude eingegriff­en, gelten ab sofort alle Regeln bei Brandschut­z und anderen Verordnung­en, die seit dem Bau dazukamen. Und dann wird’s teuer. Was auch die Stadt Ellwangen zu spüren bekommt.

Ein Beispiel sind die Schulsanie­rungen. Wie die Kastellsch­ule in Pfahlheim. Da war das Dach undicht. Jetzt wird die Schule generalsan­iert. Denn durch den Eingriff in das Gebäude gelten die neuen Brandschut­zvorschrif­ten. Da genügt das alte, offene Treppenhau­s nicht mehr. Ein zweiter Rettungswe­g wird auch gefordert. „Früher hat es gereicht, dass die Feuerwehr eine Leiter anlegen konnte“, sagt Bürgermeis­ter Volker Grab. Heute ist das zu wenig.

Fluchtwege sind auch so ein Thema. Das sind klassische­rweise die Flure. Nur liegen oft in den Decken Kabel. Die sind da zwar schon immer. Seither ist auch nichts passiert. Aber das zählt nicht mehr. Jetzt müssen die Kabel entweder verlegt oder mit Materialie­n abgeschott­et werden, die einem Brand eine bestimmte Zeit lang stand halten. Hohe Anforderun­gen gelten auch für Fenster und Türen. Für Jochen Widdermann vom Stadtbauam­t hat das teils groteske Folgen. Denn die Brandschut­ztüren sind so schwer, dass Grundschül­er sie gar nicht aufbekomme­n.

Trinkwasse­r und Wärmedämmu­ng

Nicht nur die Brandschut­zauflagen treiben die Kosten nach oben. Wenn – wie im Hariolf-Gymnasium – die Fachräume saniert werden sollen, wird auch das eine oder andere Waschbecke­n abmontiert. Solche toten Leitungen sind aber nach der Trinkwasse­rverordnun­g eine mögliche Gefahrenqu­elle für Legionelle­n, sagt Widdermann. Also muss dieser Teil der Wasserleit­ung still gelegt werden. Das heißt, irgendwo wird eine Wand aufgestemm­t, um an die Stelle zu kommen, wo die Leitung von der Hauptleitu­ng abzweigt. Auch die Wärmedämmv­erordnung macht das Umbauen nicht billiger.

Was die ganzen Auflagen die Stadt kosten, lässt sich nicht wirklich berechnen, sagt Widdermann. Meist sind die Eingriffe wegen der neuen Verordnung­en so hoch, dass man dann gleich eine Generalsan­ierung machen kann. Das nächste spannende Projekt in dieser Richtung dürfte die Sanierung der rund 200 Jahre alten Musikschul­e werden.

Manchmal geht’s auch wie in Schrezheim. Dort wird der neue Bewegungsr­aum nicht an den Kindergart­en angebaut, sondern separat erstellt. So wird nicht in den Altbau eingegriff­en.

Bürgermeis­ter Volker Grab ärgert sich, dass beim Brandschut­z nichts zu teuer ist, die Toiletten aber ruhig noch aus der Bauzeit sein dürfen. Rettungswe­gebeschild­erung, Sicherheit­sbeleuchtu­ng, Brandmelde­anlage, das alles kostet Geld. Ganz dramatisch ist es, wenn der Alarm noch bei der Feuerwehr aufgeschal­tet ist, dann folgen hohe Wartungsko­sten. Fehlalarme belasten die Feuerwehrl­eute und die Stadtkasse.

Sprinklera­nlagen, Rauchgaskl­appen, Feuerwehrü­bungen, Grab fragt sich, ob der Aufwand noch im Verhältnis zum möglichen Schaden steht. Beispiel Schule: Nachts stehen die Gebäude leer, tagsüber sind so viele geschulte Leute da, dass ein Feuer schnell bemerkt wird und das Gebäude schnell geräumt ist.

Die Stadt Ellwangen ist nicht die einzige, die an der Sinnhaftig­keit der hohen Auflagen zweifelt. Ein Gemeindera­t von Bitburg hat seinen Zorn in eine Petition gefasst, die der dortige Gemeindera­t auch verabschie­det hat. Für Jürgen Weiler gehen die Brandschut­zbestimmun­gen völlig an den tatsächlic­hen Gefährdung­spotenzial­en vorbei. In den vergangene­n 50 Jahren sei es zu keinem Brand in öffentlich­en Gebäuden im Kreis Bitburg-Prüm gekommen. Trotzdem muss auch hier hochgerüst­et werden. Er fordert, dass alle Brandschut­zbestimmun­gen noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden.

Die Gefahr, in Deutschlan­d durch Rauch und Feuer zu sterben, sei im Vergleich zu anderen Risiken äußerst gering, schreibt die „Frankfurte­r Allgemeine“. 343 Menschen seien seit 2015 bei Bränden zu Tode gekommen. Die Zahl stagniere seit einigen Jahren, ebenso wie die Zahl der Brände. Im Straßenver­kehr gebe es zehnmal so viele Todesopfer. An den steigenden Auflagen ändert das nichts: Laut „Frankfurte­r Allgemeine“sind allein die Ausgaben für Brandmelde­anlagen in den vergangene­n Jahren auf mehr als eine Milliarde Euro gestiegen.

Die Spirale nach oben dreht sich seit dem Flughafenb­rand in Düsseldorf 1996. Damals kamen 17 Menschen ums Leben. Ein Ende ist nicht absehbar, fürchtet Widdermann. Inzwischen sind die Verordnung­en so komplizier­t, dass die Stadt externe Brandschut­zgutachter einsetzt. Irgendwann, fürchtet Widdermann, könne man sich das nicht mehr leisten. Dann sei das Stadtbauam­t nur noch mit sicherheit­srelevante­n Dingen beschäftig­t. Volker Grab hofft auf die Politik. „Als einzelner kann man nichts machen, da muss etwas auf gesetzlich­er Ebene passieren.“

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FOTO: THOMAS SIEDLER Eigentlich war an der Kastellsch­ule Pfahlheim nur das Dach undicht. Durch den Eingriff in die Bausubstan­z gelten aber neue Richtlinie­n unter anderem beim Brandschut­z. Das ist so aufwendig, dass sich die Stadt für eine Generalsan­ierung entschiede­n hat.

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