Märchen ohne Moralkeule
Jake Kasdans „Jumanji: Willkommen im Dschungel“ist der perfekte Weihnachtsfilm
- „Jumanji: Willkommen im Dschungel“ist keine unmittelbare Fortsetzung von „Jumanji“aus dem Jahr 1995. Seinerzeit erzählte das Fantasy-Abenteuer, wie ein lebensgefährliches Spiel in die Wirklichkeit eingreift. Diese Grundidee überträgt Regisseur Jake Kasdan in die Gegenwart. Spielten damals Robin Williams und Kirsten Dunst die Hauptrollen, sind es nun Ex-Wrestler Dwayne „The Rock“Johnson und Karen Gillan.
Wer zwei Minuten zu spät ins Kino kommt, könnte sich in eine Highschool-Komödie versetzt fühlen: Aus der Perspektive eines liebenswerten Außenseiters namens Spencer lernt man eine Handvoll Kids in einer typischen amerikanischen Vorstadtschule kennen: die Sportskanone Fridge, die selbstsüchtige Prinzessin Bethany und die humorlose Streberin Martha. Die vier haben eigentlich nichts gemeinsam, bis sie eines Tages vom Schuldirektor zusammen zum Nachsitzen verdonnert werden. In einem Keller der Schule, den sie aufräumen sollen, entdecken sie ein zwanzig Jahre altes Video-Game namens „Jumanji“.
Wer nicht zu spät im Kino saß, hatte da schon gesehen, wie ein Jogger den Koffer mit dem Spiel an einem Strand findet, mit nach Hause nimmt und seinem Sohn gibt. Das Spiel entpuppt sich als lebensgefährlich und „verschluckt“den Teenager. Genau das passiert jetzt auch den vier Nachsitzern, nachdem Spencer „Jumanji“zum Laufen bringt. Sekunden später werden sie ins Videospiel hineingesogen.
Fantastisches Dschungelcamp
Dort stecken sie in Körpern von vier Game-Charakteren, die ihr jeweiliges Gegenteil darstellen: Spencer ist zum muskulösen Abenteurer Dr. Bravestone mutiert, den Dwayne „The Rock“Johnson verkörpert, das Sportass Fridge zu einem teigigen Zoologen (Kevin Hart), die unsportliche Martha zur blendend aussehenden Kampfsportlerin Ruby Roundhouse (Karen Gillan) und das It-Girl Bethany in einer besonderen Pointe zum männlichen (!) Kartografen Shelly Oberon (Jack Black).
Bei „Jumanji“handelt es sich um eine tropische Dschungelwelt, deren prachtvolle Naturkulissen von menschenfressenden Nashörnern, schwarzen Mambas und anderem unangenehmen Getier bevölkert sind. Doch auch manche menschlichen Bewohner trachten nach dem Leben des Quartetts. Um wieder in die reale Welt zurückzukehren, müssen die vier einen Edelstein finden. Auf dem Weg liegen, verschiedenen Spiellevels gemäß, alle möglichen Herausforderungen.
So weit, so phantastisch: „Jumanji“ist ein Abenteuer-Märchen, das es nicht auf tiefere Bedeutung anlegt und die Pseudo-Mythologien anderer Kinofantasy noch nicht einmal andeutet. Es geht um eine Achterbahnfahrt der Sinne, um kurzweilige Spannung. In alldem erinnert „Jumanji“an klassisches, fast schon vergessenes Hollywood-Kino im Stil von „The Most Dangerous Game“von Ernest B. Schoedsack und Merian C. Cooper aus dem Jahr 1932. Aber auch an Steven Spielbergs „Indiana Jones“-Trilogie und Robert Zemeckis „Auf der Jagt nach dem grünen Diamanten“kann man denken.
Man könnte den Plot dafür kritisieren, dass hier vorgeführt wird, wie Jugendliche im kürzester Zeit erwachsen werden sollen, wie sie lernen, ein darwinistisches Szenario vom Überleben des Stärkeren unhinterfragt zu akzeptieren. Hier ist der Film neoliberaler Zeitgeist pur. Aber man sollte auch nicht ignorieren, dass sich der Film auf die Seite von Gemeinschaftswerten schlägt. Und in all seiner Oberflächlichkeit tritt er für den Abschied aus virtuellen Scheinwelten ein.
„Jumanji“hat durchaus Charme, denn er nimmt sich niemals zu ernst. Hinzu kommt der Kontrast zwischen den pubertierenden Gemütern der Jugendlichen mit den neuen Erwachsenenkörpern, in denen sie stecken. In subtiler, nie geschmackloser Form spielt der Film mit gegenwärtigen perfektionistischen Körperbildern und Ideen wie Selbstoptimierung.
Regisseur Jake Kasdan gelingt altmodisches Unterhaltungskino im guten Sinne: Eskapismus ohne Moralismus, Märchenhaftigkeit ohne politische Korrektheit, Jahrmarktskino im Wissen darum, dass auch das schönste Vergnügen wie alles einmal vorbei ist. Also der perfekte Weihnachtsfilm! Jumanji: Willkommen im Dschungel. Regie: Jake Kasdan. Mit Dwayne Johnson, Jack Black, Kevin Hart, Karen Gillian. 120 Min. USA 2017. FSK ab 12.