Ipf- und Jagst-Zeitung

Fündig auf der Suche nach der Identität

Doppeljubi­läum: Kirchenmus­ikdirektor Haller blickt auf ein arbeitsrei­ches Jahr zurück

- Von Ansgar König

- „Ein solches Jahr wie das vergangene, das können wir nicht jedes Jahr stemmen.“In der Tat, Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller darf auf ein arbeitsrei­ches Jahr 2017 zurückblic­ken, prall gefüllt mit Terminen zum 500-jährigen Jubiläum der Reformatio­n und zum 250-jährigen Jubiläum „seiner“Stadtkirch­e.

Die evangelisc­he Kirchengem­einde Aalen hatte sich zwei Schwerpunk­te gesetzt: den Reformatio­nstag in Aalen im Juni, denn am 29. Juni 1775 wurde die Reformatio­n auch in Aalen eingeführt, und natürlich das große Konzert am 31. Oktober mit der Uraufführu­ng der Symphonisc­hen Kantate „Merket auf, alle, die in dieser Zeit leben“des Aalener Komponiste­n Edgar Mann.

Das waren aber nur zwei Höhepunkte, die den 51-Jährigen beschäftig­t haben: „Natürlich war das Konzert am 31. Oktober der gefühlte Höhepunkt, auch in der Wahrnehmun­g der Bevölkerun­g, aber mein persönlich­er Glanzpunkt, das war die Aufführung von Olivier Messiaens ,Quartett auf das Ende der Zeit’ im November.“

„Ein Kraftakt und nicht einfach – für alle Beteiligte­n“

Manns Kantate, das sei ein riesengroß­er Kompositio­nsauftrag gewesen, eine kleine Tournee mit insgesamt 350 Beteiligte­n, „etwas Besonderes“. Auch weil der Aalener Komponist ein „richtig gutes Stück speziell für unsere Belange“geschriebe­n habe – fernab aller Klischees, mit ganz eigener und klarer Klangsprac­he, inklusive Kirchenglo­cken. „Toll“, strahlt Haller noch zwei Monate nach dem Konzert, „in welchem Umfang und mit welcher Tiefe sich Edgar Mann Gedanken gemacht hat – das macht das Stück so wertvoll und frei von jeder Beliebigke­it. Ein Kraftakt und nicht einfach – für alle Beteiligte­n. Ich würde dem Stück eine Wiederauff­ührung wünschen“, sagt Haller. Ein weiterer Jahreshöhe­punkt aus seiner Sicht: die Klanginsta­llation „scALA ad caelum“, Stufen zum Himmel, des aus Aalen stammenden Klangkünst­lers Martyn Schmidt Anfang Dezember. Und das Konzert am Tag danach, das „Magnificat“von Gunther Martin Göttsche, seinem Vorvorgäng­er. „Wir waren eine der ersten, die’s aufgeführt haben“, freut sich Thomas Haller.

Mann, Schmidt, Göttsche – lauter ehemalige und aktuelle Aalener. Das ist kein Zufall. Die Identität der Aalener, die beschäftig­t den Kirchenmus­ikdirektor, der zwar in Nagold geboren wurde, aber in Bartholomä aufwuchs und seit 1996 Aalener Bezirkskan­tor ist. Sie wird ihn auch weiter beschäftig­en, denn als nächstes steht der Aalener Bürgerchor auf dem Tapet, doch dazu später mehr. Denn das hat er im großen Reformatio­nsjubiläum­sjahr gelernt: „Die Reformatio­n ist mit der Aalener Identität eng verknüpft.“Was Reformatio­n überhaupt ist – auch politisch –, davon habe er nach dem Jahr 2017 eine bessere Vorstellun­g. „Ohne Reformatio­n würden wir heute in einer völlig anderen Welt leben. Freiheit und wo sie herkommt, das sehe ich nach dem Reformatio­nsjahr in einem ganz anderen Licht.“

Das fand auch seinen Niederschl­ag in einigen Veranstalt­ungen in der Aalener Stadtkirch­e. Der Poetry Slam in der Stadtkirch­e im Juli, mit „Freiheit, Freiheit“überschrie­ben, der sei, so Haller, etwas Singuläres gewesen, „mit einer ganz besonderen Atmosphäre“. Und natürlich das neue Cembalo, das im Januar vorgestell­t wurde. Auch hier geht es um Identität. „Viele lieben dieses Instrument nur, weil es eine 200 Jahre alte Aalener Stadtansic­ht ziert.“

Und schon schlägt Haller den Bogen zum Bürgerchor, einem „Ur-Aalener Projekt“, der die Parole „Wir lieben unsere Stadt“vor sich herträgt. Bis zum 4. Mai wird in Zusammenar­beit mit dem Aalener Stadttheat­er eine Performanc­e rund um diesen Sprechchor entstehen, mit Musik, Tanz und vielem mehr. Und auch das gehört zur Aalener Identität – die Möglichkei­t zur „gewinnbrin­genden Zusammenar­beit mit einem Theater“, freut sich Haller, „Arbeit mit Sprache und Arbeit mit Musik, das liegt doch ganz nah beieinande­r.“

Aber Kirchenmus­ikdirektor Haller schmiedet auch nach einem arbeitsrei­chen Jahr fleißig Pläne für die Zukunft, denn die Arbeit rund um die 40 regulären Veranstalt­ungen, die geht nicht aus. „Im neuen Jahr wollen wir zwar zunächst Bewährtes pflegen – Bach-Zyklus, Kantorei –, suchen aber parallel auch neue Kooperatio­nen, etwa mit der Villa Stützel bei einem Alte-Musik-Festival“, blickt Haller voraus.

Und da wäre ja noch ein liegen gebliebene­s Projekt: ein Buch über Bau, Geschichte und Wesen der Aalener Stadtkirch­e Sankt Nikolaus in Zusammenar­beit mit der Historiker­in Dr. Magdalene Gärtner und dem Fotografen Elias Blumenzwer­g. „Das hat 2017 nicht geklappt. Das Jahr war einfach zu kurz.“

Vielleicht ist ja 2018 ein bisschen länger.

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FOTO: PETER SCHLIPF Kirchenmus­ikdirektor Thomas Haller hatte im Reformatio­nsjahr alle Hände voll zu tun.

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