48 Stunden
Zwei Tage lang dürfen Feuerwerkskörper ganz legal gezündet werden. Die Bilanz: Verletzungen, Müll, Sachbeschädigungen, Brände – mehr als im Jahr zuvor.
- Lauter und länger ist der Jahreswechsel heuer über die Bühne gegangen. Deshalb aber für manchen nicht lustiger oder launiger. Genervte Anwohner, gestresste Vier- und Zweibeiner, jede Menge Verletzungen durch Böller, brennende Container und sogar ein Großbrand in Schwäbisch Gmünd überschatteten die Silvesternacht. Der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Aalen, Matthias Wagner, spricht von einem heftigen Start in das neue Jahr, bei dem Feuerwehr und DRK im Ostalbkreis mehr Einsätze bewältigen mussten als im Jahr zuvor.
Die Meinung vieler Bürger, dass der Jahreswechsel heuer deutlich extremer war, teilt Matthias Wagner. Nicht nur aus seiner subjektiven Einschätzung heraus, sondern auch mit Blick auf die Zahl der Einsätze, die die Rettungskräfte in der Nacht vom 31. Dezember, ab 20 Uhr, auf den 1. Januar bis 4 Uhr morgens im Ostalbkreis bewältigen mussten. Rückte die Feuerwehr beim Jahreswechsel 2016/ 2017 zwölf Mal aus, wurden die Wehrmänner nun zu 22 Einsätzen gerufen, was einer Steigerung von 83 Prozent entspricht. Nicht besser sah es für die Notfallrettung aus, sagt Wagner. Mitarbeiter des DRK, der Samariter und der Johanniter wurden kreisweit zu 59 Einsätzen gerufen. Im vergangenen Jahr seien es 44 gewesen. Die Blessuren reichten von Augenverletzungen sowie Verletzungen an Händen und Beinen, angesengten Haaren und verwundeter Kopfhaut bis hin zu Knalltraumata, sagt Wagner. Dementsprechend viel hatten auch die Mitarbeiter in der Notfallaufnahme des Aalener Ostalb-Klinikums zu tun. „Im Vergleich zum vergangenen Jahr mussten wir hier mehr Patienten versorgen“, sagt der Chefarzt Stefan Kühner. Wetter verlängert die Knallerei bis in die frühen Morgenstunden Die gestiegene Zahl an Einsätzen führt Wagner unter anderem darauf zurück, dass heuer aufgrund des Wetters weitaus länger auf den Straßen geknallt wurde und damit einhergehend das Risiko gestiegen sei, dass etwas passiert. „Die Silvesternacht war klar, die Temperaturen gar frühlingshaft.“Dadurch hätten sich viele länger im Freien aufgehalten und bis in die frühen Morgenstunden geballert.
Ganz zum Leidwesen vieler Bürger. Etliche Bewohner in der Aalener Innenstadt standen beim Jahreswechsel noch um 4 Uhr morgens senkrecht im Bett. An Schlaf war nicht zu denken, sagt eine Anwohnern in der Bischof-Fischer-Straße, für die die Toleranz gegenüber der Knallerei spätestens um 4.30 Uhr an Neujahr ein Ende gehabt habe. Der Geduldsfaden sei ihr dann allerdings gerissen, als an Neujahr noch bis 22.30 Uhr geballert wurde. „Das muss nicht sein“, sagt sie. Einen Anruf bei der Polizei habe sie sich allerdings verkniffen.
Einen solchen hätte sie allerdings tätigen können, sagt der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen,
Bernhard Kohn. Denn obwohl es vom 31. Dezember bis 1. Januar nicht verboten sei, zu knallen, würden dadurch nicht andere Gesetze außer Kraft gesetzt. Kohn denkt dabei nicht nur an Straftaten wie Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen, die durch Feuerwerkwerkskörper entstehen können, sondern auch an die Ruhestörung durch die immer lauter werdenden Böller. „Dass das ganzjährige Verbot, vom 2. Januar bis 30. Dezember Feuerwerkskörper anzuzünden, an 48 Stunden im Jahr ausgesetzt wird, heißt nicht, dass ich mich in einem rechtsfreien Raum befinde, und den ganzen Tag und die halbe Nacht andere über Gebühr belästigen darf. Wer sich dadurch gestört fühlt, soll sich melden und Anzeige erstatten“, sagt Kohn.
Gar kein Verständnis hat Kohn für Menschen, die den Jahreswechsel dazu nutzen, um anderen Schaden zuzufügen. In dem Irrglauben, das sei auch noch legal. Wer Dinge bewusst kaputt macht oder Menschen in Gefahr bringt, müsse mit Konsequenzen rechen. Aufräumen möchte Kohn auch mit der weit verbreiteten Meinung, dass die Böllerreste im Keller am nächsten runden Geburtstag einfach so abgefeuert werden dürfen. Das sei nur mit einer Genehmigung vonseiten der Ortspolizeibehörde erlaubt. Die Knallerei an Silvester zu verbieten, sei per Gesetz nicht durchsetzbar und würde noch zu Schlimmeren führen, sagt Kohn. Denn diejenigen, die sich dann durch das Verbot gegängelt fühlen, würden sich andere, illegale Wege suchen, um ihren Willen durchzusetzen.
Massiv verärgert waren auch Hundebesitzer über die sinnlose Ballerei in der Silvesternacht, die heuer unerträglicher gewesen sei als die Jahre zuvor. Auf Facebook wurden jede Menge verlorene Vierbeiner gemeldet. Auch im für den Ostalbkreis zuständigen Tierheim Dreherhof wurde ein Labrador abgegeben, der wegen der Knallerei ausgebüxt ist, sagt der Tierheimleiter
Hans Wagner. „Darüber hinaus haben sich auch Besitzer bei uns gemeldet, die ihre Vierbeiner vermissen.“Jeder Hund, der zum Jahreswechsel taub ist, könne sich glücklich schätzen, sagt Wagner, der weiß, welchen Stress diese mit der Böllerei haben.
Stress hatten am Neujahrstag und am 2. Januar auch die Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt Aalen, die die Reste der Silvesternacht beseitigt haben. Unterstützt wurden sie von Mitglieder der islamischen Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat, die am 1. Januar die Innenstadt von Müll befreiten. Besonders schlimm habe es an den Limes-Thermen ausgesehen sowie an der Stadthalle, am Gmünder Torplatz sowie am ZOB, sagt Georg
Fürst, Leiter des städtischen Bauhofs. In den Aalener Stadtbezirken seien vor allem der Dorfplatz in Unterkochen sowie der Karlsplatz in Wasseralfingen Brennpunkte gewesen.
Die zunehmende Mentalität, die Rückstände von Böllern und sonstigen Feuerwerkskörpern einfach auf der Straße liegen zu lassen, ärgert
Harry Irtenkauf, den Leiter des Ellwanger Ordnungsamts. Darunter fallen zum Beispiel die Sektflaschen, die als Startrampen für Silvesterraketen benutzt werden, oder auch die Rückstände von Feuerwerksbatterien, die es seit einigen Jahren fertig zu kaufen gibt. Früher hätten Privatleute den Jahreswechsel mit ein paar Silvesterraketen und vielleicht einer Handvoll Knallfröschen begrüßt. „Heute sind das ganze Pakete“, sagt Irtenkauf. „Das stellt schon ein ganz anderes Quantum dar.“Wegwerfmentalität hat zugenommen Solche Batterien sind auch Alexander Renschler, dem Werkleiter des Ellwanger Baubetriebshofs, ein Dorn im Auge. Im Gegensatz zu einzelnen ausgebrannten Feuerwerksraketen ließen sich diese herumliegenden Blöcke nicht einfach zusammentreten und könnten etwa für Fahrradfahrer zu einem Hindernis werden. Wie Irtenkauf beklagt Renschler eine zunehmende Wegwerfmentalität, auch bei Feuerwerkskörpern. „Es hat schon viel herumgelegen“, bilanziert der Leiter des Baubetriebshofs den Müll, der am Neujahrsmorgen zu entsorgen war. Insgesamt waren fünf Mitarbeiter des Bauhofs am Neujahrstag von sechs Uhr morgens bis elf Uhr vormittags unterwegs, um die Hinterlassenschaften in der Ellwanger Kernstadt, in Rotenbach und Schrezheim zu beseitigen. Sachbeschädigungen in der Silvesternacht Im Gegensatz zu früheren Jahren hatten sich die Brennpunkte der Silvesterknallerei allerdings verlagert. Diese befanden sich in erster Linie auf den Parkplätzen, etwa am Berufsschulzentrum, am Peutinger-Gymnasium, an der Parkpalette, unterhalb des Schönenbergs und an Bushaltestellen. In der Innenstadt sei dagegen weniger los gewesen. Die Lage am Fuchseck bezeichnet Renschler als „relativ gut“.
Darüber hinaus berichten Renschler und Irtenkauf von einigen Sachbeschädigungen, zu denen es in der Neujahrsnacht gekommen sei. Der Leiter des Baubetriebshofs sprach von einigen umgedrückten Verkehrszeichen. Irtenkauf appellierte an die Bürger, es dem Ordnungsamt mitzuteilen, wenn sie solche Vorgänge mitbekommen.
„Die Knallerei an Silvester zu verbieten, ist per Gesetz nicht durchsetzbar“, sagt Bernhard Kohn.