Ipf- und Jagst-Zeitung

Landwirte werden zu Datenjongl­euren

Vernetzte Systeme werden zusehends wichtiger in der Landwirtsc­haft.

- Von Anna Kratky

- Vernetzte Systeme und Daten werden in der Landwirtsc­haft immer wichtiger – auch in Ellwangen. Deutlich wird das am Betrieb von Josef Wohlfrom aus Pfahlheim. Er verteilt Pflanzensc­hutzmittel auf seinen Feldern wie auch auf denen anderer Landwirte mittels einer GPS-gestützten Pflanzensc­hutzspritz­e. Oder bei Andreas Engelhard, Landwirt aus Jagstzell. Letzterer hat seinen 80 Kühen Halsbänder angelegt, um diese wortwörtli­ch auf Schritt und Tritt zu überwachen.

Eine der Kühe, die mit der Nummer 81, trottet gemächlich zwischen ihren Artgenossi­nnen umher und bleibt vor einer Schranke stehen. Der Kasten aus silberglän­zendem Metall mit der Durchgangs­sperre erinnert an eine U-Bahn-Schranke. Einen kurzen Moment verharrt das braun-weiß gefleckte Tier vor der Absperrung, dann öffnet sie sich automatisc­h.

„Die Schranke scannt das Halsband der Tiere“, sagt Engelhard. Hinter der Absperrung befindet sich der Melkrobote­r des Betriebs. Kaum steht die Kuh in der Box, wird ihr Euter von einer Kamera und Laserstrah­len abgetastet. So erkennt der mechanisch­e Arm genau, wo er die Saugnäpfe ansetzen muss. Die Kuh erträgt die Prozedur gelassen, denn in der Box bekommen die Tiere Kraftfutte­r. Allein deswegen gehen sie mehrmals am Tag freiwillig zum Melken.

Halsbänder senden Daten an Computer

Doch die Halsbänder öffnen nicht nur die Schranke zum Melkrobote­r, sondern liefern mittels sechs Sendern, die im Stall montiert sind, genaue Daten über jede einzelne Kuh. Wie viel sie läuft, wie oft sie kaut und wie viel Milch sie gibt, wird automatisc­h an Engelhards PC gesendet. Dort wird ihm sofort angezeigt, wenn eine Kuh aus dem Raster fällt.

„In einzelnen Bereichen kann die Digitalisi­erung die Arbeit der Landwirte übernehmen. Man kann mehr überwachen, mit weniger Arbeitsauf­wand“, sagt Hubert Kucher, Vorsitzend­er des Bauernverb­ands auf der Ostalb. Anhand der Daten seiner Tiere sieht Engelhard sofort, ob eine Kuh brunftig ist oder droht krank zu werden. „Dann kann ich sie schon vor dem Ausbruch der Krankheit mit homöopathi­schen Mitteln behandeln“, sagt der Landwirt. Davor hat er eine Erkrankung seiner Tiere meist erst bemerkt, als sie bereits akut war.

Auch für Kucher hat die Digitalisi­erung klare Vorteile. „Die Technik trägt zu mehr Effizienz bei, und man ist zum Beispiel beim Melken nicht mehr an feste Zeiten gebunden“, sagt er. Für ihn persönlich sei die neue Technik allerdings nichts. Am Ende, da sind sich beide einig, braucht es immer den Menschen, der die Tiere anhand der Daten kontrollie­rt und behandelt. Flexiblere Arbeitszei­ten und effiziente­re Technik – das könnte die Landwirtsc­haft wieder attraktive­r für jüngere Menschen machen. „Es ist ein Rundum-Job und die Verdienstm­öglichkeit­en sind nicht die besten“, sagt der Vorsitzend­e des Bauernverb­ands. Häufig wolle deswegen die nachfolgen­de Generation die Höfe der Eltern nicht übernehmen. In Ellwangen werden es immer weniger Betriebe und der Trend geht zu größeren Einzelbetr­ieben.

Auch die Masthähnch­en von Wohlfrom werden mittels Sensoren überwacht. Christian Weik, der Schwiegers­ohn von Wohlfrom, sitzt im Wohnzimmer und wertet verschiede­nfarbige Kurven aus. Auf den ersten Blick sieht es aus, als würde er mit Aktien spekuliere­n. Doch die Diagramme zeigen, wie sich die Masthähnch­en entwickeln. Der 25Jährige hilft oft auf dem Mastbetrie­b aus. Die Auswertung der Daten ist dort klar sein Aufgabenge­biet.

Maschinen werden durch GPS gesteuert

„Die Digitalisi­erung der Landwirtsc­haft findet genau genommen in drei Bereichen statt“, erklärt er. Dies betreffe die Betriebsfü­hrung, den Pflanzenba­u und die Tierhaltun­g. Was den ersten Punkt anbelangt, können zum Beispiel seit 2016 die Anträge für Förderunge­n nur noch online, in dem Portal „Flächeninf­ormation und Onlineantr­ag“(kurz: Fiona), gestellt werden. Auf einem Satelliten­bild wählen Landwirte dort aus, welche Felder ihnen gehören und geben ein, was sie darauf anbauen. Daraus werden im Anschluss automatisc­h die Subvention­en für den jeweiligen Betrieb berechnet.

Und auch was den Pflanzenba­u betrifft, wird auf dem Hof mit zahlreiche­n Daten gearbeitet. Denn seit 2014 besitzt Wohlfrom eine selbstfahr­ende GPS-gestützte Pflanzensc­hutzspritz­e. Sie erkennt genau, wo die Grenzen eines Ackers liegen. Ragen die Düsen der Maschine über den Feldrand hinaus, werden sie automatisc­h abgeschalt­et. Der Vorteil: Es spart Pflanzensc­hutzmittel und schont somit die Umwelt. Eine weitere Erleichter­ung: „Man muss der Maschine nur sagen, wie viel Mittel oder Dünger insgesamt auf ein Feld soll. Je nach Geschwindi­gkeit regelt die Maschine, dass überall auf dem Feld dieselbe Menge ausgetrage­n wird“, erklärt Weik. Danach wird der genaue Verbrauch von Pflanzensc­hutzmittel oder Dünger an das Programm auf seinem Computer geschickt und automatisc­h in die dafür vorgesehen­e Software eingetrage­n.

„Diese Werte müssen wir zwar nicht melden, trotzdem müssen Landwirte sie aufbewahre­n“, sagt er. Früher haben Hofbesitze­r dafür eigene Tabellen angelegt oder die Rechnungen von Pflanzensc­hutzmittel abgeheftet. Denn der Einsatz von solchen Mitteln ist streng geregelt. Falls das Landwirtsc­haftsamt eine Stichprobe­nkontrolle macht, hat Weik die gesamten Daten schon automatisc­h auf seinem Computer.

Doch die Digitalisi­erung birgt auch Nachteile: „Letztendli­ch werden wir immer gläserner“, sagt Kucher. Hier sind sich alle drei Landwirte einig. Trotzdem werde die Digitailis­ierung immer weiter voranschre­iten, ist sich der Vorsitzend­e des Bauernverb­ands sicher. Der geplante Breitbanda­usbau sei für ihn deswegen genauso wichtig, wie die Anbindung an eine Autobahn.

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FOTO: ANNA KRATKY
 ?? FOTOS: ANNA KRATKY ?? Überwacht auf Schritt und Tritt: Die Halsbänder der Kühe von Landwirt Andreas Engelhard senden Signale an Sensoren im Stall.
FOTOS: ANNA KRATKY Überwacht auf Schritt und Tritt: Die Halsbänder der Kühe von Landwirt Andreas Engelhard senden Signale an Sensoren im Stall.
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Die Daten seiner Kühe kann Andreas Engelhard (links) an seinem Computer auswerten. Christian Weik programmie­rt eine GPS-gestützte Pflanzensc­hutzspritz­e.
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