Versöhnliche Töne in Berlin
Optimismus bei Schulz und Seehofer vor der Sondierung
(dpa) - Nach dem ersten Spitzentreffen von Union und SPD in Sachen Regierungsbildung im neuen Jahr haben die Parteichefs versöhnliche Töne angeschlagen. „Wir starten optimistisch in die Verhandlungen“, hieß es in einer im Anschluss an das Treffen am Mittwoch in Berlin verbreiteten, gemeinsamen Erklärung. Ab Sonntag sollen demnach „straffe und zielführende Sondierungsgespräche geführt werden“. SPD-Chef Martin Schulz sagte, man habe „sehr konzentriert und zielgerichtet“gearbeitet und eine gute Arbeitsgrundlage geschaffen.
Bereits vor dem Treffen hatte CSU-Chef Horst Seehofer den Forderungskatalog seiner Partei relativiert. Zu den erheblichen Differenzen in Sachen Gesundheits- und Asylpolitik sagte er, es sei normal, dass man verschiedene Positionen in den Gesprächen nebeneinanderlege und dann abgleiche, wo Kompromisse möglich seien.
- Durch die Flüchtlingswelle ist die Zahl der Gewaltverbrechen in Deutschland deutlich gestiegen. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie. Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums haben Kriminologen am Beispiel Niedersachsens die Kriminalität unter Flüchtlingen untersucht. Aber – auch das zeigt die Studie – Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling. Hintergründe zur Analyse über Straftaten von Zuwanderern.
Anstieg der Kriminalität:
Nachdem die Zahl der polizeilich registrierten Gewalttaten in Niedersachsen von 2007 bis 2014 um knapp 22 Prozent zurückgegangen war, verzeichnet die Statistik für die Jahre 2015 und 2016 eine Zunahme der Gewaltkriminalität um mehr als zehn Prozent. Die Studie zeigt, dass der Anstieg zu mehr als 90 Prozent auf Geflüchtete und Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus zurückzuführen ist. Aber: Die Kriminalität unter den verschiedenen Gruppen der nach Deutschland Geflüchteten unterscheidet sich deutlich. Besonders hoch ist die Zahl der Straftaten, die von Menschen aus Nordafrika begangen wird. Obwohl nur 0,9 Prozent der Flüchtlinge in Niedersachsen zu dieser Gruppe gehören, sind nordafrikanische Flüchtlinge für 17 Prozent der Gewaltverbrechen durch Geflüchtete verantwortlich. Die Mehrheit der Flüchtlinge verhalte sich hingegen unauffällig, wie vom niedersächsischen Innenministerium erklärt wird.
Erklärungsversuche:
Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass die Aufenthaltsperspektiven der Menschen ein entscheidender Faktor für die Wahrscheinlichkeit ist, Straftaten zu begehen. Wer als Kriegsflüchtling komme oder aus anderen Gründen gute Chancen sehe, in Deutschland bleiben zu dürfen, der werde seine Bleibeperspektiven nicht durch Straftaten gefährden. Wem hingegen von vornherein klar sei, dass er unerwünscht ist und Deutschland bald wieder verlassen muss, der habe wenig Anreiz, sich an deutsche Gesetze zu halten. Ein anderer Grund sei, dass in den Herkunftsländern der Menschen häufig eine stark ausgeprägte Machokultur herrsche. Doch den Kriminologen zufolge spielt es auch eine Rolle, dass die große Mehrheit der männlichen Flüchtlinge ohne Partnerinnen, Mütter, Schwestern oder andere weibliche Bezugspersonen nach Deutschland gekommen sei. Dadurch hätten viele der jungen Männer ausschließlich Kontakt zu anderen jungen Männern, die ebenfalls kaum Perspektiven in ihrem Leben haben. Diese Situation fördere die Gewaltbereitschaft der jungen Migranten.
Die Opfer:
Drei Viertel aller Gewalttaten richten sich der Studie zufolge gegen andere Flüchtlinge. Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten sind es sogar mehr als 90 Prozent. Die Autoren erklären das unter anderem mit der beengten Wohnsituation in den Flüchtlingsheimen. Da kämen zu viele frustrierte junge Männer auf zu kleinem Raum zusammen. Bei anderen Verbrechen dominieren hingegen deutsche Opfer. So richten sich 70 Prozent der Raubdelikte gegen Deutsche. Auch bei Sexualstraftaten sind Deutsche mit knapp 60 Prozent die häufigsten Opfer.
Was zu tun ist:
Die Experten geben der Politik gleich mehrere Ratschläge. Erstens brauche Deutschland ein Einwanderungsgesetz mit klaren Vorgaben, unter welchen Bedingungen Migranten eingebürgert werden können. So könne die Politik Anreize für Integration schaffen. Zweitens müssten abgelehnte Asylbewerber schneller abgeschoben werden, da von ihnen die größte Gefahr ausgehe. 2017 hätten 327 000 Menschen einen ablehnenden Asylbescheid erhalten. Nur etwa 50 000 haben das Land verlassen. Doch die Forscher wollen den Menschen auch Anreize zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer bieten. Ziel müsse es sein, dass aus denen, die in Deutschland zu den Verlierern der Asylpolitik gehören, in ihrer Heimat Gewinner werden. Dazu müsse die Politik auch den abgelehnten Asylbewerbern erlauben, sich in Deutschland fortzubilden. Die hier erworbenen Kenntnisse könnten den Menschen ihren Neustart in der Heimat erleichtern. Darüber hinaus fordern die Forscher Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit für Starthilfen und Mikrokredite für Rückkehrer. So könnten auch die Heimatländer überzeugt werden, sich an Rückkehrprogrammen zu beteiligen.
Reaktionen:
Nach Auffassung der Polizeigewerkschaft GdP macht die neue Studie die Dringlichkeit einer gezielten Prävention deutlich. GdPChef Oliver Malchow unterstützte die Forderung der Kriminologen nach Sprachkursen, Praktika und Betreuungskonzepten für abgelehnte Asylbewerber. Die Grünen nutzten die Studie, um die Bundesregierung zu kritisieren. „Die Studie zeigt, dass der bisher gewählte Ansatz der Bundesregierung, Kriminalität im Kontext von Zuwanderung mit schärferem Asylrecht zu begegnen, völlig ins Leere greift“, sagte Irene Mihalic, Innenexpertin der Grünenfraktion im Bundestag, am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wir müssen endlich den Schwerpunkt daraufsetzen, dass die Integration der Menschen hier im Land besser funktioniert“, sagte sie. „Das ist auch die beste Kriminalitätsbekämpfung.“Deshalb dürfe sich die Bundesregierung nicht länger dagegen sperren, den Familiennachzug zuzulassen.
Auch Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) bekräftigte ihre Forderung nach Familiennachzug. Die Studie mache deutlich, wie wichtig Frauen für eine gelingende Integration seien. „Mütter, Ehefrauen und Schwestern sind das soziale Band, das die meist jungen, männlichen Geflüchteten brauchen, um sich gut integrieren zu können“, so die Ministerin. Umso wichtiger sei es, rasch „zu einer guten und menschlichen Regelung für den Familiennachzug zu kommen“. Zudem plädierte sie für ein Einwanderungsgesetz.