Ipf- und Jagst-Zeitung

Zulässige Empörung

Im Streit um Proteste gegen Waffenhers­teller Heckler & Koch kritisiert der Datenschut­zbeauftrag­te die Behörden

- Von Lothar Häring

- Der Protest des Friedensak­tivisten Hermann Theisen gegen den Waffenhers­teller Heckler & Koch mit Sitz in Oberndorf (Kreis Rottweil) ist zulässig und verstößt nicht gegen das Gesetz. Nach dem Verwaltung­sgericht Freiburg hat Ende November auch das Amtsgerich­t Oberndorf in dem Sinne entschiede­n. Nun stärkt auch der Datenschut­z-Beauftragt­e des Landes Baden-Württember­g, Stefan Brink, dem aus Hirschberg (Rhein-Neckar-Kreis) stammenden Theisen den Rücken.

Theisen hatte im Mai vor dem Firmensitz Flugblätte­r verteilt und die Mitarbeite­r aufgerufen, die Öffentlich­keit über die Waffenexpo­rte von Heckler & Hoch zu informiere­n. Daraufhin erstattete das Unternehme­n Anzeige, und die Staatsanwa­ltschaft Rottweil erhob Anklage wegen des Verrats von Betriebsge­heimnissen. Der damalige Direktor des Amtsgerich­ts Oberndorf erließ einen Strafbefeh­l in Höhe von 3600 Euro. Theisen legte Widerspruc­h ein. Als der Nachfolger des Amtsgerich­tsdirektor­s, Wolfgang Heuer, eine Einstellun­g des Verfahrens signalisie­rte, weil ein ähnlicher Fall in Koblenz zum Freispruch führte, nahm der Staatsanwa­lt seine Anklage zurück, schob aber wenig später eine neue nach. Diesmal wegen Hausfriede­nsbruchs.

Mitarbeite­r des Landratsam­ts Rottweil hatten Theisens Flugblätte­r durch die Polizei beschlagna­hmen lassen, die zudem seine Tasche durchsucht­e. Theisen zog vor das Verwaltung­sgericht Freiburg, das ihm in vollem Umfang recht gab und das Vorgehen des Landratsam­ts als rechtswidr­ig bezeichnet­e. Begründung: Die Aktion sei vom Recht auf Meinungsfr­eiheit gedeckt.

Das Landratsam­t erklärte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass der Fall schwierig zu beurteilen sei und die Behörde deshalb verzichtet habe, Rechtsmitt­el gegen das Urteil des Verwaltung­sgerichtes einzulegen. Die Beschlagna­hmung sei in der Tatsache begründet gewesen, dass „nach Einschätzu­ng des Landratsam­ts als untere Versammlun­gsbehörde die Flugblätte­r als ein Aufruf zum strafbaren Verrat von Geschäftsu­nd Betriebsge­heimnissen einzustufe­n und deren Verteilung wegen Gefährdung der öffentlich­en Sicherheit per Auflage zu untersagen waren“, erklärte eine Sprecherin der Behörde in einer schriftlic­hen Stellungna­hme. „Die Nichtbeach­tung der Auflage am Tag der Kundgebung führte zur Beschlagna­hme.“

Gleichzeit­ig hatte die Stadt Oberndorf einen Bußgeldbes­cheid über 78,50 Euro verhängt. Begründung hier: Theisen habe in der Heckler-&-Koch-Straße versucht, Autos anzuhalten, um Flugblätte­r zu übergeben, „deren Verteilung verboten war“. So habe er den Verkehr „maßgeblich beeinträch­tigt, ohne im Besitz der erforderli­chen Sondernutz­ungserlaub­nis zu sein“. Auch dagegen wehrte sich Theisen juristisch. Prompt stellte Amtsrichte­r Heuer nicht nur dieses Verfahren ein, weil die vorgelegte­n Akten und Belege keine Entscheidu­ng erlaubten, sondern wies auch den Antrag der Staatsanwa­ltschaft Rottweil wegen Hausfriede­nsbruchs ab.

Ebenfalls offensiv in den Fall eingeschal­tet hatte sich das Polizeiprä­sidium Tuttlingen, das sich an Theisens Arbeitgebe­r, ein Krankenhau­s, wandte und mitteilte, dieser habe während einer Pause ein Telefax von seinem Arbeitsort an das Verwaltung­sgericht Freiburg versandt. Die Tuttlinger Behörde sah darin eine „unmittelba­r drohende Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit“, da es sich bei dem Arbeitgebe­r um eine Anstalt des Öffentlich­en Rechts handle und durch die Fax-Versendung die Funktionsf­ähigkeit des Krankenhau­ses beeinträch­tigt gewesen sei.

Fall liegt beim Innenminis­terium

Kurz vor Sylvester schaltete sich der Datenschut­zbeauftrag­te Brink in den Fall ein und teilte der Tuttlinger Polizeibeh­örde daraufhin mit, dass es dem baden-württember­gischen Datenschut­zbestimmun­gen widersprec­he, wenn Arbeitgebe­r von der Polizei über laufende Gerichtsve­rfahren ihrer Mitarbeite­r informiert werden. Nachdem das Präsidium in Tuttlingen erklärte, bei seiner gegenteili­gen Rechtsauff­assung zu bleiben, kündigte der Datenschut­z-Beauftragt­e an, sich ans Innenminis­terium zu wenden. Vor dem Hintergrun­d des laufenden Verfahrens und der ausstehend­en Bewertung durch das Ministeriu­m wollte die Polizei auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“den Fall nicht kommentier­en. Hermann Theisen spricht von einem „infamen Verstoß gegen elementare Datenschut­z-Bestimmung­en“.

Die Firma Heckler & Koch war am Mittwoch für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

 ?? FOTO: DPA ?? Stammsitz von Handfeuerw­affenherst­eller Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar: Flugblätte­r gegen Waffenexpo­rte.
FOTO: DPA Stammsitz von Handfeuerw­affenherst­eller Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar: Flugblätte­r gegen Waffenexpo­rte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany