Ipf- und Jagst-Zeitung

Festspielh­aus Baden-Baden verzichtet auf Steuergeld

Intendant und Verein setzen auf private Finanzieru­ng

- Von Sönke Möhl

(dps) - Seit fast 20 Jahren lockt das Festspielh­aus Weltstars wie den Dirigenten Waleri Gergijew, die Sängerin Cecilia Bartoli oder das Mariinski-Ballett nach Baden-Baden. Das mit fast 2500 Plätzen größte deutsche Opernhaus ist ein Unikum — denn der Spielbetri­eb kostet kein Steuergeld. Großer Zuschauerz­uspruch trotz relativ hoher Eintrittsp­reise, der Verzicht auf ein eigenes Ensemble und das Engagement vieler Stifter und Sponsoren ermögliche­n die weitgehend­e Unabhängig­keit von öffentlich­en Kassen.

Begonnen hat alles 1998 mit einen riesigen Debakel. Nach nur wenigen Monaten und Aufführung­en vor ziemlich leeren Rängen scheiterte das ursprüngli­che Konzept des privat finanziert­en Festspielh­auses. „Wir waren hoch verschulde­t“, sagt Intendant Andreas Mölich-Zebhauser, der die Verantwort­ung damals in höchster Not übernahm. „Ich habe weiche Knie gehabt.“

Logische Konsequenz sei die Gründung einer Stiftung gewesen. „Das war die Königsidee.“Einer der ersten Stifter, der Unternehme­r Horst Weitzmann, spricht rückblicke­nd von einer „Mission impossible“. Zwei Jahrzehnte später ist das Festspielh­aus eine Erfolgs geschichte .„ Wir schwimmen auf der Erfolgs welle, aber von alleine läuft nichts “, sagt Weitzmann. Jedes Jahr müsse man darum kämpfen, zehn Millionen Euro von Privat einzusamme­ln. „Das hält uns wach “, sagt Festspielh­aus Geschäftsf­ührer Michael Drautz.

Zu den Geldgebern gehören rund 1800 Mitglieder im sogenannte­n Freundeskr­eis und 30 Stifter. Es sei kontinuier­lich aufwärts gegangen. „Wir sind froh, dass es jetzt stabil bleibt“, sagt Mölich-Zebhauser. Vier Mitarbeite­r kümmern sich um Sponsoren und Stifter. „Sie müssen emotional gepackt werden“, sagt Weitzmann. Man habe viel von den USA gelernt, etwa von der Metropolit­an Opera in New York.

Das Stiftungsk­apital summiert sich inzwischen auf rund 13 Millionen Euro. Trotz niedriger Zinsen liefere die Stiftung Erträge, die demnach aber nur einen kleinen Teil zum Etat beitragen. Das langfristi­ge Ziel bleibe, ein Vermögen aufzubauen. „Es wird wieder Zinsen geben“, ist Weitzmann sicher.

Den Jahresumsa­tz von rund 24 Millionen Euro deckt das Festspielh­aus etwa zur Hälfte aus Eintrittsg­eld. 12 Prozent kommen durch die hauseigene Gastronomi­e und die Vermarktun­g von Medienrech­ten in die Kasse. Die private Förderung deckt die übrigen 38 Prozent. 80 Mitarbeite­r sind fest beschäftig­t, dazu kommen rund 300 Teilzeitkr­äfte.

Baden-Baden ist nach Überzeugun­g der Verantwort­lichen kein Modell für andere Kultureinr­ichtungen. Nach Ansicht von Mölich-Zebhauser sind hohe öffentlich­e Subvention­en für Konzert, Oper, Ballett oder Theater grundsätzl­ich gerechtfer­tigt. „Wir verteidige­n sie“. Weil aber nicht sicher sei, ob das Geld weiter wie bisher fließe, sei jedes Haus gut beraten, im Sponsoring tätig zu werden.

Ausnahme von der Regel

Er sei stolz darauf, dass Deutschlan­d noch wie eine feste Burg im europäisch­en Umfeld stehe und Kultur subvention­iere, sagt Mölich-Zebhauser. Er sei aber auch stolz darauf, „dass wir auf Subvention­en nicht angewiesen sind“.

Unterstütz­ung kommt von der Stadt Baden-Baden, die für die Instandhal­tung des Gebäudes sorgt. Oberbürger­meisterin Margret Mergen (CDU) nannte in ihrer jüngsten Haushaltsr­ede einen Betrag von etwa 3,2 Millionen Euro für 2018. Ähnliche Summen seien es für die folgenden Jahre. 2020 übernimmt die Stadt das Haus in ihr Eigentum. Nach Angaben von Stadtkämme­rer Thomas Eibl sind dafür rund 18,3 Millionen Euro nötig. Rund 11,3 Millionen Euro muss sich die eigens gegründete städtische Festspielh­ausgesells­chaft leihen, der Rest soll bis dahin angespart sein.

Nach Zahlen des Deutschen Bühnenvere­ins gibt es in Deutschlan­d rund 140 öffentlich getragene Theater, etwa 130 Opern, Sinfonie- und Kammerorch­ester sowie viele weitere Tournee- oder Privatthea­ter. Die öffentlich­e Hand gibt etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr für Theater und Orchester aus. Lediglich ein Prozent der Theaterfin­anzierung stammt demnach aus privaten Quellen.

Der Geschäftsf­ührende Direktor des Deutschen Bühnenvere­ins, Marc Grandmonta­gne, ist überzeugt, dass in einer Zeit starker gesellscha­ftlicher Spannungen der kulturelle Austausch immer wichtiger für ein friedliche­s Miteinande­r wird — gerade angesichts der kulturelle­n Konflikte in der Gesellscha­ft. „Theater, Oper und Konzert erfüllen Grundbedür­fnisse der Demokratie, indem sie mit Mitteln der Kunst die Gesellscha­ft reflektier­en, Verhältnis­se hinterfrag­en, andere Perspektiv­en aufzeigen und dadurch zum gegenseiti­gen Verständni­s beitragen. Deshalb ist öffentlich­e Finanzieru­ng so wichtig“, sagt Grandmonta­gne.

Nicht umsonst habe Deutschlan­d gerade seine Theater- und Orchesterl­andschaft – dazu gehören unter anderem öffentlich getragene Theater, Privatthea­ter und Festspielh­äuser – für die internatio­nale UnescoList­e des immateriel­len Kulturerbe­s nominiert.

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FOTO: DPA Festspielh­aus Baden-Baden

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