So sieht Weltkulturerbe aus
Noch mehr Publikum als sonst: Der Reiterumzug zum Kalten Markt erlebt einen regelrechten Besucheransturm
ELLWANGEN - Er ist das Glanzlicht beim Kalten Markt, das berühmte Tüpfelchen auf dem I: der festliche Reiterumzug am Montagnachmittag. In diesem Jahr zog das Spektakel sogar noch mehr Zuschauer als sonst an. Gefühlt verfolgten das prächtige Rösserschaulaufen durch die Innenstadt fast doppelt so viele Menschen wie in den Vorjahren. Und da waren es ja schon immer minimum um die 10 000 Zaungäste.
Vielleicht lag es am milden, trockenen Wetter, vielleicht an der Ankündigung, dass der Kalte Markt immaterielles Weltkulturerbe werden soll. So oder so: Es wurde am Montag voll in Ellwangen, richtig voll. Die Menschen strömten in Scharen. Besonderer Magnet war nach der Stutenund Gespann-Prämierung auf dem Schießwasen vor allem der Reiterumzug. Zigtausende säumten schon lange vor dem Startschuss um 14 Uhr die Straßen in der Innenstadt. Wer zu spät kam, musste sich mit einem der unliebsamen Stehplätze begnügen– und zwar in vierter oder gar fünfter Reihe. Wann hat es das zuletzt beim Umzug gegeben?
Gleichwohl sollte sich das Kommen lohnen, auch wenn man sich für das eine oder andere Handykamerafoto mehr als sonst strecken musste. Denn Fotomotive gab es bei dem relativ kurzen, knapp 40-minütigen Umzug wieder reichlich. Wunderbar herausgeputzte Friesen, Schwarzwälder Füchse, Württemberger Warmblüter, Isländer, Haflinger, süße Minishettys und auch drei eingeschmuggelte Esel zogen an den Zuschauern, die sich – leider wie immer – mit Beifall zurückhielten, vorbei.
„Perfekt im Sattel und perfekt im Outfit“
Wer als Pferde- und Reitsportlaie nicht so ganz genau wusste, wer oder was da gerade an einem vorbeimarschierte, wurde von Josef Uhl vom Pferdezuchtverein Aalen-Ellwangen aufgeklärt, der das Event auch in diesem Jahr wieder mit großer Leidenschaft und hörbarer Begeisterung moderierte und die vorbeziehenden Reiterdelegationen, Gespann- und Kutschfahrer ausführlich vorstellte und dabei auch immer wieder reichlich Lob verteilte. Etwa für die Reitergruppe aus Neuler-Bronnen, die sich laut Uhl jedes Jahr aufs Neue beim Umzug „perfekt im Sattel und perfekt im Outfit“präsentiere. Beim Reit- und Fahrverein Rindelbach, dem größten Reitsportverein im Ostalbkreis, würdigte Uhl die „enorme Vitalität“. Nicht umsonst stelle der Verein jedes Jahr beim Umzug die mit Abstand größte und jüngste Delegation. Und wer es bis Montag noch nicht wusste, der erfuhr von Uhl: Ellenberg-Altenhueb (konkret zu Hause bei Günter Hopfensitz) ist der schönste Platz der Welt, um Pferde (Haflinger) zu züchten.
Warme Worte gab es vom Moderator auch für die Polizeireiterstaffel aus Stuttgart, dessen Vertreter den Umzug auch in diesem Jahr wieder anführten. Dabei saßen die berittenen Beamten vermutlich auf den coolsten Rössern, die durch die Massen flanierten. Die Polizeipferde waren tatsächlich so ruhig und gelassen, dass ihre Reiter problemlos ans Publikum heranreiten konnten, um kleinen, winkenden Zaungästen am Straßenrand mal kurz den Kopf zu tätscheln.
Tutu-Schleifchen in der frisierten Shetty-Mähne
Nicht cool, dafür wunderschön präsentierten sich indes die vielen Gespanne und Kutschen beim Umzug. Unter anderem von Familie Bäuerle aus Schwenningen, die mit einem Achtspänner mächtig Eindruck machte.
Toll auch wieder der Auftritt der Kaltblutfreunde Dettenroden, die unter anderem einen Wagen mit einem liebevoll arrangierten, landwirtschaftlichen Modellaufbau (Ehepaar Thomer) zeigten. Großartig!
Auch der „Weltmeister aller Klassen“(O-Ton: Uhl), Steffen Brauchle aus Donaueschingen, ließ sich das Mega-Event nicht entgehen und präsentierte sich mit einem eindrucksvoll sportlichen Gespann.
Nicht ganz so sportlich unterwegs, dafür total niedlich und deshalb auch wieder mit vielen „Ahs“und Ohs“bedacht, waren die vielen kleinen Wagen, die von Minishettys gezogen wurden. Eindruck machten zwei besonders schick herausputzte MiniExemplare, die zwar ohne Wagen, dafür aber mit modisch blauer beziehungsweise roter Tutu-Schleife im geflochtenen Pferdehaar und im eigenwilligen Hoppelgalopp unterwegs waren.
Aber nicht nur die Pferde und Reiter, auch die teilnehmenden Musikkapellen und Trachtengruppen, darunter die Schnoidamr Goißlschnalzer, und natürlich die Auftritte der Bürgerwehren aus Ellwangen und dem Umland machten den Reiterumzug in Ellwangen wieder zu diesem einzigartigen und beeindruckenden Ereignis beim Kalten Markt, der eventuell demnächst zum Weltkulturerbe zählt. Verdient wär’s.