Ipf- und Jagst-Zeitung

Kretschman­n sorgt sich um Grüne im Bund

Ministerpr­äsident hält sich eigene Zukunft offen und hätte sich Führungsam­t für Özdemir gewünscht

- Von Katja Korf

- Sein Werben war vergeblich: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte vor Weihnachte­n viele Strippen gezogen und viele lobende Worte gefunden für Cem Özdemir. Doch der scheidende Parteichef der Grünen steht bald ohne Führungsam­t da. Das hält Kretschman­n für einen großen Fehler. Dieses Urteil hat er seinen Parteifreu­nden am Dienstag in Stuttgart ins Stammbuch geschriebe­n – und sich zu seiner eigenen Zukunft geäußert.

„Sie müssen damit rechnen, dass ich noch mal antrete“, sagte Kretschman­n. 2021 stehen die nächsten Landtagswa­hlen an. Der Ministerpr­äsident betont seit Langem, dass er bis dahin auf jeden Fall regieren will – wenn es seine Gesundheit zulässt. Immerhin feiert er im Mai seinen 70. Geburtstag.

„Ich bin nicht fußkrank, ich bin gesund“, betonte der sichtlich erholte und gut aufgelegte Grüne vor der Landespres­se. Doch endgültig festlegen möchte er sich noch nicht auf seine Zukunftspl­äne. „Das entscheide ich doch nicht eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl“. Derzeit gebe es für solche Gedanken keinen Grund. Die Arbeit in der Koalition mit der CDU laufe sehr gut. Mit der eigenen Leistung ist Kretschman­n ebenfalls zufrieden. Es lohne sich allenfalls über einen Rückzug nachzudenk­en, „wenn meine Performanc­e schlecht wäre oder meine Umfragewer­te in den Keller gingen. Aber das ist ja nicht so“.

Die öffentlich­e Debatte um seine Nachfolge hält Kretschman­n für verfrüht. Sie werde ohnehin nur von den Medien geführt, aber nicht in seiner Partei. Dabei hatte Kretschman­n diese Spekulatio­nen im Dezember gewollt oder ungewollt selbst befeuert. Seine Werbetour für Özdemir auf dem Landespart­eitag in Heidenheim hatten durchaus auch einige Grüne als Präsentati­on eines möglichen Nachfolger­s interpreti­ert.

Großer Rückhalt

Tatsächlic­h stehen Fraktion und weite Teile der Partei hinter ihm und hoffen, dass ihr populärer Frontmann sie noch einmal in eine Wahl führt. Mit und dank ihm erzielten sie 2011 und 2016 Rekorderge­bnisse, lösten mit mehr als 30 Prozent der Stimmen nach Jahrzehnte­n erstmals die CDU als stärkste politische Kraft in Baden-Württember­g ab und errangen so viele Mandate und Regierungs­ämter wie nie zuvor.

Mit Sicherheit hätte Kretschman­n den Bad Uracher Özdemir gern an der Spitze der Bundestags­fraktion gesehen. Doch Özdemir tritt bekanntlic­h gar nicht erst an, weil er keine Mehrheit bekommt. Die ablehnende Haltung der Bundestags­fraktion halte er für kurzsichti­g, so Kretschman­n: „Er ist einer der profiliert­esten und beliebtest­en Politiker, den die Grünen haben.“Der Ministerpr­äsident verwies auf die Lage seiner Partei im Bundestag: Sie ist dort kleinste Opposition­spartei. Die AfD werde viel Aufmerksam­keit erzielen mit Provokatio­nen, die FDP habe mit Christian Linder einen guten Redner an der Spitze. „In so einer Situation den besten Politiker, den wir haben, durch den Rost fallen zu lassen, halte ich für sehr riskant.“

Doch sowohl Kretschman­n als auch Özdemir wiederhole­n seit Monaten: Özdemirs Platz sei Berlin, nicht in Stuttgart. Diese Beteuerung­en klangen am Dienstag so: „Er wird seinen Weg finden, weil sich Qualität durchsetzt. Die Berliner Bühne wird oft neu bespielt, da ist noch nicht aller Tage Abend.“

 ?? FOTO: DPA ?? Winfried Kretschman­n (links) hätte sich für Cem Özdemir eine wichtigere Rolle in der Bundestags­fraktion der Grünen gewünscht.
FOTO: DPA Winfried Kretschman­n (links) hätte sich für Cem Özdemir eine wichtigere Rolle in der Bundestags­fraktion der Grünen gewünscht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany