Gauland spricht von „Krieg“und „Revanche“
Der Ton im Bundestag wird rauer – AfD erzwingt Abbruch von Plenarsitzung
- Der Einzug der AfD hat die Atmosphäre im Bundestag verändert. Nachdem die AfD zum zweiten Mal mit einem Kandidaten für einen wichtigen Posten abgeblitzt ist, hat sich der Ton weiter verschärft.
„Wenn man Krieg kriegen will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen“, wütet Alexander Gauland am Donnerstagabend martialisch in der Lobby des Bundestages. Seine Partei habe keine Lust, immer wieder „einen Tritt in den Hintern zu bekommen und dann zu anderen nett zu sein“. Der Chef der AfD-Fraktion droht mit einer „Revanche“dafür, dass AfD-Mann Roman Reusch bei der Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gescheitert war. Die AfD hat nun zunächst keinen Vertreter in dem Ausschuss, der unter anderem die Geheimdienste kontrolliert.
Wenige Stunden später, um 22.39Uhr wird deutlich, was Gauland damit gemeint hatte.
Während gerade eine Debatte über das Tierwohl läuft, nicht einmal zwei Dutzend Abgeordnete im Plenum sitzen und eine Abstimmung ansteht, meldet sich AfD-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun zu Wort. Er stellt die Beschlussfähigkeit des Bundestages infrage. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) ruft zum sogenannten Hammelsprung – eine Abstimmung, bei der die Abgeordneten durch verschiedene Plenarsaaltüren mit der Aufschrift Ja, Nein oder Enthaltung gehen und auf diese Weise abstimmen. Eilig rufen die Fraktionen ihre Abgeordneten herbei. Am Ende reicht es nicht. 312 statt der für die Beschlussfähigkeit erforderlichen 355, und Pau muss um 23.19 Uhr die Sitzung vorzeitig beenden.
Nächtlicher Eklat im Bundestag, die AfD feiert ihren Erfolg. „Vielleicht verstehen sie jetzt, was wir meinten, als wir sagten, wir werden sie ‚jagen‘“, twittert die AfD. Am Abend der Bundestagswahl hatte Gauland angekündigt, die AfD werde „Frau Merkel oder wen auch immer jagen“. Nun, nach dem Abbruch der Sitzung, droht er den anderen Parteien: „So lassen wir uns nicht behandeln. Das ist erst der Anfang.“
„Krieg“und „Revanche“– der Ton im Bundestag wird rauer. Vergeblich hatte die AfD ihren Abgeordneten Albrecht Glaser als Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten aufgestellt. Dreimal ist er gescheitert, einen vierten Wahlgang soll es nach Willen des Ältestenrates nicht geben. Glaser wird vorgeworfen, Muslimen die Religionsfreiheit abzusprechen.
Die Fraktion rechts außen im Bundestag setzt stets auf hohe Präsenz in den Plenarsitzungen und kritisiert, dass die Reihen im Plenum mitunter recht dünn besetzt bleiben. Ein großer Teil der Arbeit der Abgeordneten wird in den Fraktionen, in Ausschüssen, Arbeitsgruppen und anderen Gremiensitzungen geleistet. Gerade auch bei Nachtsitzungen sind im Bundestag häufig nur die jeweils zuständigen Fachpolitiker anwesend, wird für Abstimmungen mitunter ein sogenanntes Pairing vereinbart, eine Absprache über das Votum entsprechend der Mehrheitsverhältnisse.
Ungeschriebene Regeln
Sollte die SPD einer Neuauflage der Großen Koalition zustimmen, wäre die AfD die stärkste Oppositionspartei. Ihre Redner könnten bei großen Debatten jeweils als Erste auf die Kanzlerin antworten. Nach den ungeschriebenen Regeln des Bundestages könnte die AfD den Vorsitz im Haushaltsausschuss und auch weitere Spitzenposten für sich beanspruchen.
Ob das so bleibt, ist offen. „Die AfD in ihrer Opferrolle zu stärken, das halte ich für einen Fehler“, findet CDU-Innenexperte Armin Schuster. Anders sieht das sein SPD-Kollege Johannes Kahrs, Vorsitzender des Seeheimer Kreises: „In der AfDFraktion sitzen viele Rechtsradikale, mit denen will ich nichts zu tun haben. Es gibt Spielregeln im Deutschen Bundestag, da sollten sich alle dran halten“, betont er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. AfD-Kandidaten seien durchgefallen, weil sie nicht akzeptabel seien. „Es ist das gute Recht der Kolleginnen und Kollegen, jemanden nicht zu wählen.“Einen AfD-Abgeordneten an der Spitze des Haushaltsausschusses lehnt Kahrs ab. „Ich halte auch den Personalvorschlag der AfD für den Haushaltsausschuss für nicht akzeptabel. Wir reden gerade unter den anderen Fraktionen darüber, ob die größte Oppositionspartei auch im Fall der AfD automatisch den Haushaltsvorsitzenden stellen sollte, oder ob eine andere Regelung gefunden werden kann“, sagt Kahrs. „Aus gegebenen Anlass“solle man mit der Tradition brechen und die Leitung des Haushaltsausschusses nicht den Rechtspopulisten überlassen.“