Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Wiege der Superhelde­n

Marvel ist für die erfolgreic­hste Filmreihe aller Zeiten verantwort­lich – Ein neues Buch beleuchtet die Ursprünge

- Von Daniel Drescher

Jedes Kind kennt sie: SpiderMan, Iron Man, Captain America – Superhelde­n aus dem Hause Marvel. Jahrzehnte nach ihrer „Geburt“feiern die Charaktere vor allem im Kino Erfolge. Ein umfangreic­hes Buch geht den Ursprüngen der übermächti­gen Weltenrett­er nach – und zeigt dabei, dass Comics alles andere als Kinderkram sind.

Im Jahr 2008 schickte der Comicverla­g Marvel mit „Iron Man“(Hauptrolle: Robert Downey jr.) den ersten Teil seiner aufeinande­r aufbauende­n Filmreihe ins Rennen. Zehn Jahre später kann Marvel mit einer eigens dafür gegründete­n Produktion­sgesellsch­aft auf 17 erfolgreic­he Filme und Einnahmen von 13,5 Milliarden US-Dollar zurückblic­ken. Damit ist einer der größten Comicbuchv­erlage für die weltweit erfolgreic­hste Filmreihe aller Zeiten verantwort­lich. Und zwar sogar noch vor der „Star Wars“-Reihe, die es „nur“auf Einspieler­gebnisse von fast neun Milliarden US-Dollar bringt. Auch James Bond, Harry Potter und die „Herr der Ringe“-Trilogie haben die Marvel-Streifen hinter sich gelassen.

Hulk war ursprüngli­ch grau

Wer wissen will, woher der Stoff für diese Blockbuste­r ursprüngli­ch kommt, für den ist „Das Marvel-Zeitalter der Comics 1961–1978“von Roy Thomas Geschichts­buch und Fundgrube zugleich. Denn nicht jeder Kinobesuch­er dürfte wissen, dass das Wutmonster Hulk ursrpüngli­ch grau war und seine charakteri­stische grüne Farbe erst durch einen Fehldruck bekam. Der Autor Roy Thomas kennt sich bestens aus in der Materie: Er arbeitete von 1965 an 15 Jahre lang als Redakteur bei Marvel, davon zwei Jahre auch als Chefredakt­eur.

Doch der kiloschwer­e Wälzer bietet mehr als nur Nerdwissen und Trivia. Spannend ist etwa zu lesen, wie das Zeitgesche­hen und politische Entwicklun­gen sich in den Comics widerspieg­eln. So schufen Stan Lee und Jack Kirby 1966 mit dem „Black Panther“den ersten schwarzen Superhelde­n. Drei Jahre zuvor hatte Martin Luther King seine legendäre „I Have A Dream“-Rede gehalten. Ab 15. Februar ist der Königssohn aus dem fiktiven afrikanisc­hen Staat Wakanda in seinem ersten eigenen Kinofilm zu sehen. Das Leinwandab­enteuer mit Chadwick Boseman bricht bereits vor dem Kinostart Rekorde: In den USA wurden in den ersten 24 Stunden ab Beginn des Kartenvorv­erkaufs mehr Tickets geordert als für jeden anderen MCU-Film zuvor.

Der hochwertig aufgemacht­e Band konzentrie­rt sich auf die Jahre, in denen Marvel dem Genre neue Impulse verlieh. Dabei wechseln sich erklärende und anekdotisc­he Texte mit Szenen und Doppelseit­en aus Comicheftc­hen ab. So erfahren wir, wie Autor Stan Lee und Zeichner Jack Kirby als Reaktion auf den Erfolg der Konkurrenz aus dem Hause Detective Comics (DC) im Jahr 1961 eine eigene Superhelde­ntruppe ersannen: die „Fantastic Four“, hierzuland­e bekannt als „Die Fantastisc­hen Vier“. Marvel-Gründer Martin Goodman wies Chefautor Lee an, eine Antwort auf DCs Verkaufssc­hlager „Justice League“zu finden. In der „JLA“traten Batman, Superman und Co. gemeinsam gegen die Bösewichte­r der Welt an.

Stan Lee spielte zu dem Zeitpunkt mit dem Gedanken zu kündigen, weil er gelangweil­t von Superhelde­n war. Nun nutzte er die Gelegenhei­t, die Bildergesc­hichten zu reformiere­n: Er wollte die Akteure nicht länger als unnahbare Gestalten angelegt sehen, sondern als ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen – nur eben noch mit den gewaltigen Weltretter-Herausford­erungen obendrauf. Auch die Geschichte­n sollten komplexer werden.

Nach und nach erblickten neue Figuren das Licht der Heftchenwe­lt, so etwa Spider-Man, eine Zusammenar­beit von Stan Lee und Zeichner Steve Ditko. Hier stand mit Peter Parker ein Teenager, der in der Schule gehänselt wurde und nicht besonders cool war, im Mittelpunk­t der Bildergesc­hichten. Die Comic-Reihe war ein Paradebeis­piel dafür, wie reizvoll die Leser den Kontrast zwischen übermensch­lichen Taten und äußerst menschlich­en Problemen fanden.

Stan Lee machte aus Marvel einen weltweit erfolgreic­hen Comic-Konzern und legte mit dieser Neuausrich­tung den Grundstein für Erfolge, auf denen auch die heutigen MarvelKino­filme aufbauen. Es folgten weitere Reihen wie die X-Men und natürlich die Avengers, die wiederum die Konkurrenz von DC massiv unter Druck gesetzt haben. Denn seit 2008 machte Marvel die Fans mit den einzelnen Avengers-Mitglieder­n vertraut, indem fast jedes Teammitgli­ed seinen eigenen Film bekam. 2012 trafen Iron Man, Captain America, Thor, der Hulk, Black Widow und Hawkeye dann erstmals in einem gemeinsame­n Kinofilm auf. Die Marvel Studios gehören mittlerwei­le zum Disney-Konzern und sind entscheide­nd an dessen wirtschaft­lichem Erfolg beteiligt.

Stan Lee und sein Gastauftri­tt

Bei den Warner Bros. Filmstudio­s sah man den Erfolg und bastelt seit 2013 an an einem Kinouniver­sum der DC Comics. Allerdings konnten Filme wie „Batman vs. Superman“oder „Justice League“weder bei den Kritikern noch an den Kinokassen Marvel überholen. Einzig „Wonder Woman“sticht da hervor: Der Film von Patty Jenkins („Monster“) erzielte sehr gute Einspieler­gebnisse und machte Hauptdarst­ellerin Gal Gadot zum Superstar.

Die Rekordjagd geht indes weiter: Ab 26. April werden in „Avengers: Infinity War“so viele Marvel-Superhelde­n wie noch nie in einem gemeinsame­n Kinofilm zu sehen sein. Und eines ist sicher: Stan Lee wird auch in diesem Abenteuer in einer winzigen Szene einen Gastauftri­tt haben. Das lässt er sich nicht nehmen, auch mit seinen mittlerwei­le 95 Jahren nicht.

 ?? FOTO: MARVEL ?? Szene aus einem Spider-Man-Comic von 1964: Mit weltweiten Einspieler­gebnissen von 13,5 Milliarden US-Dollar sind die Filme des Marvel-Kinouniver­sums an allen anderen Blockbuste­rreihen vorbeigezo­gen.
FOTO: MARVEL Szene aus einem Spider-Man-Comic von 1964: Mit weltweiten Einspieler­gebnissen von 13,5 Milliarden US-Dollar sind die Filme des Marvel-Kinouniver­sums an allen anderen Blockbuste­rreihen vorbeigezo­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany