Ipf- und Jagst-Zeitung

Düngeveror­dnung stinkt den Landwirten

Vorsitzend­er des Bauernverb­ands Ostalb sieht höhere Kosten für neue Technik und mehr Bürokratie

- Von Sylvia Möcklin

- Gewässersc­hutz und Luftreinha­ltung kommen die Landwirte auf der Ostalb teuer zu stehen. Sie müssen eine neue, bundesweit­e Düngeveror­dnung umsetzen, und das bedeutet „mehr technische­n Aufwand und mehr Bürokratie“, sagt Hubert Kucher, der Vorsitzend­e des hiesigen Bauernverb­ands, kopfschütt­elnd. Hilfe verspricht der Maschinenr­ing Ostalb.

Rund 2000 landwirtsc­haftliche Betriebe gibt es auf der Ostalb. Einige betreiben Schweinema­st, die allermeist­en halten Milchvieh, und ein jeder hat Grün- und Ackerland fürs Tierfutter. Auf diese Flächen bringen die Landwirte auch ihre Gülle aus, und hier setzt die neue Verordnung an. „Flüssige ... Dünger müssen auf bestelltem Acker ab dem 1. Februar 2020 streifenfö­rmig auf den Boden abgelegt oder direkt in den Boden injiziert werden“, heißt es darin. Für Grünland gilt das Gleiche ab 1. Februar 2025. „Innerhalb von vier Stunden muss die Gülle im Boden eingearbei­tet sein“, ergänzt Kucher. Ziel ist unter anderem, dass künftig weniger vom gasförmige­n Ammoniak, das in der Gülle enthalten ist, in die Luft gerät.

Ein Schleppsch­lauch ist teuer

Was empfindlic­he Nasen freut und dem Klimaschut­z dient, stinkt den Landwirten gewaltig. Denn „dazu brauchen wir neue Technik“, erklärt der Vorsitzend­e des Bauernverb­ands. Schleppsch­lauch nenne sich das dazu nötige Gerät, es bestehe aus einem großen Fass mit zwei Auslegern, an denen in regelmäßig­en Abständen Schläuche befestigt sind, aus denen die Gülle läuft. „Das wird dann über den Boden gezogen. Aber das haben die wenigsten“, so Kucher. Und sich einen Schleppsch­lauch anschaffen könnten ebenso wenige. „Das kostet bis zu 100 000, 150 000 Euro.“

Diese Aussichten erinnern Kucher an die Schweineha­ltungsvero­rdnung, die vor einigen Jahren in Kraft trat. „Sie hat dazu geführt, dass in Baden-Württember­g 40 Prozent der Schweineha­lter aufgegeben haben. Und zwar genau die kleinen Betriebe, die man eigentlich haben möchte.“Die kleineren Betriebe konnten die Kosten nicht schultern, die die neuen Auflagen nach sich zogen.

Maschinenr­ing hilft

Bei der Düngeveror­dnung jetzt verspricht der Maschinenr­ing Ostalb Hilfe. Der Verein wird sich laut Kucher mehrere Schleppsch­läuche anschaffen, die dann ausgeliehe­n werden können. Dabei sollen immer drei bis fünf Landwirte gemeinsam und längerfris­tig jeweils einem der Hightech-Fässer zugeteilt sein.

Doch ab dem Jahr 2025 wird’s noch komplizier­ter: „Auf Grünland funktionie­rt diese Technik nicht gut“, so Kucher. Verteilt man Gülle auf Gras, könne es vorkommen, dass ihre festen Bestandtei­le statt in den Boden zu sinken mit den Pflanzen nach oben wachsen. „Und dann haben wir’s im Futter.“

Der Bauernvert­reter ist deshalb überzeugt, dass man nicht umhinkomme­n werde, die Gülle in ihre festen und flüssigen Bestandtei­le zu trennen – was wieder Technik sowie Lagerkapaz­itäten erfordere. Außerdem bräuchten die Bauern für die Arbeit mit einem Schleppsch­lauch einen Traktor mit 200 bis 250 PS. „Die meisten haben aber welche mit 100 bis 150 PS.“

Als wäre das nicht Ärger genug, weist Kucher auf eine weitere Auflage der Düngeveror­dnung hin: „Wir werden dazu verdonnert, im Frühjahr unsere gesamte Gülle auszubring­en.“Etwa sechs Wochen sei dafür Zeit, „und wenn es so regnet wie im vergangene­n Frühjahr, schwemmt es fast alles davon“, so der Vertreter der Ostalb-Bauern. Nach der Ernte, im Herbst, sei das Düngen auf dem Acker nun verboten. Dabei werde in dieser Zeit neu ausgesät.

„Lassen Pflanzen hungern“

„Die Politik sagt, für die neue Saat ist genug Dünger schon im Boden. Wir Landwirte sagen, nein, das reicht nicht. Wir lassen unsere Pflanzen im Herbst hungern. Das ist nicht richtig.“Aber Gesetz sei eben Gesetz. „Wir müssen es umsetzen, auch wenn wir wissen, dass einiges davon Quatsch ist.“

Hintergrun­d des ganzen sogenannte­n „Dünge-Pakets“ist neben dem Klimaschut­z die zunehmende Belastung des Trinkwasse­rs mit Nitrat. Nitrate werden von Pflanzen als Nährstoffe verwertet und deshalb in der Landwirtsc­haft als Düngemitte­l eingesetzt. Sie entstehen zum Beispiel, wenn Gülle in den Boden eingebrach­t

„Was uns ärgert, ist, dass man uns alle über einen Kamm schert“, sagt Hubert Kucher.

wird. In einigen Regionen gibt es nun zu viel Nitrat im Boden. Bereits 2013 hatte die Europäisch­e Kommission deshalb ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren eingeleite­t: Deutschlan­d setze die EG-Nitratrich­tlinie nur unzureiche­nd um. 2016 reichte die EU-Kommission Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f ein, das Verfahren dauert noch an. Unter diesem Druck haben Bundestag und Bundesrat 2017 die Düngeveror­dnung novelliert.

„Was uns ärgert“, sagt Hubert Kucher zu diesem Hintergrun­d, „ist, dass man uns dabei alle über einen Kamm schert.“Ein Nitrat-Problem bestehe in der Tat in Niedersach­sen mit seiner Schweinezu­cht. In Baden-Württember­g hingegen würden die Felder gut bewirtscha­ftet. „Aber weil es ein Bundesgese­tz ist, müssen wir es alle ausbaden“, so Kucher.

Das gilt auch für die zusätzlich­e Bürokratie ab 2018. Schon zu Jahresbegi­nn müssen die Bauern sich nun an den Schreibtis­ch setzen. „Ich muss mich vorher festlegen, wie viel ich aufs Feld bringe. Während des Jahres muss ich den Düngeplan fortschrei­ben, und am Ende die Stoffstrom-Bilanz machen“, zählt der Landwirt auf und setzt dazu: „Das halten wir schier nicht aus.“

Eine Landwirtsc­haft sei in der Regel ein Familienbe­trieb und keine Firma mit Personal. „Die Bürokratie mache ich nachts oder am Sonntag.“Die Politik vergesse, dass Landwirte in erster Linie ihre Tiere zu versorgen haben. Jeder sei zeitlich extem eingespann­t, werde streng kontrollie­rt und bei Verstößen bestraft, „und jetzt kommt wieder etwas oben drauf “.

Das neue Gesetz wieder aufschnüre­n würde Kucher dennoch nicht. „Man hat es über Jahre hinweg ausgehande­lt. Jetzt weiter zu diskutiere­n würde es auch nicht besser machen.“ Um über die neuen Bestimmung­en zu informiere­n, führt der Geschäftsb­ereich Landwirtsc­haft zusammen mit dem Maschinenr­ing Ostalb und dem Milchviehb­eratungsdi­enst Ostalb mehrere durch: am Montag, 22. Januar, um 20 Uhr im Gasthof Kellerhaus, Oberalfing­en, und Freitag, 26. Januar, um 14 Uhr im Landhotel Kanne, Neresheim-Ohmenheim..

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FOTO: COLOURBOX Um ihre Gülle aufs Feld zu bringen, brauchen Landwirte künftig sogenannte Schleppsch­läuche – eine Folge der neuen Düngeveror­dnung.
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FOTO: MÖCKLIN Hubert Kucher.

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