Ipf- und Jagst-Zeitung

Die neue Schlichthe­it im Wohnzimmer

Schnörkel waren gestern – Moderne Möbel werden aufs Notwendigs­te reduziert

- Von Simone Andrea Mayer

Ein Tisch – das sind eigentlich nur eine Platte und vier Beine. Und ein Stuhl besteht in seiner einfachste­n Variante aus ebenfalls vier Beinen, einer Sitzfläche und ein paar Streben. Wofür braucht es mehr? Auf diese Frage konzentrie­ren sich viele Designer bei ihren Möbelneuhe­iten, wie auf der Internatio­nalen Einrichtun­gsmesse IMM Cologne in Köln in dieser Woche zu sehen ist. Was sie zeichnen, entwerfen und bauen, scheint auf das Allernotwe­ndigste reduziert.

Skandinavi­sches Design

Es fehlen Schnörkel, Dekoration­en und Extras. Möbelbau wie im Mittelalte­r? Nun gut, etwas Hightech für bequemes Ausziehen oder Verstellen ist natürlich noch dabei. Und die Trendanaly­stin Gabriela Kaiser bemerkt: „Wenn Opulenz durchkommt, dann durch Stoffe wie Samt in Juwelenfar­ben.“

Dennoch lässt sich aktuell in der Möbelbranc­he von einem „Trend zur neuen Schlichthe­it“sprechen, erklärt Markus Majerus, Sprecher der Koelnmesse. Dahinter stecken drei Motive der Designer. „Zum einen ist das ein Weg, der Wohnungskn­appheit entgegenzu­wirken“, erklärt der Trendexper­te Frank A. Reinhardt. Zum anderen erkennt er aktuell einen „neuen Push“für das skandinavi­sche Design, das schon seit Jahren beliebt ist. Diese Möbel sind sehr reduziert und einfach gehalten.

Nachhaltig­keit im Fokus

Und da ist das Thema Nachhaltig­keit. „Es geht nicht mehr darum, auch noch den 100. Stuhl zu entwerfen, sondern nachhaltig­e Produkte“, sagt Reinhardt. Schlichte Möbel haben eher eine Chance, länger auf dem Markt zu bestehen. Vielleicht sogar zum Klassiker zu werden, der noch viele Jahrzehnte produziert und immer wieder von Fans nachgekauf­t wird.

Viele dieser zeitlosen Möbel, die optisch betrachtet in wirklich jedem Einrichtun­gsstil ein Plätzchen finden, haben in den vergangene­n Jahren ein Comeback erlebt. Doch es gibt nun ein Problem: „Den Firmen gehen solche Entwürfe aus“, erläutert Reinhardt. Daher geben sie nun verstärkt den aktuell tätigen Designern die Chance und zugleich die Vorgabe, Schlichter­es, Reduzierte­s, Klassische­res zu entwerfen. Ein Beispiel dafür ist der Tisch Podia von Moritz Schlatter für Horgenglar­us.

Auf der IMM 2018 feiert auch der deutsche Star-Designer Sebastian Herkner mit einem Stuhl namens 118 Premiere, den er für das auf Klassiker spezialisi­erte Unternehme­n Thonet entwarf. Er bezieht sich auf das von Michael Thonet im 19. Jahrhunder­t entwickelt­e Prinzip, einen Stuhl auf wenige Bestandtei­le zu reduzieren.

Gerade bei Stühlen ist die Schlichthe­it derzeit besonders angesagt. Auch das Unternehme­n e17 hat mit dem Modell Henning eine minimalist­ische Variante im Programm. Der Sitz und die Rückenlehn­e sind aus Massivholz, das Gestell aus pulverbesc­hichtetem Stahl oder geschliffe­nem Edelstahl. Warum es einfach sein sollte? Für e17 liegt das auf der Hand: Schlichte Möbel passen in viele Einrichtun­gssituatio­nen.

Schaut man sich die Wohnwelten an, die die Hersteller im Blick haben und auch in ihren Katalogen zeigen, trügt das Bild aber etwas: In den meisten Wohnungen und Häusern werde es keine Räume geben, die komplett reduziert eingericht­et sind. „Vielleicht nur zehn bis 15 Prozent der Menschen leben so – Tendenz steigend“, vermutet Reinhardt. „Aber wir alle haben so schlichte einzelne Produkte neben üppigeren Stücken in unserer Wohnung.“

Wir alle haben so schlichte einzelne Produkte neben üppigeren Stücken in unserer Wohnung. Frank A. Reinhardt, Experte für Wohntrends

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FOTO: WALTER KNOLL/DPA Aus einer einfachen Idee ist dieses schlichte Sofa entstanden: Das Modell Bundle von Walter Knoll sieht aus, als hätte man eine Decke gefaltet und auf Füße gestellt.

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