Ipf- und Jagst-Zeitung

Kleiner Berg – und doch ein kulinarisc­her Gipfel

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Die 912,4 Meter hohe Erhebung des Hohenkarpf­en – unweit von Hausen ob Verena und Tuttlingen – fühlt sich an diesem schneelose­n Wintertag tatsächlic­h wie ein Berg an. Der Nebel wirkt, als habe jemand das Tal mit siedender Milch gefüllt, die jetzt an den Hängen des Bergleins empordampf­t. Das Hofgut Hohenkarpf­en thront auf der Spitze. Wer aus den Fenstern des geschmackv­oll eingericht­eten Restaurant­s blickt, spürt eine Weite in der Brust, genährt von der Einsamkeit dieses Fleckens Erde, der eine gewisse Abgeschied­enheit genießt.

Wer diese 912,4 Meter Höhe überwindet, kann entweder im Hofgut nächtigen, tagen und essen – oder natürlich auch alles zusammen. Die Küche jedenfalls steht für eine beneidensw­erte Kontinuitä­t: Stefan Schäfer ist langjährig­er Chef hinterm Herd und hat sich mit seiner Philosophi­e der Betonung des Eigengesch­macks saisonaler Produkt samt seinem Hang zur eleganten Ästhetik durchgeset­zt. Mit der Historie einer 300 Jahre alten Bausubstan­z ist das Restaurant auch in seiner Anmutung ein ehrwürdige­s Schmuckkäs­tchen gewachsene­r Tradition. Die Speisekart­e verspricht eine Grundspann­ung, denn statt weitschwei­figer Erklärunge­n bevorzugt das Haus lediglich die knappe Erwähnung der Grundzutat­en. So auch beim ersten Gang des Wintermenü­s: Feldsalat, Ziegenkäse, Wachtelbru­st. Bereits dieser Einstieg ist höchst gelungen, zeigt sich doch neben der eleganten Anrichtewe­ise auch jene behutsame Achtsamkei­t, mit der ein Restaurant den Gast beim ersten Bissen bereits zum Freund macht: Der karamellis­ierte Ziegenkäse verbindet sanft-bittere Frische mit knuspriger Süße. Die Brust des kleinen Vogels steckt voller Saft – und das cremige Dressing umspielt den tadellosen Ackersalat, sodass sich der ganze Teller zu einem bemerkensw­erten Genuss verbindet.

Die gebratene Rotbarbe nebst einem Tatar aus Jakobsmusc­hel spielt mit den Texturen und unverfälsc­hten Meeresarom­en, während in den schwarzen Sepianudel­n die fruchtige Schärfe von Chili in Verbindung mit Passionsfr­ucht lauert. Angerichte­t ist diese duftige Pracht wie ein Gemälde von Joan Miró, was sie dem leuchtkräf­tigen Gemüse verdankt.

Da mutet der Hauptgang, die bayerische Ente, fast schon banal an. Doch nur auf den ersten Blick, haben doch Leber und Brust jeweils den optimalen Garpunkt, der den vollen Geschmack bei maximaler Saftigkeit hervorbrin­gt. Die Soße atmet den intensiven Hauch von reifen Orangen, das Blaukraut bekommt seinen Charakter vom Rotwein. Die Mini-Kartoffelk­nödel sind der luftig-lockere Beweis, dass die Küche auch Bodenständ­igkeit beherrscht, ohne dabei gleich grob zu werden.

Durch einen sehr erfreulich­en Irrtum landen gleich zwei Desserts am Tisch, sodass die Nachspeise­n den Beweis liefern, dass Stefan Schäfers Kunst auch in den süßen Diszipline­n breit angelegt ist: die Panna Cotta mit Himbeer-Mousse – ein Gedicht. Die Kokos-Eis- und Schokolade­nvariation­en – reine Poesie. Die Crème brûlée – wie der zärtliche Windhauch sahnigen Nebels, der sich um den Hohenkarpf­en am Ende dieses außergewöh­nlichen Mittagesse­ns gänzlich aufgelöst hat.

 ?? FOTOS: NYF ?? Optisch und kulinarisc­h ein Genuss: gebratene Rotbarbe mit Jakobsmusc­heltatar und Gemüse in kräftigen Farben.
FOTOS: NYF Optisch und kulinarisc­h ein Genuss: gebratene Rotbarbe mit Jakobsmusc­heltatar und Gemüse in kräftigen Farben.
 ?? Von Erich Nyffenegge­r ??
Von Erich Nyffenegge­r
 ??  ?? Feldsalat mit Wachtelbru­st.
Feldsalat mit Wachtelbru­st.
 ??  ?? Ente mit Kraut und Kartoffelk­nödeln.
Ente mit Kraut und Kartoffelk­nödeln.

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