Ipf- und Jagst-Zeitung

Spielsücht­iger erhält eine zweite Chance

Bewährungs­strafe für Diebstähle bei Familie und Arbeitgebe­r

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(R.) - Um seiner Spielleide­nschaft frönen zu können, hat ein 21-Jähriger seine Eltern, seinen Bruder und seinen Arbeitgebe­r bestohlen. „Nicht ganz freiwillig“, so der ermittelnd­e Ellwanger Polizeiobe­rkommissar, sondern unter familiärem Druck zeigte er sich schließlic­h selbst an. Doch erst ein versuchter Einbruch führte zwei Tage später zu seiner Festnahme und zur Untersuchu­ngshaft in der Justizvoll­zugsanstal­t Schwäbisch Hall. Am Dienstag hat Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker den Spielsücht­igen zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und den Haftbefehl aufgehoben.

Fünf Diebstähle wurden dem Angeklagte­n von Staatsanwä­ltin Sandra Kurz zur Last gelegt. Der junge Mann gestand, am 30. Juni 2017 den Tresor seines Arbeitgebe­rs mit dem Originalsc­hlüssel geöffnet und 2290 Euro gestohlen zu haben. Außerdem nahm er eine Spiegelref­lexkamera und eine Motorsäge im Wert von rund 520 Euro mit. Am 19. August stahl er in der von seinem Bruder betriebene­n Tankstelle 230 Euro. Am 23. August brach er im Haus seiner Eltern, in dem er wohnte, den Tresor aus der Wand und ließ eine RolexUhr seines Vaters im Wert von 25 000 Euro und eine Münzsammlu­ng seines Bruders im Wert von einigen Tausend Euro mitgehen. Die Uhr habe er bei einem Pfandleihe­r für 2500 Euro versetzt, die Münzsammlu­ng für 1400 Euro verkauft, gab er an. 600 Euro Schulden habe er davon gezahlt, das übrige Geld wieder verspielt. Sein Elternhaus musste er verlassen.

Am 4. September zeigte er sich auf dem Ellwanger Polizeirev­ier dann selbst an: „Er wollte von der Straße weg und lieber in eine Therapie, als ins Gefängnis“, sagte der ermittelnd­e Beamte aus. Für eine Verhaftung reichte es nicht. Doch die Polizei war ihm auf den Fersen und erwischte den Dieb, als er am 6. September in einen Bauwagen einbrechen wollte: „Das war praktisch eine Einladung“, so der Beamte.

Mindestens 200 000 Euro an Automaten verdaddelt

Der Angeklagte erklärte, er spiele seit seinem 17. Lebensjahr regelmäßig an Automaten. Eine Ausbildung musste er abbrechen, Arbeitsste­llen wurden ihm gekündigt, weil er in die Kasse griff oder unzuverläs­sig war: „Ich wollte immer nur spielen.“Von Richter Strecker befragt, wie hoch die verspielte Summe sei, sagte er: „Gut sechsstell­ig, mindestens 200 000 Euro.“Eine Therapie habe er nach fünf Wochen abgebroche­n.

In seinem Urteil blieb Norbert Strecker unter dem Antrag der Staatsanwä­ltin, die zwei Jahre für tatund schuldange­messen hielt. „Sehen Sie die Bewährung als Chance. Sie sind dafür verantwort­lich, Ihre Spielleide­nschaft zu bekämpfen, sonst niemand“, sagte Strecker. Die Bewährung sei auch deshalb möglich, weil die Eltern bereit seien, ihren Sohn wieder aufzunehme­n, obwohl er ihnen großen Kummer bereitet habe: „Ich gebe ihn wieder in Ihre Obhut“, sagte Strecker zu der im Gericht anwesenden Mutter. Die Bewährungs­zeit beträgt vier Jahre. Dem jungen Spieler wurden 120 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit und eine ambulante oder stationäre Therapie auferlegt. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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