Stuttgart 21 wird wohl nochmals teurer
Kostensteigerung um 600 Millionen Euro möglich – Minister Hermann erhöht den Druck
- Neue Hiobsbotschaften in Sachen Stuttgart 21. Das umstrittene Bahnprojekt könnte noch später fertig werden als zuletzt geplant und am Ende 8,2 Milliarden Euro kosten. Entsprechende Informationen von „Spiegel Online“wurden am Donnerstag im Umfeld des Aufsichtsrats bestätigt. Demnach könnte der Vorstand dem Gremium am Freitag vorschlagen, den Bahnhof erst 2025 zu eröffnen. Ursprünglich war 2021 geplant gewesen.
Erst im November war bekannt geworden, dass die Kosten um 1,2 Milliarden Euro auf 7,6 Milliarden Euro steigen. Schon damals war die Rede davon, die Eröffnung auf 2024 zu verschieben und weitere 300 Millionen Euro als Risikopuffer einzuplanen. Nun kursiere auch die Summe von 500 Millionen Euro, hieß es am Donnerstag. Somit könnte sich der Kostenrahmen auf 8,2 Milliarden Euro dehnen. Wer für die Mehrkosten aufkommt, ist nicht geklärt.
Aus Bahnkreisen hieß es, der zuständige Vorstand Ronald Pofalla wolle die Lage transparent darstellen. Die Projektgegner forderten derweil das Ende der „Salamitaktik der Politik“und verlangten erneut die Offenlegung aller Fakten. „Wir erwarten nun, dass die ganze Wahrheit auf den Tisch kommt“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper. Das baden-württembergische Verkehrsministerium und auch die Stadt Stuttgart wollten den Bericht am Donnerstag nicht kommentieren.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will indes den Druck auf die Bahn erhöhen, um den Regionalverkehr zu verbessern. Allein auf der BodenseeGürtelbahn seien im vergangenen Jahr 165 Züge ausgefallen, erklärte Hermann auf eine Anfrage des Radolfzeller FDP-Abgeordneten Jürgen Keck. Zudem fahren viele Züge mit zu wenigen Waggons. Die Folge sind überfüllte Züge und Fahrgäste, die am Gleis zurückbleiben. Verkehrsminister Hermann kündigte nun an, mehr Fahrzeuge auf die Schiene zu bringen, notfalls auch die anderer Unternehmen.
- Im vergangenen Jahr sind auf der Bodensee-Gürtelbahn 165 Züge ausgefallen – allein im Dezember waren es 35. Das erklärt das Verkehrsministerium auf eine Anfrage des Radolfzeller FDP-Abgeordneten Jürgen Keck. Die Antworten liegen der „Schwäbischen Zeitung“vor. Wie berichtet, kommt es zwischen Radolfzell und Friedrichshafen nicht nur zu Ausfällen. Auch fahren Züge oft mit weniger Waggons, als sie laut Vertrag müssten. Das Problem betrifft auch viele andere Strecken im Land – unter anderem die Südbahn. Die Bahn erklärt das vor allem mit Schäden an Zügen, die nicht schnell genug repariert werden könnten. Das soll sich nun ändern.
Die Bahn hat ein Problem in Baden-Württemberg. Züge fallen aus, kommen verspätet, fahren mit zu wenig Kapazität, sodass mancher Reisende am Bahngleis zurückbleibt. Land und Bahn haben deshalb vor sechs Monaten einen Zehn-PunktePlan erarbeitet. „Wir sind insgesamt besser geworden“, erklärte am Dienstag nun Jörg Sandvoß, Vorstandsvorsitzender von DB Regio. „Aber wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen.“Gerade Pendler auf der Bodensee-Gürtelbahn können vor allem die zweite Aussage unterstreichen. Diese Strecke, wie etwa auch die Filstalbahn zwischen Stuttgart und Ulm, seien laut Bahn „im Fokus der Anstrengungen“. Im vergangenen Jahr habe die Bahn 1,8 Millionen Euro Entschädigungen an Fahrgäste gezahlt. Nutzer von Süd- und Bodensee-Gürtelbahn gehörten allerdings nicht dazu.
Treffen am Dienstag
Am Dienstag treffen sich Vertreter der Bahn, der Region und Fachpolitiker mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im Stuttgarter Ministerium. Das Treffen soll klären, wie die Qualität auf der Zugstrecke am Bodensee verbessert werden kann. Dabei will Hermann den Druck auf die Bahn erhöhen und hat auch „unkonventionelle Maßnahmen“im Blick, wie er sagte. Welche das sind, will er noch nicht sagen. In der Antwort auf Kecks Anfrage gibt er aber einen Hinweis: Es werde geprüft, „inwieweit zusätzliche Fahrzeuge, ggf. auch anderer Verkehrsunternehmen, auf der Linie eingesetzt werden können“. Keck fordert: „Notfalls muss der Verkehrsminister mit eigenem Geld bei uns den Missstand beheben. Fakt ist, dass da drigend was gemacht werden muss.“
Dass die kaputten Züge nicht schneller repariert werden, stößt bei Betroffenen und Fachpolitikern auf Unverständnis. Zumal die Bahn in Ulm vor vier Jahren eine neue Werkstatt in Betrieb genommen hat. Dass es in dieser „modernsten“Werkstatt, wie die Bahn damals pries, nicht schneller vorangeht, erstaunt viele.
Die Werkstatt habe noch mal technisch aufgerüstet, erklärte die Bahn am Dienstag. Um Fahrzeugprobleme schneller zu beheben, will die Bahn künftig nicht mehr jeden Zugtyp überall reparieren lassen, sondern setzt auf Spezialisierung. Kleine Reparaturen sollen künftig Lokführer übernehmen, nachdem sie dafür geschult worden sind. In der Antwort auf die Anfrage des FDPAbgeordneten Keck erklärt Hermann indes, es sei nicht erkennbar, wie die Bahn die Probleme in Ulm schnell in den Griff bekommen will.
Damit sich die Führungsriege der DB Regio selbst ein Bild von den Problemstrecken machen kann, hat Hermann die Zuständigen zu Fahrten auf den Problemstrecken aufgefordert, wie er erklärt. „Die Fahrten werden in den kommenden Wochen stattfinden“, so Hermann – wann genau, ist noch unklar.