Ipf- und Jagst-Zeitung

Alles andere als ein Zwergenkön­ig

Juso-Chef Kühnert treibt „NoGroKo“-Bewegung voran – Gefahr für die Parteispit­ze

- Von Sabine Lennartz Von heute an wird verhandelt

- Jetzt erst recht. Nach dem knappen Ja des SPD-Parteitags zu Verhandlun­gen über eine Große Koalition sah man Kevin Kühnert beschwingt im Zug nach Hause reisen. Klar ist: Er spürt Rückenwind, fühlt seine Bewegung gestärkt, und er ist innerhalb kürzester Zeit bundesweit bekannt geworden.

Der 28-jährige Berliner kommt an. „Süß“sieht der doch aus, meint eine Reporterin im Privatfern­sehen, die sich auf seine Spuren begibt, sein Büro besucht und sich von früheren Kollegen bestätigen lässt, dass Kühnert etwas von einem Teddybären hat. Nun gut, Bären haben das Image, knuddelig zu sein, sie können aber ganz schön gefährlich werden.

Kühnert hat das Zeug, Martin Schulz gefährlich zu werden. Er sei „halb so alt, aber doppelt so überzeugen­d“, sagen Jusos. Gleich nach dem Sonderpart­eitag in Bonn kündigte ihr Chef an, die Kampagne gegen die GroKO weiterzufü­hren. Auf der Juso-Seite ist zu lesen: Wir brauchen DICH! Tritt jetzt ein und hilf uns dabei, die SPD für die Zukunft fit zu machen. Wir müssen jetzt noch einmal alles geben, um klar zu machen, dass #NoGroKo der erste Schritt auf einem richtigen Weg ist.“

Hunderte Eintritte im Südwesten

Viele folgten wohl schon der Aufforderu­ng – es gab Hunderte Eintritte in Rheinland-Pfalz und auch in BadenWürtt­emberg. Für Aufregung sorgte beim Partei-Establishm­ent derweil eine Kampagne der nordrhein-westfälisc­hen Jusos unter dem Motto „10 Euro gegen die GroKo“. Fünf Euro kostet der Monatsbeit­rag für einen Juso, und in den nächsten zwei Monaten könnte man die Große Koalition verhindern, so die Rechnung. SPD-Vize Malu Dreyer, aber auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil und sogar der alte SPD-Chef Björn Engholm meldeten sich zu Wort, um vor solchen Aktionen zu warnen.

Zielt auf das Herz der Partei

Auch Kühnert distanzier­te sich von dieser Art der Werbung. „Die Jusos werben um langfristi­ges Engagement, weil die Erneuerung der SPD Zeit brauchen werde und mit der Ablehnung der Großen Koalition keineswegs erledigt wäre“, sagte er der „Rheinische­n Post“. Der Juso-Chef, der Politikwis­senschafte­n studiert und nebenbei Mitglied der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung im Bezirk Tempelhof ist, zielt auf das Herz der Partei, wendet dabei aber seinen Verstand an.

Schon vor zwölf Jahren trat er in die SPD ein, von 2012 bis 2015 war er Landesvors­itzender der Berliner Jusos. Seit dem 24. November ist er bundesweit ihr Vorsitzend­er, und seitdem hat er keinen Tag ausgelasse­n, um gegen den Weg der SPD in eine Große Koalition mobil zu machen. Mit Kühnert wurde die OnlinePeti­tion NoGroko ins Leben gerufen, die in kürzester Zeit 10 000 Unterschri­ften gesammelt hat.

Wenn Kühnert spricht, wirkt er frisch und einnehmend. Auch Parteichef Martin Schulz hörte ihm aufmerksam zu, als er warnte, die SPD dürfe sich nicht „verzwergen“und zu einem Reparaturb­etrieb machen lassen. Seinen ersten Auftritt als JusoChef vor einem Bundespart­eitag meisterte Kühnert mit Bravour. „Jetzt kommen die Kevins in die Politik“, lächelten einige Ältere in der SPD.

Das „Verzwergen“, vor dem Kühnert warnte, blieb haften. Schon vor dem SPD-Sonderpart­eitag hatte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt von einem „Zwergenauf­stand“in der SPD gesprochen. Grund genug für viele Jusos, als Zwerge verkleidet mit roten Mützen nach Bonn zu kommen, „Heute einmal ein Zwerg sein, um zukünftig vielleicht wieder Riesen sein zu können“, sagte der 1,70 Meter große Kühnert auf dem Parteitag. Wenn von heute an die Verhandlun­gen mit der Union beginnen, könnte es rasch einem Koalitions­vertrag entgegen gehen. Und dann kommt es zum entscheide­nden dritten Votum der SPD: dem Mitglieder­entscheid. Sobald der Koalitions­vertrag vorliegt, wolle er noch einmal kräftig mobilisier­en, hat Kühnert angekündig­t. Dann soll es Veranstalt­ungen in ganz Deutschlan­d geben. Kann Kühnert eine Mehrheit gegen eine Groko erreichen? Kann er noch mehr Menschen überzeugen? Das ist die Hoffnung der Jusos und der GroKo-Gegner. Die Parteispit­ze zittert vor diesem Szenario.

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FOTO: DPA Führenden SPD-Mitglieder­n bereitet seine Kampagne Sorge: JusoChef Kevin Kühnert.

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