Raus aus den Windeln, rauf auf die Matte
Prager Eltern-Kind-Programm wird 45 Jahre alt – Kurse der kleinen Elternschule Ostalb platzen aus allen Nähten
- Wenn die großen Geschwister von Mats am Dienstag in die Schule und den Kindergarten gehen, ist für den acht Monate alten Jungen Pekip-Tag und er darf mit seiner Mutter Manuela das Haus in der Brühlgasse in Essingen besuchen. Hier trifft er seine Freunde Jette, Jakob, Lotte, Pablo, Jona und Leia, mit denen er gemeinsam die Umwelt entdeckt, die ersten Krabbelversuche unternimmt und seine Mutter eine Stunde lang ganz für sich alleine hat. Das Konzept des Prager Eltern-Kind-Programms (Pekip) feiert in diesem Jahr seinen 45. Geburtstag. Beim Essinger freien Träger der Jugendhilfe „Fips“(Verein zur Förderung individualpädagogischer Spielräume) wird es seit 2009 angeboten.
In dem Raum, in dem Mats und seine Kumpels und Freundinnen auf weichen, festen Matten liegen, ist es warm. 25 Grad, schätzt Claudia Kohler. 2008 gründete sie gemeinsam mit ihrer Tochter Daniela den Verein zur Förderung individualpädagogischer Spielräume (Fips), der von Anfang an auch das Landesprogramm Stärke umsetzt, das wirtschaftlich schlechter gestellten Familien für Angebote der allgemeinen Familienbildung im ersten Lebensjahr die Teilnahmegebühren bezuschusst und Kurse für besondere Lebenslagen finanziert. Da die speziell mit Eltern entwickelten Konzepte von „Fips“in der Fülle der Angebote für Eltern mit Babys nicht zur Geltung kamen, rief Kohler vor einem Jahr die kleine Elternschule Ostalb ins Leben, deren Träger „Fips“ist. „Unter dieser Bezeichnung ist besser greifbar, was wir machen“, sagt Kohler. Der für Eltern wichtigste Teil des Angebots sei Pekip.
Nachfrage für das Konzept ist enorm
Die drei Kurse, die je einmal in der Woche in Essingen stattfinden und in denen viel Wert auf Spiel-, Bewegungsund Sinnesanregungen gelegt wird, platzen aus allen Nähten. Die Nachfrage sei nach wie vor ungebrochen, sagt Kohler. Der Ansturm sei auch deshalb so groß, weil es den Kurs von Aalen bis Schwäbisch Gmünd sonst nur noch bei einem Anbieter in Aalen gibt, die kleine Elternschule Ostalb hingegen Kurse in Aalen, Essingen, Mutlangen und Schwäbisch Gmünd anbietet. 51 Eltern, darunter mehrheitlich Mütter, nehmen derzeit an dem Konzept für Kinder im ersten Lebensjahr teil.
Im Gegensatz zu den anderen Müttern, die mit ihren Kindern für den von Kohler geleiteten Kurs am Dienstag aus Aalen, Wasseralfingen, Hofen, Unterkochen, Mögglingen oder gar Horn anfahren müssen, hat Manuela Grund hierher einen kurzen Weg. Die dreifache Mutter lebt mit ihrer Familie in Essingen und hat bereits mit ihren ersten beiden Kindern Luca und Leonie Pekip-Kurse belegt und nur positive Erfahrungen gemacht. Deshalb sei es für sie klar gewesen, auch mit dem acht Monate alten Mats einen solchen zu besuchen. „Auf diese Weise bekommt er Kontakt mit Gleichaltrigen, und ich habe eine Stunde mal Zeit, mich nur mit ihm zu beschäftigen“, sagt Grund. Auch die Beziehung zwischen beiden werde dadurch gestärkt und vertieft. Darüber hinaus sei der Austausch mit anderen Müttern hilfreich. „Denn obwohl ich bereits zwei Kinder im Alter von acht und fünf Jahren habe, habe ich wieder einiges vergessen, was bei einem
„Am Anfang lächeln sie aus zahnlosem Mund und am Ende gehen sie auf ihren eigenen Beinen hinaus und winken zum Abschied“, sagt Claudia Kohler.
Baby alles zu beachten ist, unter anderem, wenn es wie Mats derzeit zahnt“, lacht Grund.
Ihr niedlicher Wonneproppen und seine Freunde aus der Gruppe, die alle zwischen Mai und Juni vergangenen Jahres geboren wurden, gehören schon zu den Großen. Denn Pekip richtet sich bereits an Babys ab der vierten bis sechsten Lebenswoche, sagt Kohler. Doch auch, wenn die fortgeschrittenen Kursteilnehmer wie Mats bereits allerlei drauf haben, Windeln tragen sie – logisch – immer noch. Außer im Kurs, denn hier sollen sie sich nackt, frei und spontan bewegen können, sich selbst erproben und ihre Umwelt entdecken. Das besondere Miteinander vermittele ihnen Ausgeglichenheit, Kraft und Stärke, sagt Kohler. Und das sei auch ein wichtiges Ziel von Pekip. Schließlich sollen es die Kinder im Leben einmal zu etwas bringen und in der Lage sein, ihre Bedürfnisse ruhig, aber klar zu formulieren, diese aber auch einzufordern.
Ihre Babys dabei zu beobachten, welche Sprünge sie in ihrer Entwicklung machen und diese zu fördern, ist für die Mütter das Größte. Dass Jakob bereits vom Wohnzimmer in die Küche robbt, freut Silke Rüb aus Wasseralfingen. Und wenn Leia im Kurs die aus Schaumstoff bestehenden Aufbauten erklimmt oder aus Bauklötzen versucht, einen Turm zu bauen, geht Diana Feiler aus Aalen ebenso das Herz auf wie Elham Einafshar aus Mögglingen, wenn sie Jona dabei beobachtet, wie er vor sich hinbrabbelt und fleißig das neu erlernte Schmatzen übt.
An Neuem interessiert und keine Berührungsängste
Und Manuela Grund muss regelmäßig über Mats schmunzeln, der an allem Neuem interessiert ist und dank Pekip gegenüber Fremden, denen er nach dem Motto: „Schau mir in die Augen, Kleines“in dieselben blickt, keinerlei Berührungsängste hat. Auch Pablo, das erste Kind von Silke Bödigheimer aus Unterkochen, fremdelt dank Pekip nicht. Das sei später auch wichtig, wenn die Kinder in die Krippe oder den Kindergarten gehen, sagt Kohler. Pekip-Kinder hätten keine Eingewöhnungsschwierigkeiten und Vertrauen in die Welt gelernt. Darüber hinaus erlernen sie in den ersten Monaten Sozialkompetenz und wie man mit anderen umgeht. „Lieb und mit Respekt“, sagt Kohler, die sich auch über jede noch so kleine Entwicklung der Babys freut. „Am Anfang lächeln sie aus zahnlosem Mund und am Ende gehen sie auf ihren eigenen Beinen hinaus und winken zum Abschied.“
Das werden in ein paar Monaten auch Mats und seine Freunde, für die am Dienstag der Kurs nach einer Stunde mit dem Lied „Eins, zwei, drei, Pekip ist vorbei“endet. Für eine Woche ist jetzt Pekip-Pause. Doch dann dann heißt es wieder: Raus aus den Windeln, rauf auf die Matte.