Ein Gegenentwurf von Grenzgängern
Auf „The Thread That Keeps Us“sind Calexico nicht plaktiv politisch, aber trotzdem klar in der Haltung
- Was Donald Trump an der Grenze zu Mexiko plant, muss Calexico zuwider sein. Während der US-Präsident mit der Idee einer Mauer erfolgreich auf Stimmenfang ging, ist die Band aus Tucson, Arizona, es seit Jahrzehnten gewohnt, Barrieren zu durchbrechen. Mit „The Thread That Keeps Us“(City Slang) legt die 1996 gegründete Band ihr neuntes Studioalbum vor. Wie konträr Joey Burns und John Convertino zum Chef im Weißen Haus stehen, zeigt sich auf diesem Album auch daran, dass man platte Politparolen vergeblich sucht. Keinen Zweifel lassen die musikalischen Grenzgänger aber daran, dass sie eher an Verbindendes glauben als an Trennlinien.
Seit 20 Jahren lebt Sänger und Gitarrist Joey Burns in Tucson, unweit der mexikanischen Grenze. Es gibt Aktivisten in Tucson, die Wassercontainer und Essenspakete an der Grenze deponieren, um Migranten zu helfen, die sonst in der Wüste verdursten oder verhungern würden. Doch es gibt auch die Grenzpatrouillen, die die Container zerstören. Die Uneinigen Staaten von Amerika – hier zeigt sich, wie polarisiert das Land ist. In „Voices in The Field“versucht sich Joey Burns in die Lage eines Flüchtlings zu versetzen. Mit kratzigen elektrischen Gitarren scheint der Song Zerrissenheit zu illustrieren. Das auf spanisch gesungene „Flores Y Tamales“dreht sich um das Zusammenkommen über Grenzen hinweg. Mit seinem tanzbaren kolumbianischen Cumbia-Rhythmus ist der Song typisch für Calexico. Die Verbindung von traditionellen Klängen südamerikanischer Prägung und schwermütigen Indierockklängen ist seit Jahren das prägnanteste Merkmal der Band. Von Album zu Album variierte das Verhältnis der Soundzutaten immer wieder, mal fetzten die MariachiTrompeten mehr, dann übernahmen wieder die Gitarren das Ruder. Diesmal nehmen „Chaos und Noise“mehr Raum ein, wie Joey Burns sagt. Das zeigt sich etwa bei „Another Space“, das mit seinen aufgekratzten Funk-Anleihen aus der Reihe tanzt. Auch „Under The Wheels“legt eher Wert auf Tanzbarkeit als auf Wüstenrock-Feeling.
Typischer ist da der Opener „The End of The World With You“ausgefallen, der zwar auch ohne Tex-MexElemente auskommt, aber in puncto leichtfüßiger Rhythmik sehr vertraut wirkt. „Love in The Age of The Extremes“heißt es da im Text, wieder so ein Textfetzen, der nicht plakativ wie ein Tweet ist, aber trotzdem deutlich wirkt. Ein Highlight ist „The Town & Miss Lorraine“, bei dem Burns’ Stimme besonders zur Geltung kommt und mit schmeichelndem Glockenspiel gefällt.
Im Südwesten Deutschlands gehören Calexico übrigens zu den Dauergästen: 2015 traten sie beim Theaterfestival in Isny auf, 2016 euphorisierten sie im ausverkauften Konzerthaus in Ravensburg. „The Thread That Keeps Us“zeigt, dass ihnen bei neuerlichen Gastspielen im Süden die Songperlen nicht ausgehen dürften.