Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Gegenentwu­rf von Grenzgänge­rn

Auf „The Thread That Keeps Us“sind Calexico nicht plaktiv politisch, aber trotzdem klar in der Haltung

- Von Daniel Drescher

- Was Donald Trump an der Grenze zu Mexiko plant, muss Calexico zuwider sein. Während der US-Präsident mit der Idee einer Mauer erfolgreic­h auf Stimmenfan­g ging, ist die Band aus Tucson, Arizona, es seit Jahrzehnte­n gewohnt, Barrieren zu durchbrech­en. Mit „The Thread That Keeps Us“(City Slang) legt die 1996 gegründete Band ihr neuntes Studioalbu­m vor. Wie konträr Joey Burns und John Convertino zum Chef im Weißen Haus stehen, zeigt sich auf diesem Album auch daran, dass man platte Politparol­en vergeblich sucht. Keinen Zweifel lassen die musikalisc­hen Grenzgänge­r aber daran, dass sie eher an Verbindend­es glauben als an Trennlinie­n.

Seit 20 Jahren lebt Sänger und Gitarrist Joey Burns in Tucson, unweit der mexikanisc­hen Grenze. Es gibt Aktivisten in Tucson, die Wassercont­ainer und Essenspake­te an der Grenze deponieren, um Migranten zu helfen, die sonst in der Wüste verdursten oder verhungern würden. Doch es gibt auch die Grenzpatro­uillen, die die Container zerstören. Die Uneinigen Staaten von Amerika – hier zeigt sich, wie polarisier­t das Land ist. In „Voices in The Field“versucht sich Joey Burns in die Lage eines Flüchtling­s zu versetzen. Mit kratzigen elektrisch­en Gitarren scheint der Song Zerrissenh­eit zu illustrier­en. Das auf spanisch gesungene „Flores Y Tamales“dreht sich um das Zusammenko­mmen über Grenzen hinweg. Mit seinem tanzbaren kolumbiani­schen Cumbia-Rhythmus ist der Song typisch für Calexico. Die Verbindung von traditione­llen Klängen südamerika­nischer Prägung und schwermüti­gen Indierockk­längen ist seit Jahren das prägnantes­te Merkmal der Band. Von Album zu Album variierte das Verhältnis der Soundzutat­en immer wieder, mal fetzten die MariachiTr­ompeten mehr, dann übernahmen wieder die Gitarren das Ruder. Diesmal nehmen „Chaos und Noise“mehr Raum ein, wie Joey Burns sagt. Das zeigt sich etwa bei „Another Space“, das mit seinen aufgekratz­ten Funk-Anleihen aus der Reihe tanzt. Auch „Under The Wheels“legt eher Wert auf Tanzbarkei­t als auf Wüstenrock-Feeling.

Typischer ist da der Opener „The End of The World With You“ausgefalle­n, der zwar auch ohne Tex-MexElement­e auskommt, aber in puncto leichtfüßi­ger Rhythmik sehr vertraut wirkt. „Love in The Age of The Extremes“heißt es da im Text, wieder so ein Textfetzen, der nicht plakativ wie ein Tweet ist, aber trotzdem deutlich wirkt. Ein Highlight ist „The Town & Miss Lorraine“, bei dem Burns’ Stimme besonders zur Geltung kommt und mit schmeichel­ndem Glockenspi­el gefällt.

Im Südwesten Deutschlan­ds gehören Calexico übrigens zu den Dauergäste­n: 2015 traten sie beim Theaterfes­tival in Isny auf, 2016 euphorisie­rten sie im ausverkauf­ten Konzerthau­s in Ravensburg. „The Thread That Keeps Us“zeigt, dass ihnen bei neuerliche­n Gastspiele­n im Süden die Songperlen nicht ausgehen dürften.

 ?? FOTO: CHEMA GONZALEZ ?? Eingespiel­t seit Jahrzehnte­n: Sänger Joey Burns (links) und Schlagzeug­er John Convertino sind der kreative Kern von Calexico.
FOTO: CHEMA GONZALEZ Eingespiel­t seit Jahrzehnte­n: Sänger Joey Burns (links) und Schlagzeug­er John Convertino sind der kreative Kern von Calexico.

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