Ipf- und Jagst-Zeitung

Schnee von gestern

Das gute Image des Fruchtzuck­ers ist längst dahin

- Von Marie von der Tann

(dpa) - Fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag: Viele Kinder kennen die Faustregel, empfohlen und seit vielen Jahren fleißig beworben, unter anderem von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Inzwischen gibt es indes ein Aber: Nur zwei Portionen sollten aus Obst stammen, Gemüse den überwiegen­den Teil ausmachen. Schuld an der Restriktio­n: der viele Zucker in den Früchten.

Fruchtzuck­er, auch Fruktose genannt, ist ein Einfachzuc­ker. Saccharose, der Haushaltsz­ucker, ist dagegen ein Zweifachzu­cker aus Fruktose und Glukose. „Die beiden Stoffe sind sich chemisch sehr ähnlich, auch wenn Haushaltsz­ucker bei der Verdauung erst gespalten werden muss“, sagt Stefan Kabisch, Studienarz­t des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung in Potsdam sowie der Berliner Charité.

Der wesentlich­e Unterschie­d: Während Glukose vom Körper nur aufgenomme­n werden kann, wenn Insulin ausgeschüt­tet wird, braucht Fruktose dieses nicht. Früher sah man darin einen Vorteil für Diabetiker. „Heute gibt es Hinweise darauf, dass der Fruchtzuck­er bevorzugt als Fett eingelager­t wird, vor allem in Form von Leberfett und viszeralem Bauchfett“, sagt Kabisch.

Auf den täglichen Apfel, der angeblich den Doktor fernhält, muss man in der Regel trotzdem nicht verzichten. Stattdesse­n lohnt es sich, im Supermarkt genau hinzuschau­en. Denn Fruktose steckt auch in vielen verarbeite­ten Lebensmitt­eln. „Kinderketc­hup, der als gesund beworben wird, weil er ,nur die Süße aus Früchten‘ beinhaltet, den könne man getrost als Werbelüge bezeichnen“, sagt Experte Kabisch. „Es klingt nach einer natürliche­n Quelle, dabei kann Fruktose mit entspreche­nden Verfahren durchaus genauso aus Zuckerrohr oder Rüben gewonnen werden.“

Die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch bemängelt seit langem, dass Zucker nicht verbrauche­rfreundlic­h gekennzeic­hnet ist. „Im Moment ist Fruktose der Bad Guy, aber das Problem liegt im Zucker grundsätzl­ich“, sagt Oliver Huizinga von der Verbrauche­rschutzorg­anisation. Foodwatch fordert eine Ampelkennz­eichnung.

Klar, in Obst stecken auf der anderen Seite auch Vitamine. Aber gegenüber Gemüse sehen die Früchte alt aus. „Zucker ist gleich Zucker“, betont auch Silke Restemeyer von der DGE.

Manche Menschen schränken ihren Zuckerkons­um aber noch aus anderen Gründen ein: weil sie ihn nicht vertragen zum Beispiel. Die sogenannte Fruktosein­toleranz unterteile­n Experten in zwei Formen. „Die häufige intestinal­e Form äußert sich in Verdauungs­problemen, Blähungen, Durchfälle­n, Bauchkrämp­fen“, erklärt Kabisch. Richtig gefährlich ist allerdings nur die erbliche – die hereditäre – Form der Fruktosein­toleranz. Die Folge ist eine schwerwieg­ende Stoffwechs­elentgleis­ung, die zur Unterzucke­rung, aber auch zu Gerinnungs­störungen führt.

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FOTO: DPA Obst ist gesund – dabei bleibt es. Aber Früchte enthalten auch viel Zucker.

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