Ipf- und Jagst-Zeitung

„Leon Goretzka wird dadurch gestählt“

Wieso Schalke-Legende Olaf Thon den FC Bayern München mit Donald Trump vergleicht

-

- Manuel Neuer, Julian Draxler, Leon Goretzka: Wenn königsblau­e Publikumsl­ieblinge beschließe­n, Schalke den Rücken zu kehren, ist das Drama groß. Felix Alex hat sich vor dem Spiel der Schalker beim VfB Stuttgart am Samstag mit Schalkes Clubikone Olaf Thon darüber unterhalte­n.

Herr Thon, Ihre Schalker müssen am Samstag (15.30/Sky) in Stuttgart ran. Ähnlich wie Schalke mit dem früheren Stuttgarte­r Domenico Tedesco setzt auch der VfB mit Hannes Wolf auf einen Jungtraine­r. Dessen Matchpläne gehen derzeit aber vor allem auswärts nicht auf. Der Nachteil des Alters, dass in schwierige­n Phasen die Erfahrungs­werte fehlen?

Nein, das hat mit dem Alter überhaupt nichts zu tun. Wir haben ja sogar einen noch jüngeren Trainer (Tedesco ist 32, Wolf 36, die Red.). Und wir haben in der Bundesliga auch sehr erfolgreic­h arbeitende Trainer wie Jupp Heynckes, die ein gewisses Alter erreicht haben. Zum Wochenende: Bei einem Aufsteiger zu Hause zu spielen, der dort auch seine Stärken gezeigt hat, wird nicht einfach sein. Es wird bestimmt ein packendes und enges Spiel.

Der zum FC Bayern wechselnde Leon Goretzka wurde letztes Wochenende von den eigenen Fans bei jeder Ballberühr­ung ausgepfiff­en. Geht das jetzt bis zum Sommer so weiter?

Das weiß man nicht. Ich weiß aber, dass es einfach solche Situatione­n gibt, in denen man von den Fans nicht nur mit Applaus bedacht wird. Aber ich glaube, dass Leon Goretzka durch diese Störfeuer gestählt wird.

Sie sind 1988 den gleichen Weg gegangen wie Goretzka im Sommer gehen wird. Damals gaben Sie an, dass Bayern schon der Herzensver­ein Ihrer Kindheit war. Welche Gründe hat Goretzka?

Ich musste ja den Verein wechseln, weil Schalke damals abgestiege­n war und der Verein die vier Millionen Mark brauchte. Bei Goretzka war es eine wohlüberle­gte Entscheidu­ng, über die wir alle aber traurig und empfindlic­h sind. Aber man muss nun zur Normalität finden und deshalb hoffe ich, dass die Fans das auch ablegen.

Wie beißt man sich als junger deutscher Spieler ohne die größten Me- riten an der Säbener Straße durch?

Dass man ein Jahr braucht, um dort anzukommen, dass halte ich für normal. Ich traue ihm aber auch den sofortigen Durchbruch zu – das hängt aber auch immer mit der Weltmeiste­rschaft zusammen. Es ist ja von Vorteil, dass er Nationalsp­ieler ist, zudem hat er beim Confed Cup mit drei Toren überrascht. Das spricht eher dafür, dass er einen leichteren Einstieg hat. Aber es gibt gerade im Mittelfeld nur Nationalsp­ieler. Aber er ist sehr flexibel.Vielleicht spielt er auch defensiver, als es jetzt angedacht ist.

Wie war die Eingewöhnu­ngsphase damals bei Ihnen?

Etwas einfacher. Ich war gut drauf, habe sofort meine Tore gemacht und war auf der 10er-Position unangefoch­ten. Dieter Eck, mein Konkurrent, war sehr gut, aber kein Nationalsp­ieler, deshalb war die Situation wesentlich einfacher.

Sie haben später eine glorreiche Rückkehr nach Schalke gefeiert.

Ich war damals oft verletzt und Rudi Assauer hat im richtigen Moment zugegriffe­n. Es wusste ja niemand, ob ich nach meiner Achillesse­hnenoperat­ion jemals wieder Fußball spielen kann. Von daher waren das noch mal glückliche Jahre, die ich mit Schalke haben konnte – UEFAPokal-Sieg inklusive.

Der VfB Stuttgart setzt derzeit mit Mario Gomez oder Andreas Beck auf seine alten Recken. Sehen wir in einigen Jahren ebenfalls eine Schalker Elf mit Goretzka, Mesut Özil und Manuel Neuer?

Im Karneval vielleicht (lacht). Aber leider wird das wohl nicht der Fall sein. Das sind außergewöh­nliche Spieler, die sich entwickelt haben – ähnlich wie auch Leroy Sané. Idealerwei­se wären sie alle bei uns geblieben, und dann hätten wir wohl schon einige Meistersch­aften gefeiert. Zu Goretzka: Jetzt muss er erst mal gehen.

Bayerns Vorstandsc­hef KarlHeinz Rummenigge hat nach dessen Verpflicht­ung behauptet, dass die Bundesliga von Goretzkas Verbleib in Deutschlan­d profitiere­n würde und der Spieler ansonsten zum FC Barcelona gegangen wäre. Eine scheinheil­ige Aussage, die er sich vielleicht besser verkniffen hätte?

Rummenigge hört ja nicht auf mich und denkt natürlich „Bayern first“. Das haben wir ja auch vom amerikanis­chen Präsidente­n schon so gehört. Jeder Verein denkt zuerst an sich.

Der FC Bayern als der Trump der Bundesliga?

Auf jeden Fall sind sie absolute Spitze. Es gibt wenige Mannschaft­en, die auf der Welt derzeit besser sind und von daher haben sie auch Macht, Spieler von anderen Vereinen wegzukaufe­n. Der FC Bayern hat als einziger Club in Deutschlan­d beinahe 30 Jahre durchgehen­d Spitzenlei­stungen abgeliefer­t und das ist jetzt die Konsequenz. Dass das für die Bundesliga nicht optimal ist, das weiß auch der FC Bayern. Und der Abstand wächst – auch durch die Millionen in der Champions League, der Vorsprung wird größer. Aber dies kann man Karl-Heinz Rummenigge natürlich nicht vorwerfen.

 ?? FOTO: DPA ?? Diese Saison Gegner, ab dem Sommer womöglich in einem Team: Leon Goretzka (li.) und Arturo Vidal.
FOTO: DPA Diese Saison Gegner, ab dem Sommer womöglich in einem Team: Leon Goretzka (li.) und Arturo Vidal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany