Zehntausende Pflegebedürftige leiden unter mangelhafter Betreuung
Trotz Verbesserungen beklagen Krankenkassen weiterhin Mängel – Ein Drittel der Pflegedienste rechnet nicht korrekt ab
- Die Pflege in Deutschland ist besser geworden, aber es gibt weiterhin Mängel. Das ist das Ergebnis des Pflege-Qualitätsberichts des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS), der in Berlin vorgestellt wurde. Bemängelt werden bei der stationären Pflege in Heimen besonders die Schmerzbehandlung und unzureichende Wundversorgung. „Die Berichtsergebnisse zur Versorgungsqualität zeigen, dass weitere Verbesserungen notwendig sind“, erklärte Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.
Wie schlimm ist der Zustand?
Zehntausende Pflegebedürftige leiden unter mangelhafter Betreuung. Und in einigen Bereichen hat sich die Situation in den vergangenen Jahren sogar verschlechtert, heißt es in der Studie. Einer der Gründe: Ob in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten – überall beklagen Pflegerinnen und Pfleger extreme Arbeitsbelastung. Immer häufiger stellen die Pflegekräfte Überlastungsanzeigen, warnen ihre Arbeitgeber, dass es unter den Bedingungen nicht möglich sei, alle Patienten korrekt zu versorgen. Zehntausende zusätzliche Stellen wären nötig, um den Pflegenotstand in den Griff zu bekommen, erkennt das Bundesgesundheitsministerium an. Aber der Pflegeberuf ist unattraktiv: Fachkräfte beklagen schlechte Bezahlung und mangelnde Anerkennung. Mehr als ein Drittel der Pflegedienste in Deutschland rechnet nach MDS-Angaben Leistungen nicht korrekt ab. Bei 35,2 Prozent der geprüften Pflegedienste stellten MDK-Prüfer mindestens eine Auffälligkeit fest.
Wo gibt es Verbesserungen?
Die Studie erkennt deutliche Verbesserungen im Bereich der Dekubitusund Sturzprophylaxe. Menschen mit dem Risiko, sich wundzuliegen, seien konsequenter regelmäßig umgelagert worden. Bei Patienten mit Sturz- und Verletzungsrisiko seien seltener freiheitsberaubende Maßnahmen angewendet worden. Zufriedenstellend sei das aber nicht.
Wo gibt es Verschlechterungen?
Bei der Versorgung von Wunden und wundgelegenen Stellen hat es Verschlechterungen gegeben. So bekam jeder vierte Patient keine ausreichende Wundversorgung. Drei Jahre zuvor wurde nur jeder Fünfte ungenügend behandelt. Noch dramatischer ist die Verschlechterung im Bereich Ernährung: 2016 fielen bei jedem vierten Heimbewohner regelmäßig Gewichtskontrollen aus, trotz der Gefahr unerwünschten Gewichtsverlustes. Noch 2013 wurde das Gewicht von Risikopatienten nur in jedem zehnten Fall mangelhaft überwacht. Angesichts der Überlastung der Pflegekräfte geht auch bei der Medikamentengabe immer wieder einiges schief. Mehr als 12,3 Prozent der Menschen, die ihre Arzneien nicht mehr selbstständig einnehmen konnten, bekamen falsche Mittel oder die Medikamente wurden nicht sachgerecht verabreicht. Bei fast einem Fünftel der Pflegebedürftigen mit Schmerzen erfolgte keine systematische Schmerzeinschätzung. Die Pflegebedürftigen mussten teilweise unter unnötigen Schmerzen leiden.
Wie wollen die Krankenkassen Zustände in der Pflege verbessern?
In Abstimmung mit der Bundesregierung arbeitet der GKV-Spitzenverband an einem neuen Pflege-TÜV mit einem verbesserten Notensystem für Pflegeeinrichtungen. Bislang gelten die Bewertungen als intransparent und die Noten als zu positiv. Seit Jahren wird um eine Reform des PflegeTÜVs gerungen. Nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes kann die Einführung 2019 sein.
Wie wollen Union und SPD die Probleme in der Pflege angehen?
In ihren Koalitionsverhandlungen haben sie sich auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Bezahlungen in der Alten- und Krankenpflege verständigt. Union und SPD versprechen 8000 neue Fachkraftstellen als Sofortmaßnahme. Kritiker halten das für unzureichend.