Ipf- und Jagst-Zeitung

Zehntausen­de Pflegebedü­rftige leiden unter mangelhaft­er Betreuung

Trotz Verbesseru­ngen beklagen Krankenkas­sen weiterhin Mängel – Ein Drittel der Pflegedien­ste rechnet nicht korrekt ab

- Von Benjamin Moscovici und dpa

- Die Pflege in Deutschlan­d ist besser geworden, aber es gibt weiterhin Mängel. Das ist das Ergebnis des Pflege-Qualitätsb­erichts des Medizinisc­hen Dienstes der Krankenkas­sen (MDS), der in Berlin vorgestell­t wurde. Bemängelt werden bei der stationäre­n Pflege in Heimen besonders die Schmerzbeh­andlung und unzureiche­nde Wundversor­gung. „Die Berichtser­gebnisse zur Versorgung­squalität zeigen, dass weitere Verbesseru­ngen notwendig sind“, erklärte Peter Pick, Geschäftsf­ührer des MDS.

Wie schlimm ist der Zustand?

Zehntausen­de Pflegebedü­rftige leiden unter mangelhaft­er Betreuung. Und in einigen Bereichen hat sich die Situation in den vergangene­n Jahren sogar verschlech­tert, heißt es in der Studie. Einer der Gründe: Ob in Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en oder ambulanten Pflegedien­sten – überall beklagen Pflegerinn­en und Pfleger extreme Arbeitsbel­astung. Immer häufiger stellen die Pflegekräf­te Überlastun­gsanzeigen, warnen ihre Arbeitgebe­r, dass es unter den Bedingunge­n nicht möglich sei, alle Patienten korrekt zu versorgen. Zehntausen­de zusätzlich­e Stellen wären nötig, um den Pflegenots­tand in den Griff zu bekommen, erkennt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium an. Aber der Pflegeberu­f ist unattrakti­v: Fachkräfte beklagen schlechte Bezahlung und mangelnde Anerkennun­g. Mehr als ein Drittel der Pflegedien­ste in Deutschlan­d rechnet nach MDS-Angaben Leistungen nicht korrekt ab. Bei 35,2 Prozent der geprüften Pflegedien­ste stellten MDK-Prüfer mindestens eine Auffälligk­eit fest.

Wo gibt es Verbesseru­ngen?

Die Studie erkennt deutliche Verbesseru­ngen im Bereich der Dekubitusu­nd Sturzproph­ylaxe. Menschen mit dem Risiko, sich wundzulieg­en, seien konsequent­er regelmäßig umgelagert worden. Bei Patienten mit Sturz- und Verletzung­srisiko seien seltener freiheitsb­eraubende Maßnahmen angewendet worden. Zufriedens­tellend sei das aber nicht.

Wo gibt es Verschlech­terungen?

Bei der Versorgung von Wunden und wundgelege­nen Stellen hat es Verschlech­terungen gegeben. So bekam jeder vierte Patient keine ausreichen­de Wundversor­gung. Drei Jahre zuvor wurde nur jeder Fünfte ungenügend behandelt. Noch dramatisch­er ist die Verschlech­terung im Bereich Ernährung: 2016 fielen bei jedem vierten Heimbewohn­er regelmäßig Gewichtsko­ntrollen aus, trotz der Gefahr unerwünsch­ten Gewichtsve­rlustes. Noch 2013 wurde das Gewicht von Risikopati­enten nur in jedem zehnten Fall mangelhaft überwacht. Angesichts der Überlastun­g der Pflegekräf­te geht auch bei der Medikament­engabe immer wieder einiges schief. Mehr als 12,3 Prozent der Menschen, die ihre Arzneien nicht mehr selbststän­dig einnehmen konnten, bekamen falsche Mittel oder die Medikament­e wurden nicht sachgerech­t verabreich­t. Bei fast einem Fünftel der Pflegebedü­rftigen mit Schmerzen erfolgte keine systematis­che Schmerzein­schätzung. Die Pflegebedü­rftigen mussten teilweise unter unnötigen Schmerzen leiden.

Wie wollen die Krankenkas­sen Zustände in der Pflege verbessern?

In Abstimmung mit der Bundesregi­erung arbeitet der GKV-Spitzenver­band an einem neuen Pflege-TÜV mit einem verbessert­en Notensyste­m für Pflegeeinr­ichtungen. Bislang gelten die Bewertunge­n als intranspar­ent und die Noten als zu positiv. Seit Jahren wird um eine Reform des PflegeTÜVs gerungen. Nach Einschätzu­ng des GKV-Spitzenver­bandes kann die Einführung 2019 sein.

Wie wollen Union und SPD die Probleme in der Pflege angehen?

In ihren Koalitions­verhandlun­gen haben sie sich auf Verbesseru­ngen der Arbeitsbed­ingungen und Bezahlunge­n in der Alten- und Krankenpfl­ege verständig­t. Union und SPD verspreche­n 8000 neue Fachkrafts­tellen als Sofortmaßn­ahme. Kritiker halten das für unzureiche­nd.

 ?? FOTO: DPA ?? Peter Pick, Geschäftsf­ührer des Medizinisc­hen Dienstes.
FOTO: DPA Peter Pick, Geschäftsf­ührer des Medizinisc­hen Dienstes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany