Streit um Müller: Wann kommt Licht ins Gestrüpp?
Die Trennung vom ehemaligen Stadtwerke-Chef wirft weiterhin mehr Fragen auf als es Antworten gibt
- Die Auseinandersetzung um die Aufhebung des Vertrags mit dem bisherigen Stadtwerke-Geschäftsführer Cord Müller scheint immer vielschichtiger und verworrener zu werden. Kein Tag ohne irgendeine Stellungnahme und eine Reaktion darauf. Doch worum geht es tatsächlich?
Vielleicht hilft es ja, die Kernpunkte des Streits wenigstens einmal zu sortieren und offene Fragen, von denen es momentan deutlich mehr zu geben scheint als Antworten, zu formulieren.
Fasst man zusammen, worauf sich all die Statements und Stellungnahmen vor allem der Fraktionen im Gemeinderat beziehen und was darin angesprochen wird, kristallisieren sich drei Themenbereiche heraus:
die bereits Mitte 2016 erfolgte Verlängerung des Vertrags mit Müller als Stadtwerke-Chef, wirksam ab Jahresanfang 2018;
die dann erfolgte Aufhebung des Vertrags zum Jahresende 2017;
die Tätigkeit Müllers für den dänischen Blockheizkraftwerke-Hersteller EC Power und dessen deutsche Tochtergesellschaft. Wie war das mit der Vertragsverlängerung 2016? 1 Um beim ersten Block zu beginnen: Am 16. Juni 2016 hatte der Gemeinderat Müllers Vertrag ab 2018 für weitere fünf Jahre verlängert. Bei der Abstimmung votierten 39 Ratsmitglieder dafür, zwei dagegen, weitere zwei enthielten sich der Stimme. „Zuvor gab es aus den Reihen aller Fraktionen großes Lob für Müllers bisherige Arbeit“, berichteten die „Aalener Nachrichten“damals aus dieser Gemeinderatssitzung.
Und zitierten dabei aber auch den Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler, Thomas Rühl, der schon damals gemeint hatte, bei der Zusammenarbeit zwischen Müller und Oberbürgermeister Thilo Rentschler sei noch „Luft nach oben“. Zuvor hatte der Aufsichtsrat der Stadtwerke dieser Vertragsverlängerung zugestimmt.
Von wem aber war die Initiative dazu, immerhin eineinhalb Jahre vor Ablauf des bestehenden Vertrags, ausgegangen? Von Müller selbst oder zumindest von Teilen des Aufsichtsrats? Und weshalb hat Rentschler dazu „geradezu gezwungen“werden müssen, wie jüngst die Freien Wähler verlautbart haben? Oder andersherum gefragt: Weshalb konnte sich der OB als Vorsitzender des Aufsichtsrats in seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Vertragsverlängerung nicht durchsetzen? Und weshalb war er überhaupt dagegen? Wer wurde tatsächlich wann über die Trennung informiert? 2 Das zweite große Thema: die für viele im Spätherbst vergangenen Jahres angeblich so überraschend gekommene Auflösung des Vertrags mit Müller zum Jahresende 2017. Im gegenseitigem Einvernehmen, wie offiziell verlautbart. Der Wunsch nach Trennung, so schildert es Müller, sei von ihm ausgegangen. Nachdem ihm Rentschler als Alternative eine öffentliche „Schlammschlacht“in Aussicht gestellt habe.
Der Streit ist jetzt vor allem an diesen Fragen entbrannt: Welche Gremien waren zu welchem Zeitpunkt mit der Aufhebung des Vertrags mit Müller befasst? Wo und wann sind die Entscheidungen darüber gefallen? Wer wurde vorab zu welchem Zeitpunkt über die Absicht informiert, diesen Vertrag aufzulösen? Während vor allem SPD und Freie Wähler in ihren öffentlichen Stellungnahmen darlegen, ausführlich und rechtzeitig darüber informiert gewesen zu sein, behaupten die Grünen das genaue Gegenteil. Und Norbert Rehm, inzwischen Vorsitzender der „Fraktion zur Durchsetzung des Informationsrechts“, wie sie sich nennt, wettert dagegen, dass die Aufhebung des Vertrags mit Müller hinter verschlossenen Türen von Gremien beschlossen worden sei, die dafür gar nicht zuständig seien. Sprich vom Gemeinderat. Erhebt sich also die Grundsatzfrage: Wer kann einen Vertrag mit einem Stadtwerke-Geschäftsführer denn nun tatsächlich abschließen und auch wieder aufheben? Und wer muss dem zustimmen? Wie viel hat EC Power an den Aalener Stadtwerken verdient? 3 Dritte Betrachtung schließlich, die jetzt vor allem die SPD ins Spiel gebracht hat: Müllers Tätigkeit für den dänischen Blockheizkraftwerke-Hersteller EC Power. Darüber war – manche erinnern sich schon gar nicht mehr daran – bereits im Jahr 2013 ein heftiger Streit entbrannt. Auch damals geisterten anonyme Briefe und Vorwürfe sogar in großer Zahl durch Aalen – ausschließlich gegen Müller gerichtet, so dass der damalige OB Martin Gerlach sogar von „Rufmord“und einem „bösen Treiben“sprach, mit dem man den Stadtwerke-Chef davonjagen wolle. Müller selbst hatte damals im Gemeinderat ausführlich seine Verbindung zu und seine Arbeit für EC Power dargelegt – von 2007 bei seiner Anstellung bei den Stadtwerken, als er lediglich einen Beratervertrag mit dem Unternehmen hatte, bis zum Jahr 2012, als ihm EC Power angeboten hatte, sich privat an dem Unternehmen zu beteiligen. Was er denn auch tat. Mehr als kritisch nachgehakt im Gemeinderat hatte damals übrigens Norbert Rehm.
Heute stellen sich weitere Fragen, hangelt man sich an dem jüngsten SPD-Statement entlang. Etwa die, in wie vielen städtischen Gebäuden und in wie vielen Privathäusern, etwa im Wohngebiet Schlatäcker, inzwischen Blockheizkraftwerke von EC Power stecken, ob dafür auch andere Angebote eingeholt wurden und ob es dafür Ausschreibungen gab. Interessant scheint auch die Frage, welchen Umsatz EC Power bislang mit den Stadtwerken Aalen gemacht hat. Und welcher Tätigkeitsumfang für dieses Unternehmen Müller zuletzt genehmigt war.
Stadtwerke sind derzeit an der Aufarbeitung
Wie der derzeitige Geschäftsführer der Stadtwerke, Wolfgang Weiß, auf Anfrage der „Aalener Nachrichten“sagt, sei man derzeit dabei, genau diesen Themenblock aufzuarbeiten, auch für den Aufsichtsrat. Zugleich bestätigt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Ellwangen, Armin Burger, den Eingang der von den Freien Wählern im Gemeinderat gestellten Strafanzeige gegen Unbekannt wegen der anonymen Verteilung von Müllers Erklärung vor dem Aufsichtsrat. Man prüfe den Vorgang derzeit, so Burger.
Regierungspräsidium prüft Darstellungen Rehms und der Stadt
Umfangreich hat Norbert Rehm inzwischen das Regierungspräsidium Stuttgart als Aufsichtsbehörde in die Vorgänge um die Stadtwerke eingeschaltet und dort auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Rentschler beantragt. Auf Nachfrage teilt das Regierungspräsidium mit, man habe hierzu „wie üblich“, wie es heißt, eine Stellungnahme der Stadt Aalen angefordert, die ebenfalls bereits vorliege und gerade geprüft werde. Über die Dauer oder den Ausgang des Verfahrens könne derzeit keine Prognose abgegeben werden.
Am Dienstag haben die Grünen der SPD-Erklärung widersprochen. Vor dem entscheidenden Trennungsgespräch des OB mit Müller sei nicht einmal der Aufsichtsrat informiert gewesen.