Streit um die Parkkontrolle durch Privatpersonen
Das Internet macht es einfach, Falschparken zu dokumentieren – das gefällt nicht jedem
STUTTGART (kab) - Die Digitalisierung macht es Privatleuten einfach, Falschparker anzuzeigen – etwa über Apps oder Online-Meldemöglichkeiten von Ordnungsämtern. Die kommunalen Spitzenverbände im Land sehen das kritisch. „Verkehrsüberwachung ist eine hoheitliche Aufgabe und fällt in den Bereich der Behörden und Gemeinden. So soll es auch bleiben“, sagt Iris Bohlen vom Gemeindetag Baden-Württemberg. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht das anders, wie ein Sprecher mitteilt. „Solche Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern können für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen hilfreich sein.“Das verbessere die Sicherheit im Straßenverkehr und sei „grundsätzlich zu begrüßen“.
- Nur kurz mit dem Auto auf dem Fahrradweg halten, um Brötchen zu kaufen: Für die einen ist Falschparken ein Kavaliersdelikt, für andere eine Gefahr, die kleingeredet wird. Zuständig für die Kontrolle und Ahndung sind die Ordnungsämter, doch auch jeder Bürger kann Parksünden – beispielsweise per E-Mail – dort melden. Durch die Digitalisierung wird das immer einfacher. Der Städtetag sieht das kritisch und vertritt damit eine andere Meinung als Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der es laut einem Sprecher begrüßt, wenn sich die Bürger einmischen.
Manche von ihnen sind äußerst kreativ, wenn sie Parksünder auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen wollen. Bilder von einer Aktion im Stuttgarter Lehenviertel aus dem vergangenen Dezember etwa sind um die ganze Welt gegangen. Aktivisten hatten falsch geparkte Autos mit Folie wie Geschenke eingepackt. Andere Privatleute entwerfen kreative Zettel, die sie Falschparkern an die Windschutzscheibe klemmen. Mit solchen Aktionen wollen sie die Parksünder auf ihr Verhalten aufmerksam machen. Strafen verhängen können sie nicht. Das dürfen nur die Ordnungsämter und die Polizei.
Privatunternehmen kontrollieren
Allerdings können die Städte und Gemeinden die Kontrolle des Verkehrs an Privatunternehmen vergeben. Zwölf Kommunen in BadenWürttemberg haben das getan – unter anderem Langenargen am Bodensee und Salem, wie das Verkehrsministerium erklärt. Auch vier Gemeinden aus dem Enzkreis tun dies. Den örtlichen FDP-Landtagsabgeordneten Erik Schweickert ärgert, dass das zuständige Landratsamt diese sogenannten City-Streifen offenbar skeptisch sieht. „Wenn solche Streifen systematisch Verstöße aufschreiben, wird das hoheitliche Grundprinzip verletzt“, zitiert die „Pforzheimer Zeitung“Oliver Müller, den Leiter des Straßenverkehrsund Ordnungsamtes des Enzkreises. Müller empfiehlt den Kommunen indes, Gemeindevollzugsbedienstete einzustellen.
Für Schweickert ist das nicht nachvollziehbar, zumal es gerade für kleine Gemeinden kostengünstiger sei, die Kontrolle zu vergeben statt selbst Personal aufzubauen. Und noch ein Argument führt er an: „Es ist sinnvoll, das an jemanden zu vergeben, der nicht aus dem Ort und damit neutral ist.“Falschparker vor Schulen und Kindergärten oder exzessive Dauerparker sind ihm ein Dorn im Auge. „Es geht um die öffentliche Ordnung, gerade auch in kleineren Gemeinden. Da darf man nicht einfach nur zugucken, sondern muss zeigen: Der Staat greift bei Problemen ein.“Auch das Verkehrsministerium sieht kein Problem darin, die Kontrolle an Privatunternehmen zu vergeben. Das diene der Verbesserung der Verkehrssicherheit, erklärt ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“. „Das Ministerium für Verkehr begrüßt es daher, wenn die Behörden zu ihrer Aufgabenerledigung in den rechtlich zulässigen Grenzen auf private Unternehmen zurückgreifen.“
Ministerium für Bürgerengagement
Und nicht nur das: Offen zeigt sich das Haus von Verkehrsminister Hermann auch bei der Frage, ob Bürger Parksünder anzeigen sollen. „Dem Verkehrsministerium ist bekannt, dass Privatpersonen in Einzelfällen Sachverhalte dokumentieren und den zuständigen Behörden mitteilen“, erklärt der Sprecher. „Solche Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern können für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen hilfreich sein und sind im Hinblick auf das verfolgte Ziel der Verbesserung der Verkehrssicherheit grundsätzlich zu begrüßen.“Und das wird immer leichter. 2014 hat Heinrich Strößenreuther eine App auf den Markt gebracht, die es jedem einfach macht, Parksünden zu dokumentieren und an das zuständige Ordnungsamt weiterzuleiten. Derzeit ist die App namens Wegeheld nicht voll funktionsfähig, weil an der Software gearbeitet werde, erklärt Strößenreuther. Spätestens Ende März soll sie wieder laufen. Es gibt etliche Seiten in sozialen Netzwerken, auf denen Nutzer Fotos von falsch abgestellten Autos hochladen – unter anderem die Seite „Dasmussweg“auf Twitter. Auch immer mehr Ordnungsämter, gerade in Großstädten, bieten ihren Bürgern die Möglichkeit, Falschparker online zu melden. Die Stadt Berlin hat dazu sogar eine eigene App entwickelt.
Gegenseitige Überwachung
Gerhard Mauch vom baden-württembergischen Städtetag sieht das kritisch. „Das wollen wir nicht“, sagt er, „denn das weckt eine Erwartungshaltung, der die Behörden nicht nachkommen können.“Es liegt im Ermessen der Ämter, angezeigte Parksünden zu verfolgen – darauf pochen neben ihm auch Vertreter vom Gemeindetag, dem Landkreistag und auch das Verkehrsministerium. Und noch einen Punkt greift Mauch auf: „Wir brauchen keinen Bespitzelungsstaat mit lauter Hilfspolizisten.“Ähnlich drückt sich FDP-Mann Schweickert aus: „Ich bin nicht für Denunziantentum nach dem Motto: Alle sollen sich gegenseitig überwachen. Das darf nicht sein.“
Strößenreuther wehrt sich gegen diesen Vorwurf. „Es geht darum, dass manche sich hinstellen, wo es ihnen gerade passt, und andere damit behindern und gefährden.“Ein an einer Kurve geparktes Auto etwa mache es vor allem für Kinder und Senioren riskant, dort die Straße zu überqueren. Es sei natürlich Aufgabe der Ordnungsämter dafür zu sorgen, dass jeder gut von A nach B kommt. „Aber die haben die Sorge, dass aufgedeckt wird, dass sie ihren Job nicht machen.“
Zu häufig werde ein Auge zugedrückt, kritisiert er. Strößenreuther hat bei den Ordnungsämtern „meist eine falsche Toleranz gegenüber dem angeblichen Kavaliersdelikt Falschparken“ausgemacht. Er plädiert dafür, dass es deutlich teurer wird. „Schwarzfahren kostet 60 Euro, das ist abschrecken. Falschparken kostet 15 Euro, das juckt keinen.“