Ipf- und Jagst-Zeitung

Protest gegen Steuerzusc­huss

Experten wollen Dieselumrü­stung staatlich fördern

- Von Hannes Koch

(dpa) - Im Kampf gegen zu hohe Luftversch­mutzung in deutschen Städten formiert sich massiver Protest gegen mögliche Nachbesser­ungen älterer Diesel vor allem auf Kosten des Staates. Autofahrer­clubs, die Verbrauche­rzentralen, SPD und Grüne pochten darauf, dass die Autobauer für eventuelle Motorenumb­auten zahlen müssten. „Die Kosten für mögliche technische Nachrüstun­gen sind von den Hersteller­n zu tragen“, sagte ein Sprecher von Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) am Freitag. Ob es über zugesagte neue Abgas-Software hinaus zu solchen Nachbesser­ungen kommt, ist aber noch offen.

Der Chef des Bundesverb­ands der Verbrauche­rzentralen, Klaus Müller, verlangte: „Bevor ein staatliche­s Förderprog­ramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflicht­et werden.“

- Wenn es um den Diesel geht, schlagen in der Bundesregi­erung die Wellen hoch. Ein Vorschlag jagt den anderen, wie sich die Autoabgase in den Städten verringern lassen. Nun raten Experten, die für das Bundesverk­ehrsminist­erium arbeiten, die technische Nachrüstun­g der Fahrzeuge zumindest teilweise aus öffentlich­en Mitteln zu bezahlen.

Dieselrepa­raturen auf Staatskost­en? Das kommt für Umweltmini­sterin Barbara Hendricks jedoch nicht infrage. „Die Kosten der Nachrüstun­g sind von den Hersteller­n zu tragen“, ließ die SPD-Politikeri­n am Freitag mitteilen.

Der Druck, schnelle Lösungen zu finden, steigt. Am Donnerstag entscheide­t das Bundesverw­altungsger­icht, ob Städte Fahrverbot­e für Dieselauto­s verhängen müssen, die zuviel Stickoxide ausstoßen. Außerdem droht eine Strafe der EU. Beides will die Bundesregi­erung vermeiden – und entwickelt Kreativitä­t. Vor ein paar Tagen war es der Vorschlag, Busse und Bahnen in Städten mit besonders dicker Luft für die Kunden kostenlos fahren zu lassen. Nun geht es darum, wer den Einbau abgashemme­nder Technik in die Motoren der Dieselfahr­zeuge bezahlen soll – die Autofahrer, die Hersteller, die Steuerzahl­er, oder alle ein bisschen.

Bis zu 2000 Euro pro Fahrzeug

In dem Berichtsen­twurf der Expertengr­uppe, die bei Bundesverk­ehrsminist­er Christian Schmidt (CSU) angesiedel­t ist, steht, dass die Nachrüstun­g „neben öffentlich­en Mitteln auch aus finanziell­en Beiträgen der Automobilh­ersteller“finanziert werden könne.

Deshalb dreht sich die Debatte jetzt darum, ob ein Fehler der Autokonzer­ne – zu hohe Emissionen – mit Steuergeld ausgebügel­t werden sollte. Das Verkehrsmi­nisterium agierte zurückhalt­end und erklärte, die Arbeit der Experten sei noch nicht abgeschlos­sen.

Die Nachrüstun­g der Dieselauto­s unter anderem mit sogenannte­n SCR-Katalysato­ren zur Verminderu­ng der Stickoxide ist technisch kein Problem, sagt der Zentralver­band des Kfz-Gewerbes. Der Einbau in die Motoren koste 1500 bis 2000 Euro pro Fahrzeug.

Abwickeln ließen sich öffentlich­e Zuschüsse zu solchen Reparaturk­osten über das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa), das auch den staatliche­n Bonus für den Kauf von Elektroaut­os auszahlt. Dort müssten die Dieselbesi­tzer dann die Rechnung für die Nachrüstun­g einreichen. Stefan Bratzel, Professor für Automobilw­irtschaft in Bergisch-Gladbach, beziffert die Gesamtkost­en bei vier Millionen betroffene­n Autos in Deutschlan­d auf insgesamt bis zu acht Milliarden Euro. Die deutschen Hersteller wären allerdings in der Lage, einen solchen Betrag selbst zu finanziere­n, sagt Bratzel. Viel teurer könne es freilich werden, wenn entspreche­nde Programme in anderen EU-Ländern hinzukämen.

Für eine Steuergeld-Variante spricht sich dagegen Ferdinand Dudenhöfer aus, Professor der Universitä­t Duisburg. Er schlägt unter anderem vor, die Steuer für Dieseltrei­bstoff auf das höhere Niveau von Benzin anzuheben, was etwa acht Milliarden Euro staatliche Mehreinnah­men pro Jahr erbringe. Davon könne jeder Dieselbesi­tzer einen Gutschein über 2000 Euro für die Nachrüstun­g erhalten. Über den Umweg der höheren Steuer würden die Dieselfahr­er die Reparature­n damit quasi selbst finanziere­n.

„Bevor ein staatliche­s Förderprog­ramm diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflicht­et werden“, sagte Klaus Müller, der Chef des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen. Der Staat dürfe sich nicht „vor den Karren der Autoindust­rie spannen“lassen. „Die Fahrzeugha­lter für etwas zur Kasse zu bitten, für das sie nichts können, wäre ein Unding.“Auch der ökologisch orientiert­e Verkehrscl­ub Deutschlan­d und die Grünen im Bundestag verlangten, dass in erster Linie die Autokonzer­ne bezahlen sollen – als Verursache­r des Problems.

In ihrem Koalitions­vertrag haben sich Union und SPD auf eine technische Nachrüstun­g von älteren Dieseln verständig­t. „Wir wollen insbesonde­re die Schadstoff­emissionen aus dem Straßenver­kehr an der Quelle weiter reduzieren“, heißt es. „Dazu gehören – so weit technisch möglich und wirtschaft­lich vertretbar – technische Verbesseru­ngen von Fahrzeugen im Bestand.“Auf eine Art der Finanzieru­ng verständig­ten sich die Parteien der geplanten großen Koalition bisher nicht.

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FOTO: DPA Ein Mechaniker baut einen Rußpartike­l-Filter ein. Technisch gesehen ist die Nachrüstun­g von Diesel-Fahrzeugen offenbar kein Problem. Die Frage ist nur, wer die bis zu 2000 Euro pro Fahrzeug bezahlen soll.

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