Protest gegen Steuerzuschuss
Experten wollen Dieselumrüstung staatlich fördern
(dpa) - Im Kampf gegen zu hohe Luftverschmutzung in deutschen Städten formiert sich massiver Protest gegen mögliche Nachbesserungen älterer Diesel vor allem auf Kosten des Staates. Autofahrerclubs, die Verbraucherzentralen, SPD und Grüne pochten darauf, dass die Autobauer für eventuelle Motorenumbauten zahlen müssten. „Die Kosten für mögliche technische Nachrüstungen sind von den Herstellern zu tragen“, sagte ein Sprecher von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Freitag. Ob es über zugesagte neue Abgas-Software hinaus zu solchen Nachbesserungen kommt, ist aber noch offen.
Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, verlangte: „Bevor ein staatliches Förderprogramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden.“
- Wenn es um den Diesel geht, schlagen in der Bundesregierung die Wellen hoch. Ein Vorschlag jagt den anderen, wie sich die Autoabgase in den Städten verringern lassen. Nun raten Experten, die für das Bundesverkehrsministerium arbeiten, die technische Nachrüstung der Fahrzeuge zumindest teilweise aus öffentlichen Mitteln zu bezahlen.
Dieselreparaturen auf Staatskosten? Das kommt für Umweltministerin Barbara Hendricks jedoch nicht infrage. „Die Kosten der Nachrüstung sind von den Herstellern zu tragen“, ließ die SPD-Politikerin am Freitag mitteilen.
Der Druck, schnelle Lösungen zu finden, steigt. Am Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob Städte Fahrverbote für Dieselautos verhängen müssen, die zuviel Stickoxide ausstoßen. Außerdem droht eine Strafe der EU. Beides will die Bundesregierung vermeiden – und entwickelt Kreativität. Vor ein paar Tagen war es der Vorschlag, Busse und Bahnen in Städten mit besonders dicker Luft für die Kunden kostenlos fahren zu lassen. Nun geht es darum, wer den Einbau abgashemmender Technik in die Motoren der Dieselfahrzeuge bezahlen soll – die Autofahrer, die Hersteller, die Steuerzahler, oder alle ein bisschen.
Bis zu 2000 Euro pro Fahrzeug
In dem Berichtsentwurf der Expertengruppe, die bei Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) angesiedelt ist, steht, dass die Nachrüstung „neben öffentlichen Mitteln auch aus finanziellen Beiträgen der Automobilhersteller“finanziert werden könne.
Deshalb dreht sich die Debatte jetzt darum, ob ein Fehler der Autokonzerne – zu hohe Emissionen – mit Steuergeld ausgebügelt werden sollte. Das Verkehrsministerium agierte zurückhaltend und erklärte, die Arbeit der Experten sei noch nicht abgeschlossen.
Die Nachrüstung der Dieselautos unter anderem mit sogenannten SCR-Katalysatoren zur Verminderung der Stickoxide ist technisch kein Problem, sagt der Zentralverband des Kfz-Gewerbes. Der Einbau in die Motoren koste 1500 bis 2000 Euro pro Fahrzeug.
Abwickeln ließen sich öffentliche Zuschüsse zu solchen Reparaturkosten über das Bundesamt für Wirtschaft (Bafa), das auch den staatlichen Bonus für den Kauf von Elektroautos auszahlt. Dort müssten die Dieselbesitzer dann die Rechnung für die Nachrüstung einreichen. Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft in Bergisch-Gladbach, beziffert die Gesamtkosten bei vier Millionen betroffenen Autos in Deutschland auf insgesamt bis zu acht Milliarden Euro. Die deutschen Hersteller wären allerdings in der Lage, einen solchen Betrag selbst zu finanzieren, sagt Bratzel. Viel teurer könne es freilich werden, wenn entsprechende Programme in anderen EU-Ländern hinzukämen.
Für eine Steuergeld-Variante spricht sich dagegen Ferdinand Dudenhöfer aus, Professor der Universität Duisburg. Er schlägt unter anderem vor, die Steuer für Dieseltreibstoff auf das höhere Niveau von Benzin anzuheben, was etwa acht Milliarden Euro staatliche Mehreinnahmen pro Jahr erbringe. Davon könne jeder Dieselbesitzer einen Gutschein über 2000 Euro für die Nachrüstung erhalten. Über den Umweg der höheren Steuer würden die Dieselfahrer die Reparaturen damit quasi selbst finanzieren.
„Bevor ein staatliches Förderprogramm diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden“, sagte Klaus Müller, der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Der Staat dürfe sich nicht „vor den Karren der Autoindustrie spannen“lassen. „Die Fahrzeughalter für etwas zur Kasse zu bitten, für das sie nichts können, wäre ein Unding.“Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland und die Grünen im Bundestag verlangten, dass in erster Linie die Autokonzerne bezahlen sollen – als Verursacher des Problems.
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf eine technische Nachrüstung von älteren Dieseln verständigt. „Wir wollen insbesondere die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr an der Quelle weiter reduzieren“, heißt es. „Dazu gehören – so weit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar – technische Verbesserungen von Fahrzeugen im Bestand.“Auf eine Art der Finanzierung verständigten sich die Parteien der geplanten großen Koalition bisher nicht.